Perioperatives Management - Resektionsrektopexie, laparoskopisch

  1. Indikationen

    Im Filmbeispiel ergab sich die Indikation für eine Resektionsrektopexie (Rektopexie mit simultaner Sigmaresektion) wegen eines obstruktiven Defäkationssyndroms (ODS) mit Intussuzeption (innerer Rektumprolaps) in Kombination mit einer mäßiggradigen Rektozele, vor allem aber wegen einer ausgeprägten Sigmaenterozele bei gleichzeitig bestehender Divertikulose.

    Eine weitere Indikation zur Resektionsrektopexie ist beim fortgeschrittenen Rektumprolaps (Grad 3) mit Obstipationsanamnese gegeben. Bei fehlender Obstipationsanamnese und ohne Sigmaenterozele sollten insbesondere hinsichtlich OP-Fähigkeit und Begleiterkrankungen das transanale und transabdominelle Vorgehen gegeneinander abgewogen werden (z. B. Rehn-Delorme-Verfahren beim alten, multimorbiden Patienten, s.u. Evidenzen).

    Ziel der Behandlung ist die Wiederherstellung des Defäkations- und Kontinenzverhaltens und ggf. Beseitigung des Rektumvorfalls.

  2. Kontraindikationen

    • Allgemeine Kontraindikationen für ein laparoskopisches Vorgehen
    • Funktionelle Outlet-Obstruction, z. B. paradoxes Puborektalissyndrom, Anismus
  3. Präoperative Diagnostik

    3.1 Standarddiagnostik

    Anamnese

    • Prolaps: nur während der Defäkation, bei körperlicher Anstrengung, dauerhaft
    • schleimiger Ausfluss (durch Mukositis: mechanische Belastung der Mukosa infolge der Intussuszeption)
    • peranale Blutabgänge, z.B. durch ein Ulcus recti simplex (benigne, häufig beim Rektumprolaps, immer anterior gelegen)
    • Obstipation/Diarrhoe, gelegentlich im Wechsel
    • Gefühl der unvollständigen Entleerung = repetitiver Toilettenbesuch mit heftigen, frustranen Pressversuchen
    • Bleistiftstühle, Skyballa
    • Tenesmen
    • Inkontinenz: Stuhlschmieren, Pruritus ani
    • bei Frauen häufig Beckenbodensenkung mit Harninkontinenz
    • soziale Beeinträchtigungen: Z.B. Toilette muss immer in der Nähe sein, Fastenperiode vor Verlassen des Hauses

    Inspektion/Pressversuch

    So beeindruckend ein fortgeschrittener Rekumprolaps sein mag: Er kann leicht übersehen werden, wenn er nur im Rahmen der Defäkation auftritt und der Patient während der Untersuchung aus Scham ein starkes Pressen vermeidet oder – was nicht selten vorkommt – Pressen mit Kneifen verwechselt.

    • Häufig tritt der Prolaps erst nach mehreren Pressversuchen auf
    • Ggf. Untersuchung in Hockstellung oder auf dem Toilettenstuhl
    • Typisch für den kompletten Rektumprolaps: zirkuläre Schleimhautfalten

    Rektal-digitale Untersuchung

    • Aktives Anspannen bzw. Relaxation lässt eine grobe Einschätzung des Sphinkterapparates zu
    • Beim Pressen kann ggf. eine Intussuszeption oder Rektozele getastet werden
    • Induration von Schleimhautarealen: Könnte Hinweis auf ein Ulcus recti simplex sein

    Endoskopie

    Proktoskopie

    • Intussuszeption ist häufig (nicht immer) an einer Vorwölbung der ventralen Rektumwand durch den Analkanal erkennbar, wenn das Proktoskop bis an das äußere Ende des Analkanals zurückgezogen und der Patient zum Pressen aufgefordert wird.

