Die Indikation zur operativen Behandlung einer Nebennierenraumforderung (NN-RF) basiert individuell auf der zugrundeliegenden Erkrankung unter Abwägung nicht-operativer Behandlungsverfahren und möglicher Komplikationen. Ziel der operativen Behandlung ist die sichere und möglichst dauerhafte Beseitigung der krankheitsverursachenden Nebennierenerkrankung.
Die Adrenalektomie (AE) ist eine Domäne der minimal-invasiven Chirurgie [Walz, 2012; Carr et Wang, 2016]. Die Vorteile der minimal-invasiven Ausführung der Nebenniereneingriffe sind überwältigend gegenüber einem offenen Vorgehen. Für die oft angenommene 6-cm-Grenze der NN-RF gibt es keine Evidenz [Palazzo et al., 2006; Walz et al., 2005]. Für hormoninaktive RF der NN > 6 cm wird in den aktuellen Leitlinien aufgrund der statistisch ansteigenden Malignitätsrate weiterhin das offene Verfahren empfohlen [Lorenz et al., 2019), obwohl zahlreiche Untersuchungen gezeigt haben, dass auch bei großen Nebennierentumoren > 6 cm und entsprechender Expertise sicher minimalinvasiv vorgegangen werden kann (Palazzo et al., 2006; Walz et al., 2005; Asari et al., 2012).
Als Zugangswege haben sich die transabdominelle Laparoskopie und die Retroperitoneoskopie etabliert [Walz et al., 2006]. Während sich in einer randomisiert kontrollierten Studie mit 83 Patienten kein Unterschied zwischen beiden Operationsmethoden zeigte [Chai et al., 2019], demonstrieren andere Studien Vorteile. Die retroperitoneoskopischen Operationsmethoden sind auch nach abdominalen Voroperationen uneingeschränkt möglich. Der posteriore Zugang erlaubt zudem eine bilaterale Adrenalektomie ohne Umlagerung des Patienten. Die retroperitonealen Verfahren nutzen einen direkten Zugang zur Nebenniere, womit die Präparation und Mobilisation intraperitonealer Organe entfallen. Sie gelten als schneller, der Blutverlust soll kleiner sein, die Schmerzbelastung geringer und der Krankenhausaufenthalt kürzer [Barczynski et al., 2014; Conzo et al., 2016; Gavrilidis et al., 2021]. Es ist deshalb dem Chirurgen überlassen, welche Methode er gemäß persönlicher Ausbildung und Expertise anwendet (Conzo et al., 2016).
Die Single-port-Adrenalektomie ist eine Alternative [Wang et al. 2013], signifikante Vorteile ergeben sich bei limitierter Datenlage jedoch nicht.
Auch die robotisch durchgeführte Adrenalektomie ist sicher. Sie scheint sogar mit weniger Blutverlust und kürzerem Krankenhausaufenthalt als die laparoskopische Adrenalektomie verbunden zu sein [Agrusa et al., 2017]. Die Operationszeit ist jedoch länger, und die Kosten sind höher [Samreen et al., 2019], sodass sie für den Gebrauch in der Breite noch nicht geeignet erscheint.
Die Einschätzung des Malignitätsrisikos erfolgt anhand der Tumorgröße und bildgebender Verfahren. Die Bestimmung der Hounsfield-Einheiten (HU) kann zusätzliche Hinweise geben. Allerdings ist nur die erkennbare Infiltration von Nachbarstrukturen oder Nachweis von Fernmetastasen Malignom-beweisend. Neben der Computertomographie ist die MRT mit chemical shift-Bildgebung in der Diagnostik von Nebennierenraumforderungen etabliert (Israel et al., 2004).
