Evidenz - Resektionsrektopexie, laparoskopisch

  1. Zusammenfassung der Literatur

    Über die exakte Pathogenese und Ätiologie des Rektumprolaps herrscht immer noch Unklarheit: Handelt es sich um eine Gleithernie, eine Intussuszeption oder um die Kombination beider Mechanismen? In unterschiedlicher Ausprägung werden bei dem Krankheitsbild die folgenden anatomisch-funktionellen Veränderungen gefunden:

    • ein abnorm tiefer Douglasraum (3, 13, 19)
    • eine Diastase der Levatormuskulatur
    • eine funktionelle Schwäche des inneren und äußeren analen Sphinkters (3, 13)
    • eine schwache Beckenbodenmuskulatur
    • eine pudendale Neuropathie (13, 19)
    • ein mobiles Mesorektum mit insuffizienter dorsaler und lateraler Fixierung des Rektums (13, 19, 29)
    • ein elongiertes, redundantes Sigma (13,19,29).

    Welche der Veränderungen einen Rektumprolaps begünstigen und welche Sekundärfolgen sind, ist letztlich unklar und lässt sich im Rahmen der Diagnostik kaum klären.

    Behandlungsziele sind die Beseitigung des Prolapses und die Wiederherstellung des Defäkations- und Kontinenzverhaltens. An Therapieoptionen stehen zur Verfügung (13, 19, 29):

    • Fixation des Rektums am Sakrum
    • Resektion oder Plikation des redundanten Darms.

    Unterschieden werden dabei die transabdominellen und lokalen Verfahren.

  2. Transabdominelle Verfahren (Laparotomie, Laparoskopie)

    2.1 Rektopexie

    Das Rektum wird an der präsakralen Faszie refixiert und dadurch die insuffiziente Aufhängung am Sakrum beseitigt. Durch die Streckung des Rektums kommt es zu einer Entlastung des Beckenbodens, was eine Regeneration der Beckenbodenmuskulatur begünstigen soll. Folgende Pexie-Varianten werden unterschieden:

    2.1.1 Nahtrektopexie

    Bei dem erstmals von Sudeck (24) durchgeführten Verfahren wird das Rektum bis zum Beckenboden mobilisiert und durch einzelne Nähte am Promontorium angeheftet. Durch eine mobilisationsbedingte präsakrale Fibrose soll die Fixation zusätzlich stabilisiert werden. Es werden Rezidivraten von bis zu 10 % beschrieben, Angaben zu postoperativen Funktionsstörungen variieren erheblich (16).

    2.1.2 Rektopexie mit Fremdmaterial

    Fremdmaterial soll zu einer großflächigeren präsakralen Fixierung des mobilisierten und gestreckten Rektums führen. Je nach Position des Materials werden unterschieden: anteriore Schlingenrektopexie nach Ripstein (22), laterale Fixierung nach Orr-Loygue und posteriore Netzrektopexie nach Wells (26). Eine weitere Variante ist die ventrale Rektopexie, bei der unter der Annahme, dass die Mobilisation des Rektums zu postoperativen Entleerungsstörungen führt (18, 23), das Rektum lediglich im Spatium rektovaginale mobilisiert und über ein ventral am Rektum fixiertes Netz am Promontorium angeheftet wird (6).

    Die genannten Verfahren haben Rezidivraten von bis zu 12 %, das Wells-Verfahren führt bei fast allen Patienten zur Obstipationsneigung. Die Art des Fremdmaterials hat keinen Einfluss auf die Rezidivraten (5, 20, 28), bezüglich der Infektraten ist Marlex überlegen (12,14). Die Verwendung von Fremdmaterial hat jedoch eigene Risiken: Fistelbildungen, Stenosen und Erosionen (10). Studien lassen den Schluss zu, das Kontinenz- und Obstipationsprobleme vermutlich durch eine alleinige Nahtrektopexie eher zu beheben sind als durch Rektopexien mit Fremdmaterial (8).

    2.1.3 Resektionsrektopexie (Frykman-Goldberg)

    Das von Frykman (9) beschriebene Verfahren kombiniert Rektopexie und Sigmaresektion und hat folgende Ziele:

    • Entfernung des redundanten Sigmas, das entweder einen nach kaudal gerichteten Druck ausübt oder gegen das Rektum abknicken kann und dadurch obstruktiv wirkt
    • stabilere Fixierung des gestreckten Rektums
    • Ausbildung einer im Bereich der Deszendorektostomie gelegenen narbig-fibrösen Fixierung des Rektums
    • Besserung einer vorbestehenden Obstipation

    Das Kombinationsverfahren hat ein geringes Rezidivrisiko, die Kontinenzverbesserung ist der einer Pexie ohne Resektion vergleichbar, das Risiko einer postoperativen Obstipationsneigung ist jedoch deutlich geringer und beruht augenscheinlich auf der Resektion (15).

