Perioperatives Management - Rektumresektion nach Hartmann

  1. Indikationen

    • Perforierte Sigmadivertikulitis mit kotiger Peritonitis (Classification of Diverticular Disease (CDD) Typ 2c2) oder bei Immunsuppression
    • Perforiertes Rektumkarzinom mit kotiger Peritonitis
    • (Sigma-)Rektumkarzinom mit vorbestehender Stuhlinkontinenz
    • Postoperative Anastomoseninsuffizienz nach Kolon-/Rektumresektionen mit kotiger Peritonitis

    Im Beispiel handelt es sich um ein tief sitzendes Rektumcarcinom mit gedeckter Perforation und Abszess. Wegen einer vorbestehenden Stuhlinkontinenz wird die Indikation zur Diskontinuitätsresektion mit tiefem Hartmannstumpf gestellt.

  2. Kontraindikation

    • Schwere Komorbidität

    Eingeschränkte Operabilität z.B. durch schwere Lungenerkrankung, Herzinsuffizienz, Leberzirrhose, etc.; ob diese Komorbidität eine Kontraindikation zur Operation darstellt, ist individuell zu prüfen.

    • Sphinkterinfiltration bzw. unzureichender Sicherheitsabstand zwischen Tumorunterrand und distalem Resektionsrand

    Hier ist eine abdominoperineale Rektumexstirpation durchzuführen.

  3. Präoperative Diagnostik

    Labor: BB, CRP, Gerinnung, Kreatinin, Elektrolyte, Blutgruppe, Antikörpersuchtest, ggf. CEA

    Bei perforierter Sigmadivertikulitis: CT-Abdomen/Becken mit i.v. und rektaler KM-Gabe

    Bei perforiertem Karzinom: CT-Abdomen/Becken mit i.v. und rektaler KM-Gabe     

    Bei postoperativer Anastomoseninsuffizienz: CT-Abdomen/Becken mit i.v. und rektaler KM-Gabe     

    Bei Karzinomverdacht und anamnestisch eingeschränkter Sphinkterfunktion:

    • Klinische Untersuchung incl. rektal-digitale Untersuchung. Diese ermöglicht bei einem Rektumtumor bereits eine Einschätzung der Höhe des Tumors und seiner Verschieblichkeit zur Umgebung. 
    • Starre Rektoskopie zur Bestimmung des Abstands Tumorunterrand – Linea anokutanea;
    • Koloskopie mit Probeentnahmen zur histologischen Sicherung (obligat) Bemerkung: Sofern eine Koloskopie aufgrund einer nicht passierbaren Stenose präoperativ nicht möglich ist, sollte diese 3-6 Monate postoperativ nachgeholt werden.
    • CT-Abdomen/Thorax ,  MRT-Becken zum Staging, ggf. Endosonographie, MRT-Leber oder KM-Sonographie-Leber
    • Sphinkterfunktionsmessung (klinisch und/oder manometrisch) zur Objektivierung der Sphinkterfunktion
  4. Spezielle Vorbereitung

    In den Notfallsituationen (Perforation) ist die präoperative Phase so kurz wie möglich zu halten, da die Dauer bis zu operativen Sanierung die Letalität des Eingriffs entscheidend mitbestimmt.

    Frühzeitiger Beginn einer Antibiotikatherapie (bei Perforation sofort nach Diagnosestellung); individuelle Wahl der Antibiotika abhängig von endogenen (z.B. Immunsupression) und dispositionellen (z.B. postoperative kotige Peritonitis; „second hit“) Faktoren

    Bei elektiver OP:

      • Schriftliche Aufklärung des Patienten
      • Klärung der Operabilität, ggf. Hinzuziehung von anderen Fachabteilungen zur konsiliarischen Beurteilung der Operabilität.
      • Anästhesiologische Vorstellung
      • Aufklärungsgespräch hinsichtlich Stomaversorgung und Anzeichnen einer Stomadurchtrittsstelle
      • Rasur des Operationsgebietes
      • Bereitstellung von Blutkonserven
  5. Aufklärung

    • Wundinfektion/intraabdomineller Abszess/Infektion
    • Nachblutung
    • Thrombose/Embolie
    • Verletzung von intraabdominellen Strukturen, insbesondere Harnleiter, Milz
    • Störung der Harnblase und Sexualfunktion
    • Einschränkung der Stuhlkontinenz bei geplantem Wiederanschluss
    • ggf. Diskussion und Dokumentation einer möglichen Erweiterung der Operation je nach Befund (z.B. hin zur abdominoperinealen Rektumexstirpation bei sehr tief sitzendem Karzinom)
  6. Anästhesie

    • Intubationsnarkose und – falls möglich
    • thorakaler PDK (Sepsis als Kontraindikation!)
    • Normothermie (Patienten wärmen)
  7. Lagerung