Die Standardtherapie unilateraler Tumoren ist die Adrenalektomie. Die Nebennieren-erhaltende Resektion kann erfolgen, wenn der hormonaktive primäre Tumor dabei vollständig entfernt werden kann. Bei manchen Erkrankungen wie den hereditären bilateralen Phäochromozytomen (z.B. bei MEN 2 a/b) oder dem Cushing-Syndrom aufgrund von bilateraler makronodulärer Hyperplasie [Lowery et al., 2017] sind parenchymsparende Nebennierenresektionen gegenüber der totalen Adrenalektomie zu bevorzugen, um die Gefahr postoperativer lebensbedrohlicher Addison-Krisen (akute Nebenniereninsuffizienz) zu minimieren. Der Erhalt der adrenokortikalen Funktion kann durch das Belassen eines Drittels einer Nebenniere erreicht werden (Brauckhoff et al., 2003). Dabei muss die Nebennierenvene nicht zwingend erhalten werden. Der Vorteil des Funktionserhalts muss gegenüber dem Risiko des lokalen Tumorrezidivs in der Restnebenniere abgewogen werden. Das Rezidivrisiko nach parenchymsparenden Nebennierenteilresektionen wird bei MEN-2a/b-Patienten auf 30% nach 10 Jahren geschätzt [Asari et al., 2006]. Weitere Daten zeigen eine gute Symptomkontrolle bei Conn- [Walz et al., 2009] und Cushing-Adenomen [Alesina et al., 2010].
Hormonaktive Tumoren
Hormonaktive, symptomatische Nebennierenraumforderungen/-erkrankungen (uni- und bilateral) stellen unabhängig von der Größe des Tumors eine Operationsindikation dar. Eine Ausnahme kann der primäre Hyperaldosteronismus mit bilateraler Hyperplasie ohne Seitenzuordnung sein, der medikamentös behandelt werden kann [Lorenz et al., 2019].
Conn-Syndrom (primärer Hyperaldosteronismus, PHA)
Ein unmittelbares Screening auf diese Erkrankung wird bei einem Inzidentalom nur empfohlen, wenn gleichzeitig eine arterielle Hypertonie oder eine unklare Hypokaliämie vorliegen [Fassnacht et al., 2016].
Präoperativ wird der primäre Hyperaldosteronismus (PHA) biochemisch durch Bestimmung des Aldosteron-Renin-Quotienten (ARQ) gesichert. Beim primären Hyperaldosteronismus (PHA) liegt eine autonome, d.h. reninunabhängige Aldosteronsekretion vor. Die Bestimmung dieses Quotienten ist ein exzellenter Screening-Test bei der Diagnostik des primären Hyperaldosteronismus, da auch Patienten mit einem milden primären Hyperaldosteronismus erkannt werden [Hiramatsu et al., 1981; Gordon et al., 2001].
Bei Patienten mit einem auffälligen ARQ sollte eine Bestätigungsdiagnostik durchgeführt werden [Funder et al., 2016]. Hierzu stehen verschiedene Tests zu Verfügung [Namba et al., 2012]. Der am häufigsten durchgeführte Bestätigungstest ist der intravenöse Kochsalz-Belastungstest.
Präoperativ empfiehlt sich eine Lokalisationsdiagnostik mit Seitenbestimmung der Erkrankungsursache, da dies die Operationsindikation und Operationsstrategie bestimmt. Bei unklarer Lokalisation in der Bildgebung sollte präoperativ ein NN-Venenkatheter mit selektiver Blutentnahme [Strajina et al., 2018] zur funktionellen Lateralisierung des PHA vorgenommen werden.
Bei eindeutiger Seitenzuordnung in der Schnittbildgebung kann auf einen Nebennierenvenenkatheter verzichtet werden, wenn der Patient über das Risiko einer inadäquaten Operation (ca. 5 %) [Lim et al., 2014] durch Entfernung hormoninaktiver NN-Tumoren bei Belassen unerkannter kontralateraler NN-Pathologien ausführlich aufgeklärt wurde [Lombardi et al., 2007; Kline et al., 2014; Tan et al., 2006).
Beim solitären Aldosteron-produzierenden Adenom kann auch eine partielle Entfernung der betroffenen Nebenniere vorgenommen werden [Fu et al., 2011].