    Operationstechnische Aspekte abdomineller Verfahren
    Der Zugangsweg – offen oder laparoskopisch – hat keinen Einfluss auf Rezidivrate und funktionelle Ergebnisse (4, 12). Vorteile des MIC-Verfahrens sind die geringeren postoperativen Schmerzen, die schnellere Rekonvaleszenz und die kürzere stationäre Verweildauer.

    Bei der Mobilisation des Rektums scheint die unvollständige Durchtrennung der lateralen Aufhängung die Rezidivrate zu erhöhen, andererseits sind die funktionellen Ergebnisse günstiger (16, 18, 23).

  3. Lokale Verfahren (perineal, transanal)

    Vorteil der lokalen Verfahren war ursprünglich die Vermeidung einer Laparotomie, was sich in Anbetracht der heutzutage zur Verfügung stehenden MIC-Techniken relativiert hat. Während Umschlingungsverfahren des Anus mit subkutan eingebrachtem Fremdmaterial oder Muskel aufgrund erheblicher Komplikations- und Rezidivraten mittlerweile obsolet sind, kommen bei Patienten mit Kontraindikationen für invasive Verfahren (21) folgende lokale Maßnahmen in Betracht:

    3.1 Vorgehen nach Rehn-Delorme

    Bei dem von Rehn (7) beschriebenen und von Delorme modifizierten Verfahren wird die Mukosa transanal vom Sphinkter und der Muscularis propria getrennt und letztere im Bereich des prolabierten Rektums gerafft, wodurch es zu einer Verkürzung des Muskularisschlauchs kommt. Nach Resektion der nun überschüssigen Mukosa wird diese readaptiert. Der Eingriff kann in Analgosedierung durchgeführt werden, ist jedoch bei einem ausgeprägten Prolaps nicht geeignet. Studien belegen zwar eine Kontinenzverbesserung, aber auch eine relativ hohe Rezidivrate.

    3.2 Perineale Rektosigmoidektomie (Altemeier)

    Beim Altemeier-Verfahren (1) erfolgt die transanale Resektion von Rektum und Anteilen des Sigmas mit anschließender Wiederherstellung der Kontinuität in Höhe der Linea dentata vergleichbar mit der Anlage eines Colonpouchs (30). Die Kombination mit einer Levatorplastik ist möglich (27). Während die Rezidivrate im Vergleich zum Rehn-Delorme-Verfahren geringer ausfällt, sind die funktionellen Ergebnisse hinsichtlich Inkontinenz und Stuhlschmieren ungünstiger.

    Verfahrenswahl

    Aufgrund der inhomogenen Datenlage können derzeit keine evidenzbasierten Empfehlungen hinsichtlich der Verfahrensauswahl zur Behandlung des Rektumprolapses gegeben werden (2). Eine eindeutig überlegene Methode zur Behandlung des Rektumprolapses gibt es nicht, vielmehr hat jedes operative Verfahren seine eigenen Vor- und Nachteile:

    • transabdominelle Verfahren zeichnen sich durch eine geringere Rezidivrate aus
    • die Effizienz der reinen Nahtrektopexie ist vergleichbar mit den Pexie-Verfahren, bei denen Fremdmaterial verwendet wird
    • die Verwendung von Fremdmaterial birgt eigene Risiken
    • Resektionsrektopexien scheinen vorteilhaft bei vorbestehender Obstipation, vor allem bei einem Sigma elongatum
    • der laparoskopische Zugang hat keine Nachteile; vorteilhaft sind u.a. der geringere postoperative Schmerz und die schnellere Rekonvaleszenz
    • bei den lokalen Techniken ist die operative Belastung zwar geringer, die funktionellen Ergebnisse jedoch schlechter

    Entscheidend für die Verfahrenswahl sind somit die Belastbarkeit des Patienten, die Größe des Prolapses sowie anamnestische Angaben zu Funktionsstörungen.

    Abdomineller Zugang nicht möglich (multimorbider Hochrisikopatient)
    > kleiner Prolaps: Rehn-Delorme
    > großer Prolaps: Altemeier
    > bei Inkontinenz: zusätzlich Levatorplastik

    Abdomineller Zugang ist möglich: Rektopexie, möglichst laparoskopisch
    > Nahtrektopexie
    > Netzrektopexie
    > bei vorbestehender Inkontinenz: keine Resektion
    > bei vorbestehender Obstipation mit redundantem Sigma: Resektion

  4. Aktuell laufende Studien zu diesem Thema

Literatur zu diesem Thema

1. Altemeier WA, Giuseffi J, Hoxworth P (1952) Treatment of extensive prolapse of the rectum in age

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