Perioperatives Management - Lateraler alloplastischer Tibialis-anterior-Bypass links nach Stockmann bei AVK Stadium IV

  1. Indikationen

    Im Vergleich zu Verschlussprozessen der A. femoralis superficialis und proximaler gelegenen Arteriensegmenten führen Verschlüsse der kruropedalen Arterien aufgrund ihrer eingeschränkten Kollateralisationsmöglichkeiten häufig primär zu einer kritischen Extremitätenischämie. Davon besonders betroffen sind Diabetiker.

    Endovaskuläre Therapieoptionen von infragenualen Verschlussprozessen sollten der Operation vorgezogen werden, sofern die zu erwartenden kurz- und langfristigen Ergebnisse vergleichbar sind. Dennoch gibt es auch heutzutage in ausgewählten Fällen eine primäre Indikation für die primäre Anwendung der pedalen und peripheren kruralen Bypasschirurgie:

    • ausgedehnte Gewebsläsionen am Fuß (primäre Bypassanlage bietet stärkere Gewebedurchblutung im Vgl. zur endovaskulären Therapie → „straight to the foot“)
    • komplexe, langstreckige Verschlussprozesse
    • Versagen der endovaskulären Behandlung

    Weitere Voraussetzungen sind:

    • vertretbares Operationsrisiko
    • angemessene Lebenserwartung
    • anschlussfähiges peripheres Gefäß

    Im Optimalfall erfolgt der Revaskularisation mittels autologem Bypassmaterial (z. B. V. saphena magna).

    Filmbeispiel

    PM 324-1
    Zum Vergrößern bitte anklicken
    • subtotale Stenosen der A. femoralis superficialis links
    • Verschluss der A. poplitea Abschnitt I – III
    • Teilverschlüsse aller Unterschenkelarterien
    • Verschluss des primären und sekundären Fußbogens

    Z.n. femoro-poplitealem Venenbypass rechts, autologe V. saphena magna verbraucht, links zu kaliberschwach → alloplastischer Bypass.

  2. Kontraindikationen

    • zu hohes OP-Risiko, z. B. ASA IV
    • Infekt im Bereich der geplanten Zugänge
    • Z.n. Radiatio der Leiste (dann extraanatomische Verfahren erforderlich)
    • bestehende Funktionslosigkeit der Extremität (Gelenkkontrakturen, Bettlägerigkeit)
  3. Präoperative Diagnostik

    Anamnese

    • Claudicatio
    • Gehstrecke
    • Risikofaktoren → Nikotin, arterielle Hypertonie,  KHK, Herzinsuffizienz, Diabetes mellitus, Hyperlipidämie, manifeste Niereninsuffizienz mit/ohne Dialysepflichtigkeit, Koagulopathien

    Inspektion

    • Hautveränderungen
    • muskuläre Auffälligkeiten
    • orthopädische Fehlstellungen
    • Hautfarbe
    • Behaarung
    • trophische Veränderungen
    • Schwellung, Ödeme, Mykosen, Phlegmonen, Ulcera cruris etc.    

    seitenvergleichende Palpation

    • Pulsstatus
    • Hauttemperatur

    seitenvergleichende Auskultation der Extremitätenarterien

    Palpation-Auskultation
    Palpation-Auskultation

    Knöchel-Arm-Index (ABI)

    • ABI = RR syst. A. tibialis posterior/RR syst. A. brachialis

    ABI-Wert

    Schweregrad der AVK

    > 1,3

    falsch hohe Werte (Verdacht auf Mönckeberg-Mediasklerose, z. B. bei Diabetes mellitus)

    > 0,9

    Normalbefund

    0,75 - 0,9

    leichte PAVK

    0,5 - 0,75

    mittelschwere PAVK

    < 0,5

    schwere PAVK

    • Ein ABI - Wert von < 0,9 gilt als beweisend für das Vorliegen einer relevanten AVK.
    • Die Bestimmung des Knöchel-Arm-Index (ABI) mittels nicht-invasiver Messung des Dopplerverschlussdrucks ist ein geeigneter Test zum Nachweis der AVK.
    • Für die Diagnose einer AVK ist der ABI-Wert mit dem niedrigsten Knöchelarteriendruck maßgeblich.
    • Ein pathologischer Knöchel-Arm-Index ist ein unabhängiger Risiko-Indikator für eine erhöhte kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität.

    farbcodierte Duplexsonographie

    • Carotis, Aorta abdominalis, Extremitätenarterien
    • Lokalisation von Stenosen und Verschlüssen in nahezu allen Gefäßregionen außer im thorakalen Bereich
    • Quantifizierung des Stenosegrades und Beurteilung der Plaquemorphologie möglich
    • Sensitivität und Spezifität ca. 90 %   
    • als Screeningverfahren gut geeignet
    • Venen-Mapping zur Identifizierung des geeigneten Bypassmaterials (entfällt im Filmbeispiel) bevorzugt V. saphena magna; alternativ V. saphena parva, oberflächliche Armvenen (V. cephalica, V. basilica)
      • verfügbare Länge, Durchmesser, Offenheit
      • Durchmesser möglichst mehr als 3 mm ohne variköse Veränderung