Cushing-Syndrom
Bei V.a. bzw. zum Ausschluss eines Cushing-Syndroms sind drei laborchemische Parameter gebräuchlich: Dexamethasonhemmtest mit 1mg Dexamethason, die Bestimmung des 23:00-Uhr-Kortisols im Serum oder Speichel und die Messung des freien Kortisols im 24-Stunden-Urin (Niemann et al., 2008). Ist hierdurch ein Hyperkortisolismus bewiesen, wird zwingend die Bestimmung des ACTH gefordert. Beim adrenalen Cushing-Syndrom muss das ACTH supprimiert oder niedrig-normal sein. Ist das nicht der Fall, ist die Genese des Cushing- Syndroms in der Regel hypophysär, d. h. durch ein ACTH-produzierendes Hypophysenadenom (Morbus Cushing) oder durch eine ektope ACTH-Produktion bedingt und nicht durch eine NN-RF. Therapie der Wahl des manifesten adrenalen Cushing-Syndroms ist die unilaterale Adrenalektomie (Niemann et al., 2015). Intra- und postoperativ ist eine Glukokortikoidsubstitution mit Hydrokortison erforderlich, da zumindest vorübergehend von einer Nebenniereninsuffizienz bei Suppression der kontralateralen NN durch den Kortisolexzess auszugehen ist [Bornstein et al., 2016].
Neben dem klinisch manifesten Cushing-Syndrom ist in den letzten Jahren das subklinische Cushing-Syndrom, dessen Begrifflichkeit in der NN-Inzidentalom-Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Endokrinologie durch „autonome Kortisolsekretion“ ersetzt wurde, deutlicher charakterisiert worden [Fassnacht et al., 2016: Chiodini, 2011; Chiodini et al., 2010; De Leo et al., 2012; Niemann 2015]. Hierbei besteht biochemisch ein milder Kortisolexzess, in der Regel belegt durch ein nicht supprimierbares Kortisol nach der Gabe von 1mg Dexamethason (Dexamethasonhemmtest), jedoch ohne die spezifischen klinischen Zeichen eines Hyperkortisolismus. Dieser milde Kortisolexzess geht mit einer erhöhten Frequenz kardiovaskulärer und metabolischer Komorbiditäten einher. Es fehlen aber qualitativ hochwertige Studien mit harten Endpunktdaten wie Mortalität oder kardiovaskulären Ereignissen. Daher muss in diesem Fall die Indikation zur Adrenalektomie gegenüber einer medikamentösen Therapie der Komorbiditäten kritisch gestellt und individuell in einem multidisziplinären Team unter Berücksichtigung von Alter und Patientenwunsch getroffen werden (Fassnacht et al., 2016).
Nebennierentumoren mit Androgen-/Östrogen Überproduktion
Bei jedem Östrogen- oder Androgen-produzierenden Nebennierentumor soll an ein Nebennierenkarzinom (ACC) gedacht werden, da Adenome selten sind [Lack, 2007].
Bis zu einer Tumorgröße von 6 cm ist eine minimalinvasive Adrenalektomie Standard, sofern gesichert ist, dass dies technisch ohne Kapselläsion oder unvollständiger Tumorresektion durchgeführt werden kann. Bei Karzinomverdacht oder auch größeren Tumoren sollte die Indikation zur offenen Operation großzügig gestellt werden (Else et al., 2014; Gaujoux und Mihai, 2017; Stigliano, 2016; Gaujoux et al., 2012).
Phäochromozytom
Der Anteil von Phäochromozytomen als Tumoren adrenalen Ursprungs liegt bei etwa 5% der zufällig entdeckten Nebennierentumoren. Sie entstammen dem Nebennierenmark und produzieren Katecholamine. Oft werden sie zufällig entdeckt, statt mit der klassischen Symptomatik (Bluthochdruck, Kopfschmerzen, Schwitzen, Herzrasen) aufzufallen [Gruber et al., 2019].
Die Diagnostik erfasst im ersten Schritt den biochemischen Nachweis der freien Plasmametanephrine oder alternativ der fraktionierten Metanephrine im 24-Stunden-Sammelurin [Lenders et al. 2014; Gruber et al., 2019].
Erst im zweiten Schritt erfolgt ein Schnittbildverfahren (Computer- oder Magnetresonanztomographie) zur Lokalisationsdiagnostik. Optional kann eine funktionelle nuklearmedizinische Bildgebung sinnvollsein, um eine Metastasierung präoperativ zu erkennen. Hierbei kommt die Fluorodeoxyglucose-Positronenemissionstomographie/Computertomographie (FDG-PET/CT) oder das DOTA-TATE-PET/CT, das etwas sensitiver, aber deutlich spezifischer ist, infrage [Castinetti et al., 2015; Janssen et al., 2015]. In jedem Fall wird ein präoperatives Screening auf das Vorliegen von Metastasen mittels PET/CT empfohlen, wenn der Tumor >5 cm ist, erhöhte Spiegel von 3-Methoxytyramin (3MT) im Plasma vorliegen oder eine Keimbahnmutationen des SDHB-Gens bekannt ist [Fassnacht et al., 2020].
