Perioperatives Management - Rektumresektion offen, tief anterior mit totaler mesorektale Exzision (TME)

  1. Indikationen

    Dieses Operationsverfahren wird eingesetzt bei Rektumkarzinomen, die bei der Höhenlokalisation mittels starrer Rektoskopie mit einem Sicherheitsabstand von 1 – 2 cm zur Linea dentata gemessen vom Tumorunterrand aus reseziert werden können.

    Für Rektumkarzinome, bei denen dieser Sicherheitsabstand nicht eingehalten werden kann oder zusätzlich der Sphinkter infiltriert ist, ist die abdominoperineale Rektumexstirpation indiziert. Für Frühkarzinome (klinische Kategorie T1, N0, G1 oder G2) kann alternativ zur anterioren Rektumresektion leitlinienkonform eine lokale Exzision erfolgen.

    In Abhängigkeit von der Anastomosenhöhe oberhalb des Sphinkters kann die Rekonstruktion nach anteriorer bzw. tiefer anteriorer Rektumresektion als kolorektale, koloanale oder kolo-pouch-anale Anastomose durchgeführt werden.

    Durch die Etablierung der totalen mesorektalen Exzision (TME) als Goldstandard bei Tumoren des mittleren und unteren Drittels konnte die Lokalrezidivrate unter 10% reduziert werden.

    Im gezeigten Beispiel handelt es sich um ein Karzinom des mittleren Rektumdrittels (uT3,uN1). Deshalb erfolgte leitliniengerecht die neoadjuvante Radiochemotherapie. Nach dem Re-Staging, das ohne Anhalt für eine Fernmetastasierung blieb,  wurde die Indikation zur onkologischen Tumorresektion gestellt.

    Neoadjuvante Strahlentherapie

    Die neoadjuvante Strahlentherapie kann mit und ohne Chemotherapie verabreicht werden und wird laut S3-Leitlinien für das Rektumcarcinom in den UICC- Stadien II (pT3-4 pN0) und III (pT1-4 pN+) empfohlen. 

    Die neoadjuvante Radiochemotherapie (RCT) dauert etwa 6 Wochen, gefolgt von einer Therapiepause von 6-8 Wochen bis zur Operation. 

    Die neoadjuvante Kurzzeitbestrahlung (RT) wird an 5 aufeinander folgenden Tagen verabreicht. Hier erfolgt die Operation nach 2-7 Tagen. Da ein Downsizing des Tumors nicht zu erwarten ist, wird bei Tumoren die die Hüllfaszien erreichen oder sphinkternah liegen, die RCT bevorzugt.

    27% der Patienten zeigen durch die RCT eine histologische Komplettremission. Diese Patienten haben eine besonders gute onkologische Prognose. Da die Response-Beurteilung schwierig ist und eine DRE (digital rectal examination), eine Endoskopie und ein MRT zum Nachweis gefordert werden, kann eine „watch-and-wait“-Strategie nur bei Tumoren bis 7cm ab ano angewandt werden und das möglichst in Studien.

  2. Kontraindikationen

    • schwere Komorbidität

    Eingeschränkte Operabilität z.B. durch schwere Lungenerkrankung, Herzinsuffizienz, Leberzirrhose, etc.; ob diese Komorbidität eine Kontraindikation zur Operation darstellt, ist individuell zu prüfen.

    • Schwere, vorbestehende anale Inkontinenz.

    Sofern bereits in der Vorgeschichte vor der Entstehung des Rektumkarzinoms eine gravierende anale Inkontinenz bestand, ist in Abstimmung mit dem Patienten zu überlegen, ob nicht eine Operation nach Hartmann mit tiefem Hartmannstumpf oder eine abdominoperineale Rektumexstirpation mit endständiger Descendostomaanlage das sinnvollere OP-Verfahren darstellt. Zu beachten ist, dass ein gut versorgbares Stoma eine bessere Lebensqualität bietet als eine schwere anale Inkontinenz ohne Stoma.

    • Sphinkterinfiltration bzw. unzureichender Sicherheitsabstand zwischen Tumorunterrand und distalem Resektionsrand

    Hier ist eine abdominoperineale Rektumexstirpation durchzuführen. Gleiches gilt für die Situation, dass trotz Absetzen auf Höhe der Linea dentata im Präparat makroskopisch oder mikroskopisch (Schnellschnitt) eine Infiltration mit Tumorzellen vorliegt. Auch in diesem Fall ist auf eine abdominoperineale Rektumexstirpation umzusteigen, um onkologisch hinreichende Radikalität sicherzustellen.

  3. Präoperative Diagnostik

    Klinische Untersuchung, incl. rektal-digitale Untersuchung. Diese ermöglicht bereits eine Einschätzung des Abstands des Tumors zur Anokutanlinie und lässt eine Verschieblichkeit des Tumors zur Umgebung beurteilen. 

    Rektoskopie: Nur die starre Rektoskopie ermöglicht die exakte Tumorlokalisation idealerweise gemessen vom Abstand des Tumors zur Linea dentata oder des Abstandes des Tumors ab ano.