    Rektoskopie

    • Kann ein Ulcus recti simplex zeigen (immer anterior lokalisiert)
    • Eine distale Proktitis beginnend am anorektalen Übergang und abrupt bei 10-12 cm ab ano endend wird häufig von einem Rektumprolaps begleitet

    Koloskopie

    • Präoperativer Standard zur Untersuchung der kolorektalen Topographie und zum Ausschluss weiterer Pathologika

    Funktionsdiagnostik

    Funktionsuntersuchungen wie die anorektale Manometrie sind bei Patienten mit Rektumprolaps empfehlenswert, denn neben der Evaluation der Kontinenz lassen sich so Patienten detektieren, die trotz Rektopexie weiterhin inkontinent bleiben werden.

    Bei der Manometrie sind für einen Rektumprolaps mit Inkontinenz niedrige Ruhe- und Kontraktionsdrücke typisch.

    3.2 Zusatzdiagnostik

    Zusätzliche Funktionsuntersuchungen wie die Elektromyographie und Messung der Nervenleitgeschwindigkeit sind Ausnahmefällen vorbehalten.

    Die Defäkographie kann einen inneren Prolaps bestätigen, bei einem äußeren Prolaps kann auf die Durchführung verzichtet werden.

    Bei V.a. einen Sphinkterdefekt ist die Endosonographie hilfreich.

  4. Spezielle Vorbereitung

    • Orthograde Darmlavage z.B. mit Polyethylenglykol
    • Bauchdecken-Rasur

    im OP-Saal:

    • perioperative Antibiose als Single-Shot mit einem Cephalosporin der 1. Generation (z. B. 2 g Cefazolin) und 500 mg Metronidazol i.v.
    • Blasendauerkatheter
  5. Aufklärung

    Allgemeine Risiken

    • Blutung
    • Nachblutung
    • Notwendigkeit von Transfusionen mit entsprechenden Transfusionsrisiken
    • Thromboembolie
    • Wundinfektion
    • Abszess
    • Verletzung von Nachbarorganen/strukturen (linker Ureter, Iliakalgefäße, inneres Genitale bei der Frau, Harnblase, Milz, Niere, Pankreas)

    Spezielle Risiken

    • Anastomoseninsuffienz mit lokaler oder generalisierter Peritonitis und Folge der Sepsis, Reoperation, Diskontinuitätsresektion oder Anlage eines protektiven Ileostomas
    • Impotentia coeundi beim Mann, Incontinentia alvi und Blasenentleerungsstörungen durch Verletzung der Nervi hypogastrici inferiores
    • Intraabdominelle Abszessbildung
    • Primäre Anlage eines protektiven Ileostomas oder primäre Diskontinuitätsresektion
    • Konversion
    • Änderung des Stuhlverhaltens
    • Trokarhernie
    • Gefahr der Verletzung des Sphinkterapparates durch Stapler
    • Rezidivprolaps
    • Postoperative Obstipation
    • Persistierende Stuhlinkontinenz bzw. Restinkontinenz
  6. Anästhesie

    Intubationsnarkose bei Kapnoperitoneum

    Intra- und postoperative Analgesie mit PDK

    Folgen Sie hier dem Link zu PROSPECT (Procedure specific postoperative pain management) oder zur aktuellen Leitlinie Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen.

  7. Lagerung

    Lagerung
    • Steinschnittlagerung
    • Anlagerung beider Arme
    • Anbringen von Schulterstützen beidseits
    • Anbringen einer Seitenstütze rechts
    • Probelagerung vor dem Abdecken

    Zur Vermeidung von Lagerungsschäden siehe Komplikationen durch Lagerung

  8. OP-Setup

    OP-Setup
    • Operateur: rechts vom Patienten kopfwärts
    • Assistenz: fusswärts neben dem Operateur
    • Instrumentierende Pflegekraft: zwischen den Beinen des Patienten
  9. Spezielle Instrumentarien und Haltesysteme

    Spezielle Instrumentarien und Haltesysteme

    Basis-Instrumentarien für die Laparoskopie

    • 11er Skalpell
    • Präparierschere
    • Langenbeck-Haken
    • Saug-Spül-System
    • Nadelhalter
    • Fadenschere
    • Pinzette
    • Gassystem für Pneumoperitoneum
    • Kamerasystem (30-Grad-Optik)
    • Kompressen, Bauchtücher
    • Tupfer
    • Nahtmaterial für Bauchwandfaszie, Subkutis und Haut