Der Großteil der Phäochromozytome verhält sich „benigne“. Die World Health Organization (WHO) führt Phäochromozytome inzwischen als Teilgruppe der Paragangliome auf, die alle als potenziell maligne gelten. In 10% der Fälle treten Phäochromozytome als bilaterale Nebennierentumoren auf und sind in 30–40% mit genetischen Veränderungen assoziiert [Bausch et al., 2017]. Zu den familiären, syndromalen Formen gehören die multiple endokrine Neoplasie Typ 2 (MEN2), das von-Hippel-Lindau-Syndrom (vHL) und die Neurofibromatose Typ 1. Zudem sind in den letzten Jahren die Keimbahnmutationen der Succinat-Dehydrogenase-Untereinheit B und D (SHDB, SDHD) in den Mittelpunkt der genetischen Diagnostik des Phäochromozytoms gerückt. So wurde festgestellt, dass sich bei Patienten mit multipler endokriner Neoplasie Typ 2 extrem selten maligne Phäochromozytome entwickeln, während bei Patienten mit Keimzellmutation im SDHB-Gen ca. 30% der Phäochromozytome maligne sind.
Selbst bei negativer Familienanamnese, unilateraler Erkrankung oder älteren Patienten, bei denen der Nachweis einer Keimbahnmutation weniger wahrscheinlich ist, wird heutzutage allen Patientinnen und Patienten mit Phäochromozytom eine humangenetische Diagnostik angeboten, um das individuelle Resektionskonzept (radikalonkologisch bei SDHB-Mutation gegenüber nebennierenrindenschonend bei RET-Mutation) festzulegen [Nolting et al., 2022].
Die Beurteilung der Dignität von Phäochromozytomen stellt eine Herausforderung dar, da Phäochromozytome aufgrund histopathologischer oder molekularer Marker nicht eindeutig als gut- oder bösartig eingestuft werden können. Vielmehr zeichnet sich die Malignität durch invasives Wachstum oder durch das Vorhandensein von lokoregionären oder Fernmetastasen aus. Das rückt die Bedeutung einer regelmäßigen Nachsorge im Verlauf sowie die genetische Testung der Patienten in den Vordergrund, da Patienten mit bestimmten Keimbahnmutationen (z.B. SDH-B) ein deutlich erhöhtes Risiko für ein malignes Wachstumsverhalten zeigen [Mete et al., 2022].
Die Nachsorge nach der Operation eines Phäochromozytoms sollte mindestens 10 Jahre betragen. Bei Patienten mit hohem Risiko für ein Rezidiv oder eine Metastasierung (nachgewiesene Mutation, junges Alter oder großer Tumor) wird diese lebenslang empfohlen (Plouin et al., 2016).
Die operative Entfernung des Phäochromozytoms stellt die einzige Möglichkeit einer kurativen Therapie dar. Verbesserungen des perioperativen Managements und der chirurgischen Technik haben die historisch hohen Mortalitätsraten auf 0–2,9% gesenkt [Fragundes 2022].
Die minimal-invasive Entfernung des Nebennierentumors ist Standard, wobei transabdominelle und retroperitoneoskopische laparoskopische Verfahren als gleichwertig anzusehen sind [Zang et al., 2023]. Die Wahl des minimal-invasiven Verfahrens hängt von der Expertise und Erfahrung des Operateurs/der Operateurin ab und sollte in erster Linie daran angepasst werden [Conzo et al., 2016].
Insgesamt bedarf die minimal-invasive Operation von Phäochromzytomen einer hohen chirurgischen Expertise. Eine Kapselverletzung muss auch hier unbedingt vermieden werden. Sonst droht die disseminierte multifokale Aussaat von Phäochromozytomzellen, die sog. Phäochromozytomatose. Vor einigen Jahren wurde postuliert, dass die minimal-invasive Operation ein Grund für eine Phaochromozytomatose sein könnte. Aber auch die primär offene Adrenalektomie beim Phäochromozytom kann die Phäochromozytomatose nicht immer vermeiden [Weber et al., 2020].