    Biopsie: Die präoperativ histologische Sicherung der Tumordiagnose ist obligat. Mehrere Biopsien sollten entnommen werden, da häufig Karzinome aus Adenomen hervorgehen.

    Vollständige Koloskopie: Die vollständige Koloskopie ist erforderlich, um zusätzliche Adenome zu diagnostizieren und abzutragen bzw. ein Zweitkarzinom auszuschließen. Sofern aufgrund einer Stenose der Tumor nicht passierbar ist, kann alternativ ein Kolonkontrasteinlauf, eine intraoperative Koloskopie oder eine virtuelle Koloskopie durchgeführt werden.

    Sonographie des Abdomens: Die Sonographie der Leber erfolgt zum Ausschluss einer Lebermetastasierung. Alternativ kann diese Untersuchung ersetzt werden durch eine Computertomographie des Abdomens oder eine Magnet-Resonanz-Tomographie.

    Computertomographie des Beckens: Die CT hat für das lokale Staging keine Aussagekraft. Ihr Wert liegt im Nachweis von Fernmetastasen.

    Positronenemissionstomogramm (PET): Dieses Verfahren wird üblicherweise bei der Primärdiagnostik des Rektumkarzinoms nicht eingesetzt, ist jedoch sehr geeignet zur Differenzierung lokoregionärer Rezidive von Narben bzw. entzündlichen Veränderungen.

    Entscheidungskriterium CRM=zirkumferenzieller Resektionsrand

    In den letzten Jahren hat sich der zirkumferenzielle Resektionsrand (CRM) als wichtigster prognostischer Parameter etabliert. Patienten mit großer Nähe der Hüllfaszie zum Tumor haben eine höhere Lokalrezidivrate und ein schlechteres Überleben.

    Um geeignete Patienten zur neoadjuvanten RT oder RCT auszuwählen, bedarf es folgender diagnostisch auszuarbeitender Kriterien:

    • Tumorhöhe
    • Transmurale Infiltrationstiefe (T-Stadium)
    • Vorhandensein mesorektaler tumorbefallener Lymphknoten (N-Stadium)
    • Abstand des Tumors oder tumorsuspekter LK zur meosrektalen Faszie (CRM). CRM („circumferential resection margin“) ist der Abstand der Tumorausläufer von der mesorektalen Hüllfaszie, der mittels MRT sehr akkurat vorhergesagt werden kann.

    Endosonographie: Die Endosonographie ermöglicht mit relativ hoher Sensitivität und Spezifität die klinische T-Kategorie festzulegen, anhand derer u.a. entschieden werden muss, ob eine neoadjuvante Therapie durchgeführt wird. Des Weiteren ermöglicht die Endosonographie bei einem Teil der Patienten aufgrund ihrer Größe verdächtige Lymphknoten zu diagnostizieren. Insgesamt ist sie außer bei T1-Tumoren der MRT unterlegen.

    Magnet-Resonanz-Tomographie: Die Magnet-Resonanz-Tomographie ermöglicht in noch klarerer Weise als die Endosonographie die Abgrenzung eines Tumors, der in das Mesorektum infiltriert, von der Grenzlamelle und erlaubt es, den Abstand zu dieser Struktur sehr präzise festzustellen. Die Vorhersage des Befalls des Resektionsrandes ist der entscheidende prognostische Faktor und das MRT hiermit das wichtigste diagnostische Tool. Sie hat das Potential Patienten im Stadium T3 zu selektieren, bei denen aufgrund eines sicher voraussagbaren negativen CRM auf eine RCT verzichtet werden kann. Entsprechende Studien laufen. Die präoperative LK Diagnostik ist bei allen Schnittbildverfahren sehr ungenau.

  4. Spezielle Vorbereitung

    • Schriftliche Aufklärung des Patienten
    • Klärung der Operabilität, ggf. Hinzuziehung von anderen Fachabteilungen zur konsiliarischen Beurteilung der Operabilität.
    • Anästhesiologische Vorstellung
    • Aufklärungsgespräch hinsichtlich Stomaversorgung und Anzeichnen einer Stomadurchtrittsstelle
    • Aufgrund der deutlich erhöhten Insuffizienzrate bei TME sollte in jedem Fall ein protektives Stoma angelegt werden. Da die Protektion durch die Stuhldeviation geschieht, muss das Kolon gespült sein, da sonst der Inhalt des gesamten Kolonrahmens bei Auftreten einer Insuffizienz sich immer noch in die Bauchhöhle entleeren kann. Die derzeitige Datenlage spricht für eine antegrade Darmspülung mit Zugabe von topischen Antibiotika.
    • Rasur des Operationsgebietes
    • Bereitstellung von Blutkonserven
  5. Aufklärung