    Lagerung
    • Goligher-Lagerung (Steinschnittlagerung in gepolstereten Beinschalen), ggf. auch primär Rückenlagerung (wenn transanales Vorgehen ausgeschlossen!)
    • beide Arme angelagert
  8. OP-Setup

    OP-Setup
    • Operateur rechts vom Patienten
    • 1. Assistent links vom Patienten
    • 2. Assistent zwischen den Beinen
    • Instrumentierende OP-Pflegekraft links vom Patienten, fußwärts des 1. Assistenten
    • Operateur und 1. Assistent können bei Bedarf die Seiten tauschen (Präparation im kleinen Becken)
    • Bei Links-Flexur-Mobilisation 2. Assistent links vom Patienten kopfwärts des 1. Assistenten
  9. Spezielle Instrumentarien und Haltesysteme

    • Ringfolie
    • Selbstspreizer, z.B. Mercedes-Sperrer (Aesculap)
    • gebogenes chirurgisches Klammernahtgerät oder Endo-GIA zum Absetzen des Rektums
    • Blake-Drainage (Ethicon)
  10. Postoperative Behandlung

    Postoperative Analgesie:

    Systemische Analgetika (zusätzlich zum PDK) unter Berücksichtigung vorliegender Organfunktionsstörungen
    (v. a. Niere, Leber). Zur postoperativen Analgesie folgen Sie hier dem Link zu PROSPECT (Procedures Specific Postoperative Pain Management) oder folgen Sie hier dem Link zur aktuellen Leitlinie Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen.

    Medizinische Nachbehandlung:

    Bei Verunreinigung des OP-Situs oder des Subkutangewebes durch Stuhl ist ggf. eine Fortführung der Antibiose empfehlenswert. Eine dauerhafte Nachsorge sowohl pflegerisch als auch medizinisch sollte für jeden Stomaträger gewährleistet sein. Durch Kontakt zu Selbsthilfegruppen (z.B. ILCO: Selbsthilfeverband von Menschen mit einem Stoma, der Name ILCO wird durch die Anfangsbuchstaben von Ileum (Dünndarm) und Colon (Dickdarm) gebildet) kann den Patienten die Angst vor einem Leben mit Stoma aus Betroffenensicht genommen werden.

    Thromboseprophylaxe:

    Bei fehlenden Kontraindikationen sollte aufgrund des hohen Thrombembolierisikos neben physikalischen Maßnahmen niedermolekulares Heparin in prophylaktischer, ggf. in dem Dispositionsrisiko adaptierter Dosierung für mindestens 2, ggf. auch bis zu 6 Wochen verabreicht werden. Zu beachten: Nierenfunktion, HIT II (Anamnese, Thrombozytenkontrolle). Folgen Sie hier dem Link zur aktuellen Leitlinie Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE).

    Mobilisation:

    Sofortige Mobilisation. Schrittweises Wiederaufnehmen der körperlichen Belastung bis zur Vollbelastung.

    Krankengymnastik:

    Kranken- und Atemgymnastik

    Kostaufbau:

    Bei fehlender Atonie, Übelkeit und Erbrechen Beginn mit Trinken und z.B. zwei Joghurts am OP-Tag. Bei Verträglichkeit sofortiger Kostaufbau bis Wunschkost.

    Stuhlregulierung:

    Ggf. Laxantien ab dem 2. Tag; bei Darmparalyse 3×1mg Neostigmin (langsam über ca. 2 h; CAVE off-lable-use) und 3x 10mg Metroclopramid jeweils als KI i.v..

    Arbeitsunfähigkeit:

    Individuell angepasst – entsprechend der Operationsindikation. Arbeiten mit stärkerer körperlicher Belastung sind wegen der Prolaps- und Herniengefahr generell für einen Stomaträger ungeeignet.

    Stomapflege: 

    Erlernen der Entleerungs-/Säuberungstechniken. Anlernen von Lebenspartnern. Sicherstellung einer guten Stomaversorgung daheim z.B. durch mobile Pflegedienste. Unterstützung durch Patientenorganisationen (z.B. ILCO).

    Stomairrigation bei distalem Kolostoma (Descendens oder Sigma): Regelmäßige Darmspülung über das Stoma  mit konsekutiver Entleerung des Darminhalts. Zur Spülung wird körperwarmes Leitungswasser in einer Menge von 15 ml/kg KG (also 1-1,5l) über einen im Handel erhältlichen Beutel samt Zubehör in den Darm eingeleitet. Im Idealfall führt das zu einem ausscheidungsfreien Intervall von 24 - 48 h. In dieser Zeit kann das Stoma mit einer Kappe oder Minibeutel versorgt werden und so die Bewegungsfreiheit gesteigert werden. Durch die gleichzeitige Entleerung von Darmgasen sind für 8-10 h keine Blähungen zu erwarten.