Aktuelle Leitlinien wie auch eine Metaanalyse empfehlen daher bei Phäochromozytomen < 6 cm die minimal-invasive Adrenalektomie [Li et al., 2020; Lorenz et al., 2019].
Bei beidseitigen hereditären Phäochromozytomen und Ausschluss einer SDHB-Mutation sollte eine parenchymsparende Resektion unter Erhalt von mindestens einem Drittel einer Nebenniere erfolgen, um eine postoperative Nebenniereninsuffizienz zu vermeiden. Nach Erhalt der Nebennierenrinde im Rahmen einer bilateralen Entfernung von Phäochromozytomen besteht zwar prinzipiell ein erhöhtes Rezidivrisiko, jedoch ist das Risiko einer Metastasierung und die Gesamtsterblichkeit im Vergleich zur vollständigen bilateralen Adrenalektomie vergleichbar. Dagegen überwiegt der Vorteil eines Funktionserhaltes bei Belassen der Nebennierenrinde deutlich [Zawadzka et al., 2023]. Eine aktuelle internationale Leitlinie zu Patientinnen und Patienten mit SDH-B-Mutation rät in dieser Patientengruppe allerdings dringend von einer organerhaltenden Operation ab, da hier das Malignitätsrisiko mit teilweise über 50% doch beträchtlich ist.
Das Dogma der präoperativen α-Blockade wird durch aktuelle Daten zunehmend infrage gestellt und in den letzten Jahren kontrovers diskutiert. Aktuelle internationale [Fassnacht et al., 2016, Lenders et al. 2014] und nationale [Lorenz et al., 2019] Leitlinien empfehlen vor Resektion eines Phäochromozytoms die α-Blockade, um kardiovaskulären Komplikationen vorzubeugen. Eine Metaanalyse aller publizierten Studien sowie eine große Multicenterregisterstudie aus dem Jahr 2020 zeigen jedoch, dass es keine Evidenz für dieses Vorgehen gibt. In der Metaanalyse imponierte weder in Mortalität und Morbidität noch in intraoperativem Durchschnittsblutdruck oder -herzfrequenz zwischen blockierten und nicht blockierten Patienten ein Unterschied [Schimmack et al., 2020].
Hormoninaktive Tumoren
Die Bezeichnung Inzidentalom stellt per se keine Diagnose dar, sondern ist rein deskriptiv. Da hormoninaktive Nebennierennierentumoren meist symptomlos sind, werden sie zufällig durch bildgebende Verfahren entdeckt, die nicht zur Abklärung von potenziellen Nebennierenerkrankungen initiiert worden waren. Sie heißen daher Inzidentalome. Die Prävalenz dieser zufällig entdeckten Nebennierenraumforderungen steigt mit dem Alter an und liegt je nach Studie zwischen 1 und 9% [Petersenn et al., 2015;] (davon in bis zu 15% bilateral [Barzon et al., 1998]).
Alle Inzidentalome >1cm bedürfen immer einer Beurteilung der Dignität und Funktionalität (Hormonproduktion), um eine ätiologische Einordnung treffen zu können. Die Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Endokrinologie empfehlen, die Dignität unmittelbar im Zuge der erstmaligen Entdeckung zu klären, um aufwendige und kostenintensive Folgeuntersuchungen bei Patienten mit benignen Läsionen zu vermeiden [Fassnacht et al., 2016].
Als funktionale Basisdiagnostik wird ein Dexamethasonhemmtest zum Ausschluss eines adrenalen Cushing- Syndroms, die Bestimmung der freien Metanephrine im Plasma (und ggf. im 24-h-Urin) zum Ausschluss eines Phäochromozytoms und bei hypertensiven Patienten die Bestimmung des Aldosteron-/Renin-Quotienten zum Ausschluss eines Conn-Syndroms empfohlen. Ist die Bildgebung verdächtig für ein Nebennierenrindenkarzinom, sollte zusätzlich im Serum DHEA-S, 17- OH-Progesteron und Östradiol (nur bei Männern und postmenopausalen Frauen) bestimmt werden [Fassnacht et al., 2016].