    Trokare (im Fimbeispiel)

    • T1 = Optiktrokar (10 mm)
    • T2 u. 4 = Arbeitstrokare (5 mm)
    • T3 = Arbeitstrokar (10 mm)

    Zusätzliches Instrumentarium für die laparoskopische Sigmaresektion

    • bipolare Schere
    • Dissektionsinstrument zur Versiegelung von Gefäßen mit integrierter Schneidefunktion, hier BOWA NightKNIFE®
    • lineares Klammernahtgerät (z. B. Endo GIA®)
    • transluminales, zirkuläres Klammernahtgerät (z. B. Proximate R ILS®)
    • Klemme für den Dorn des Klammernahtgerätes (Kopffasszange)
    • Ringfolie
    • ggf. Easy-Flow-Drainage, Annaht und Ablaufbeutel

    Bowa NightKNIFE® – Seal’n Cut

    NightKNIFE® ist ein wiederverwendbares Instrument mit Schneidfunktion zur LIGATION bei offen-chirurgischen und laparoskopischen Anwendungen. LIGATION steht für den dauerhaften Verschluss von Gewebe und Gefäßbündeln in Verbindung mit einem BOWA ARC Generator mit LIGATION-Funktion.

    Es können dabei Gefäße bis 7 mm versiegelt werden. Die Versiegelungen halten bis zu 700 mmHg Druck stand und erfüllen somit die Anforderungen an die Sicherheit.

    NightKNIFE® zeichnet sich insbesondere durch ein integriertes und auswechselbares Messer, eine vollständige Spitzenisolation so wie durch einen minimalen thermischen Seiteneffekt aus.

    Technische Daten

    • Plug’n Cut COMFORT Instrumentenidentifikation
    • Antihaftbeschichtung
    • Atraumatische Spitzen
    • Integriertes Messer
    • Vollständig isoliertes Maulteil
    • Rastung für definierten Druck
    • Längen: 360 mm, 200 mm
    • Ø 10 mm
    • Autoklavierbar
  10. Postoperative Behandlung

    Postoperative Analgesie

    • Periduralanästhesie postoperativ 2 – 5 Tage fortsetzen

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    Medizinische Nachbehandlung

    • möglichst am OP-Tag DK-Entfernung
    • falls eingelegt, Entfernen der Bauchdrainage zwischen dem 1. und 2. postoperativen Tag
    • falls nicht resorbierbar, Entfernung des Hautnahtmaterials um den 12. postoperativen Tag

    Thromboseprophylaxe

    Bei fehlenden Kontraindikationen sollte aufgrund des mittleren Thromboembolierisikos (operativer Eingriff > 30 Minuten Dauer) neben physikalischen Maßnahmen niedermolekulares Heparin in prophylaktischer ggf. in gewichts- oder dispositionsrisikoadaptierter Dosierung bis zum Erreichen der vollen Mobilisation verabreicht werden. Zu beachten: Nierenfunktion, HIT II (Anamnese, Thrombozytenkontrolle).

    Folgen Sie hier dem Link zu den aktuellen Leitlinien der Thromboembolieprophylaxe

    Mobilisation

    • sofortige Mobilisation
    • schrittweises Wiederaufnehmen der körperlichen Belastung bis zur Vollbelastung

    Krankengymnastik

    • ggf. Atemgymnastik zur Pneumonieprophylaxe

    Kostaufbau

    • am OP-Tag Trinken
    • am 1. Tag postoperativ Tee, Suppe, Joghurt
    • ab 2. Tag postoperativ leichte Kost

    Stuhlregulierung

    • ggf. Laxantien ab dem 2. postoperativen Tag
    • bei Darmparalyse 3×1 mg Neostigmin (langsam über ca. 2 h; CAVE off-lable-use) und 3x 10 mg Metoclopramid jeweils als Kurzinfusion

    Entlassung

    • ab dem 4. postoperativen Tag möglich

    Arbeitsunfähigkeit

    • individuell, je nach ausgeübtem Beruf zwischen 3 und 6 Wochen