    • Anastomoseninsuffizienz
    • Wundinfektion/intraabdomineller Abszess/Infektion
    • Nachblutung
    • Thrombose/Embolie
    • Verletzung von intraabdominellen Strukturen, insbesondere Harnleiter, Milz
    • Störung der Harnblase und Sexualfunktion
    • Einschränkung der postoperativen Stuhlkontinenz
    • ggf. Diskussion und Dokumentation einer möglichen Erweiterung der Operation je nach Befund (z.B. hin zur abdominoperinealen Rektumexstirpation bei sehr tief sitzendem Karzinom)
  6. Anästhesie

  7. Lagerung

    Lagerung

    Die Lagerung erfolgt in flacher Steinschnittlage. Bei der Lagerung in den Beinschalen ist sorgfältig darauf zu achten, dass der N. peroneus am Fibulaköpfchen abgepolstert ist und dieses möglichst frei liegt. Beide Arme werden angelagert. Um ein Abrutschen des Patienten bei extremer Lagerung zu verhindern, sollte eine Unterlage gewählt werden, die einen festen Halt bietet und ggf. Schulterstützen angebracht werden.

  8. OP-Setup

    OP-Setup

    Der Operateur steht auf der rechten Seite, der 1. Assistent gegenüber. Der 2. Assistent steht im Wechsel zwischen den Beinen und auch auf der linken Seite. Die instrumentierende OP-Pflegekraft steht auf der linken Seite, der Instrumentiertisch über dem linken Bein.

  9. Spezielle Instrumentarien und Haltesysteme

    Für die Laparotomie wird in der Regel ein Haltesystem verwendet. Im eigenen Vorgehen ist dies ein Rochard Haken und ein Mercedes Sperrer. Alternativ können andere Haltesysteme wie z.B. ein Omni-Tract® System eingesetzt werden.

    • Klammernahtgerät mit gebogenem Instrumentenkopf vorteilhaft
    • transluminales, zirkuläres Klammernahtgerät
    • Tabaksbeutelnaht (0-0, monofil, nicht resorbierbar)
    • linearer Klammernahtgerät (GIA)
    • Silikon-Drainage mit Annaht und Ablaufbeutel
  10. Postoperative Behandlung

    postoperative Analgesie: Die postoperative Behandlung beinhaltet insbesondere eine konsequente Schmerztherapie, die meist mittels Periduralkatheter gewährleistet wird bzw. über periphere Analgetika, bzw. über systemische Analgetikagabe (Opiate, nicht steroidale Antiphlogistika) gewährleistet werden muss.
    Folgen Sie hier dem Link zu PROSPECT (Procedures Specific Postoperative Pain Management).
    Folgen Sie hier dem Link zur aktuellen Leitlinie Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen.

    medizinische Nachbehandlung: Schwerpunkte der postoperativen Behandlung sind in den ersten 1–2 Tagen nach der Operation das Erkennen von Komplikationen wie Nachblutung, respiratorische Insuffizienz, kardiale Dekompensation, etc. Im weiteren Verlauf der Behandlung besteht ab dem 3. und 4. postoperativen Tag die Überwachung und das Management von möglichen Infektionen und deren Erkennung im Vordergrund (z.B. Harnwegsinfekt, Pneumonie, Wundinfekt, Anastomoseninsuffizienz). Sobald der Patient dazu in der Lage ist, sollte die Stomaversorgung eingeleitet und geübt werden, um eine zügige Entlassung sicher zu stellen (sofern Stoma angelegt wurde).

    Thromoboseprophylaxe: bei fehlenden Kontraindikationen sollte aufgrund des hohen Thrombembolierisikos (großer operativer abdomineller Eingriff bei Malignom) neben physikalischen Maßnahmen niedermolekulares Heparin in prophylaktischer ggf. in gewichts – oder dispositionsrisikoadaptierter Dosierung bis zum Erreichen der vollen Mobilisation verabreicht werden. Diskutiert wird die Fortsetzung der medikamentösen Thromboembolieprophylaxe für z.B. 6 Wochen.
    Zu beachten: Nierenfunktion, HIT II (Anamnese, Thrombozytenkontrolle)
    Folgen Sie hier dem Link zur aktuellen Leitlinie Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE).

    Mobilisation: Es ist eine zügige Mobilisation ans Waschbecken und auf den Gang, je nach Zustand, anzustreben.

    Krankengymnastik: Neben Atemgymnastik erfolgt die regelmäßige Mobilisation des Patienten je nach Zustand und Kräfteverhältnissen an die Bettkante bzw. in den Sessel.

    Kostaufbau: Der Kostaufbau kann im Rahmen der Fast-Track Konzepte ab dem 1. postoperativen Tag vorgenommen werden, inbesondere bei Vorliegen eines Ileostomas.

    Stuhlregulierung: Die Stuhlregulierung sollte, sofern sie nicht spontan in Gang kommt, mittels Prokinetika stimuliert werden (z.B. Prostigmin s.c. oder i.v.).

    Arbeitsunfähigkeit: Je nach Rekonvaleszenz muss mit einer Arbeitsunfähigkeit von im Regelfall mindestens 4-6 Wochen nach der Operation gerechnet werden.