Zur Beurteilung der Dignität von Inzidentalomen eignen sich ein CT und MRT mit dedizierten Nebennieren-Untersuchungsprotokollen, während die 18F-FDG-PET/CT hauptsächlich für den Nachweis von Nebennierenmetastasen bei extraadrenaler Tumoranamnese verwendet wird [Dinnes et al., 2016; Vaidya et al., 2019; Fassnacht et al., 2016].
Als Basisverfahren zur Darstellung von Nebennierentumoren wird die CT mit und ohne Kontrastmittel empfohlen. Sie ermöglicht die Ermittlung der Größe des NN-Tumors und dessen Fetthaltigkeit (Houndsfield-Einheiten, HU), sowie eine Beurteilung möglicher Umgebungsinfiltrationen. Nebennierenadenome zeichnen sich im CT durch einen relativ hohen Fettanteil mit niedrigen Houndsfield- Einheiten aus. Dies bedeutet, dass Raumforderungen der Nebenniere mit < 13 HU mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit benigner Natur sind [Petersenn et al., 2015].
Fettarme Adenome können durch die Quantifizierung des Kontrastmittel-Washouts differenziert werden. Für Adenome sind ein rasches Anfluten und Auswaschen des Kontrastmittels charakteristisch, während die meisten malignen Läsionen zwar ein rasches Anfluten, jedoch ein langsameres Auswaschen des Kontrastmittels zeigen [Fassnacht et al., 2016]. Wichtig ist der Einbezug des diagnostischen Gesamtkontextes in die Beurteilung des ermittelten Washout-Werts, da sonst Fehlklassifizierungen entstehen können [Schloetelburg et al. 2021]).
Hinweise auf Malignität sind neben der Tumorgröße und einer dokumentierten Wachstumstendenz ˃ 13 Houndsfield-Einheiten in der nativen CT, unscharfe Randbegrenzung des Tumors, inhomogene Tumordarstellung und Zeichen der Umgebungsinfiltration [Kapoor et al., 2011; Petersenn et al., 2015; Fassnacht et al., 2016]. Bei Tumoren > 6 cm beträgt die Malignitätsrate 25%, bei Tumoren zwischen 4,1 und 6 cm 6% und bei Tumoren < 4 cm 2% [National Institute of Health (NIH), 2002; Grumbach et al., 2003].
Als Alternativverfahren zur Abklärung von Nebennierentumoren ist die MRT akzeptiert. Hierbei kommt insbesondere die sog. „chemical shift“- Bildgebung zum Nachweis von mikroskopischem Fett zum Einsatz, da benigne Läsionen im MRT typischerweise einen signifikanten Signalabfall zwischen der „In-phase“ und „Opposed-phase“- Darstellung zeigen [Fassnacht et al., 2016; Haider et al., 2004; Shadev, 2017; Faruggia et al., 2017].
Für Tumoren zwischen 4 und 6 cm ohne radiologische Malignitätskriterien kann anhand der aktuellen Datenlage keine eindeutige Empfehlung ausgesprochen werden. Ein individuelles Vorgehen sollte mit dem Patienten besprochen werden (abwartend, beobachtend versus minimal invasive Operation).
Ab einem Durchmesser von > 6 cm (Ausnahme Myelolipom) besteht wegen des Malignitätsrisikos eine Operationsindikation.
Bemerkung: Adrenale Myelolipome sind seltene hormoninaktive gutartige Tumore, die reifes Fettgewebe und hämatopoetisches Gewebe enthalten. Sie treten am häufigsten in der 5.-7. Lebensdekade auf. Meist verursachen sie keine Symptome. Bei großen Tumoren, Nekrose oder spontaner Einblutung können aber Schmerzen auftreten. In diesen Fällen kann eine Resektion erforderlich werden [Patel et al., 2006].
Nebennierenrindenkarzinom
Das Nebennierenrindenkarzinom („adrenocortical carcinoma" [ACC]) ist ein seltener und sehr aggressiver Tumor. Bei Erstdiagnose ist dieser Tumor fast immer >4 cm (nur 1–2% sind < 4 cm) und weist in 50–80% der Fälle eine endokrine Aktivität auf. Eine Cortisolproduktion oder eine Kombination aus Androgen- und Cortisolüberschuss sind hierbei typisch und können wegweisend bei der Diagnose sein [Bancos und Prete, 2021].
Das präoperative Staging sollte zur Beurteilung einer eventuellen Metastasierung neben einer CT oder MRT des Abdomens eine molekulare Bildgebung mittels 18F-FDG(Fluordeoxyglucose)-PET(Positronenemissionstomographie)-CT) enthalten [Gaujoux et al., 2017]. So kann auch die Abgrenzung zum gutartigen Nebennierenadenom, das FDG negativ ist und gleichzeitig ein Ganzkörper-Staging hinsichtlich Metastasen mit Ausnahme des Gehirns erfolgen.
Eine Operation ist immer indiziert werden, wenn keine Fernmetastasierung vorliegt. Sie ist die einzige Chance auf Heilung und sollte frühzeitig als chirurgische R0-Resektion des Primärtumors unter Einhaltung der chirurgisch-onkologischen Prinzipien (keine Verletzung der Tumorkapsel) [Schimmack et al.,2020] durchgeführt werden.
ACCs sollten nur in Zentren mit mehr als 10 Adrenalektomien im Jahr und entsprechender onkologisch viszeralchirurgischer Erfahrung durchgeführt werden (Lombardi et al., 2012; Gratian et al., 2014; Gaujoux et al. 2017).
Goldstandard der chirurgischen Behandlung des ACC ist nach derzeitig geltenden europaischen, deutschen und internationalen Leitlinien unabhängig vom Tumorstadium die offene Adrenalektomie [Fassnacht et al., 2018¸Gaujoux et Mihai 2017; Lorenz et al., 2019; Shah et al., 2021].
Auch Patienten mit frühen Stadien (ENSAT I und II) des Nebennierenrindenkarzinoms haben nach offener Adrenalektomie ein besseres rezidivfreies Überleben [Taffurelli et al, 2017].
Nebennierencarcinome können minimal-invasiv operiert werden, solange keine onkologischen Kompromisse eingegangen und keine Ruptur der Tumorkapsel droht. Die Unversehrtheit der Kapsel während der Resektion ist von solch elementarer Wichtigkeit für die Prognose der Patienten, dass selbst im ENSAT-Stadium I bei Verletzung der Kapsel eine vergleichbar schlechte Prognose droht wie bei Patienten im Stadium III (Fassnacht et al., 2016).
2021 publizierte Daten von Delozier et al. konnten zeigen, dass die Konversion nach minimal- invasiv begonnener Adrenalektomie für Patienten mit ACC mit einem schlechteren Gesamtüberleben verbunden ist.
Die Befürchtung, dass die Peritonealkarzinose bei laparoskopisch operierten Patienten mit einem ACC erhöht ist, konnte in einer Metaanalyse bestätigt werden [Autorino et al., 2016].
Obwohl die Inzidenz von Lymphknotenmetastasen beim Nebennierenrindenkarzinom etwa 20% beträgt, ist der Stellenwert der Lymphadenektomie umstritten und wird eher selten durchgeführt (Gaujoux et al., 2017) (Reibetanz et al., 2012). Bei schlechter Datenlage empfiehlt die CAEK [Chirurgische Arbeitsgemeinschaft Endokrinologie] diese nur bei Verdacht auf positive Lymphknoten [Lorenz et al., 2019]. Andere Autoren beschreiben einen positiven Effekt auf die Gesamtprognose. Beispielsweise zeigt eine aktuelle Metaanalyse von Hendricks et al., 2022, dass Patienten mit einem ENSAT Stadium I–III von einer Lymphadenektomie profitieren und ein verbessertes krankheitsspezifisches Überleben haben. Mindestens für die Fälle mit nachgewiesener Lymphknotenvergrößerung in der präoperativen Bildgebung und lokal fortgeschrittenen Tumoren (T3 und T4) plädieren die meisten Autoren für die Lymphadenektomie als festem Bestandteil der chirurgischen Therapie. Es liegt aber keine Definition zur Ausdehnung der erforderlichen Lymphadenektomie vor.
Eine molekulargenetische Analyse auf TP53(Tumor-Protein 53)- oder MMR [Missmatch-repair-Protein]-Mutationen sollte bei auffälliger Familienanamnese, speziell aber bei jungem Alter durchgeführt werden.
Die Einschätzung des Rezidivrisikos wird unter anderem mithilfe des Ki-67-Index durchgeführt (hohes Risiko bei Ki-67 > 10%).
Trotz nicht vollständig konklusiven Daten wird bei Patienten mit einem hohen individuellen Lokalrezidivrisiko (RX, R1, Ki-67-Index >10%) eine adjuvante Mitotane-Therapie empfohlen. Patienten, die ein niedriges individuelles Lokalrezidivrisiko haben (ENSAT I und II, R0-Resektion, Ki67- Index < 10%) sollten keine adjuvante Mitotane-Therapie erhalten (Berutti et al., 2012; Gaujoux et al., 2017; Terzolo et al., 2007; Berruti et al., 2010).
Nebennierenmetastasen
Unter den Raumforderungen der Nebennieren sind Metastasen nach den benignen nicht-funktionellen Adenomen am zweithäufigsten (Uberoi et al., 2009).
Primärtumoren mit Metastasen der Nebennieren von nichtkleinzelligen Lungenkarzinomen (NSCLC) und Mammakarzinomen sind am häufigsten, aber auch Melanome, hepatozelluläre und Nierenzell-Karzinome gehen häufig mit Nebennieren -Metastasen einher (Sancho et al., 2012).
Die Indikation zur Resektion von Nebennieren-Metastasen sollte immer in einem interdisziplinären Tumorboard gefällt werden und nur in ausgewählten Fällen, wenn ein positiver Effekt auf das Gesamtüberleben erwartet werden kann.
Patienten profitieren von einer Metastasenentfernung, wenn die extraadrenale Tumorerkrankung erfolgreich behandelt bzw. kontrolliert ist, es sich um eine isolierte Nebennierenmetastase handelt, Bildgebung und/oder perkutane Biopsie die adrenale Metastasierung beweisen bzw. wenig Zweifel an dieser lassen [Lo et al., 1996; Muth et al., 2010], das krankheitsfreie Intervall länger als 6 Monate beträgt [Muth et al., 2010; Pfannenschmidt et al., 2005], der Allgemeinzustand des Patienten eine Resektion rechtfertigt und die Histologie des Primärtumors einem Adenokarzinom entspricht (Sancho et al. 2012). Bei inoperablen Patienten kann die Radiofrequenzablation als Alternative erwogen werden [Carafiello et al., 2008; Wood et al., 2003].
Bei Metastasenverdacht sollte die Standarddiagnostik (CT/MRT des Abdomens) durch ein FDG-PET/CT ergänzt werden, um den gesamten Körper bezüglich weiterer Metastasen zu untersuchen. Bei Unsicherheit kann ausnahmeweise eine Punktion der Nebennierenraumforderung erfolgen, wenn ein Phäochromozytom und ein Nebennierenkarzinom bereits ausgeschlossen wurden. Im Falle eines negativen Ergebnisses schließt das Vorhandensein von NN-Gewebe in der Probe eine NN-Metastase weitgehend aus.
Die Operation muss gewährleisten, dass der Tumor in toto und ohne Verletzung seiner Kapsel entfernt wird (Glenn et al., 2016). Das kann sowohl minimal-invasiv laparoskopisch, retroperitoneoskopisch oder über einen offenen Zugang konventionell erfolgen. Mehrere Studien haben gezeigt, dass das minimal-invasive Vorgehen dem offenen Vorgehen nicht unterlegen ist (Bradley et Strong, 2014). Außerdem konnte gezeigt werden, dass die Vorteile des minimal-invasiven Vorgehens (weniger Blutverlust, kürzerer Krankenhaus-Aufenthalt) auch für diese Indikation vorliegen und sogenannte port-site-Metastasen nicht auftreten (Saraiva et al. 2003; Strong et al., 2007; Weyhe et al., 2007; Arenas et al., 2014). Ein offenes Vorgehen sollte demzufolge den wenigen Fällen vorbehalten bleiben, bei denen es Hinweise für eine lokale Infiltration gibt oder wenn der Tumor eine gewisse Größe (>10 cm) überschreitet.