    CT-Angiographie

    • Mehrzeilen-Computertomographie (MS-CT) unter Anwendung von nichtionischem Kontrastmittel
    • breites Indikationsspektrum: traumatische Gefäßläsion (bes. Körperstamm), vaskuläre Dissektion/Ruptur, Aneurysma, arterielle Thrombose/Embolie, Pfortader-/Mesenterialvenenthrombose, Lungenarterienembolie, AVK, vaskuläre Tumoren
    • Vorteile: schnell erledigt, Erfassung relevanter Begleiterkrankungen, Darstellung peripherer Arterien, Sensitivität und Spezifität je ca. 90 %
    • Nachteile: Strahlen- und Kontrastmittelbelastung, Allergien (ca. 3 %), keine funktionelle Beurteilung

    kardialer Check

    • Ruhe-EKG
    • Belastungs-EKG
    • Herzecho

    Röntgenuntersuchung Thorax

    ggf. Spirometrie

    Labor

    • BB
    • Elektrolyte
    • Gerinnung
    • Retentionswerte
    • Leberenzyme
    • Blutfette
    • Blutgruppe
    • bei AVK Stad. IV → Wundabstrich/Antibiogramm
  4. Spezielle Vorbereitung

    • Seite markieren, Rasur (Unterbauch, Leiste, Bein)
    • Nüchternheit 6 Stunden
    • Watteschuh zwecks Vermeidung lagerungsbedingter Druckschäden
    • Aggregationshemmer belassen; bei dualer Therapie individuelle Entscheidung je nach kardialem Risiko-Profil
    • Blutkonserven bereitstellen
    • Antibiose nach Antibiogramm (s. Diagnostik) für 5 Tage postoperativ je nach Lokalbefund
  5. Aufklärung

    Allgemeine Operationsrisiken

    • Schwere Blutungen, Bluttransfusionen, Übertragung Hepatitis/HIV durch Fremdblutkonserven
    • Allergie/Unverträglichkeit
    • Wundinfektion
    • Thrombose/Embolie
    • Haut-, Gefäß-, Nervenschädigung z. B. durch Lagerung
    • Keloide

    Spezifische Eingriffsrisiken

    • Bypass-Verschluss und ggf. angrenzender Gefäßabschnitt durch Thrombose; operative Revision, (Teil-)Amputation
    • massive Infektionen mit schweren Blutungen aus Nahtstellen des Bypasses; Bypassentfernung, (Teil-)Amputation, Sepsis
    • Verletzung von sensiblen und motorischen Nerven; Missempfindungen, Schmerzen, temporäre oder auch persistierende (Teil-)Parese der Oberschenkelmuskulatur
    • Schädigung von Lymphgefäßen;  temporäres oder persistierendes Lymphödem, Lymphfistel
    • hartnäckiges Reperfusionsödem; Kompartment-Syndrom; ggf. operative Druckentlastung/Fasziotomie, persistierende Parese, Extremitätenverlust
    • Nierenfunktionsstörung mit temporärer oder dauerhafter Dialyse durch Tourniquet-Syndrom und intraoperative Angiographie (Kontrastmittel)
    • Nahtstellen-Aneurysma; operative Intervention je nach Größe/Klinik
  6. Anästhesie

    • ITN
    • Spinalanästhesie (Achtung: Pat. bemerkt evtl. nicht die neu aufgetretene Ischämie bei postoperativem Frühverschluss der Rekonstruktion!)
  7. Lagerung

    Lagerung
    • Rückenlagerung
    • Arm auf der OP-Seite angelagert, kontralateral ausgelagert
  8. OP-Setup

    OP-Setup

    Der Operateur steht auf der zu operierenden Seite, ihm gegenüber die Assistenz, davon fußwärts die OP-Fachkraft. Die mobile DSA-Einheit wird im Bedarfsfall von der kontralateralen Seite herangefahren.

  9. Spezielle Instrumentarien und Haltesysteme

    Atraumatisches Gefäßinstrumentarium mit:

    • versch. Wundspreizern
    • 120° Winkelklemmen, Profunda-Klemme
    • Pott´sche Schere
    • Knopfkanülen unterschiedlicher Größen
    • feuchte Bauchtücher zum Schutz der Wundränder
    • monofiles Nahtmaterial 5x0 und 6x0, atraumatisch
    • ggf. Instrumentarium zur Intervention (Dilatationskatheter unterschiedlicher Größe, Führungsdrähte)
    • Mikrogefäßinstrumentarium
    • Tunneler-Instrument

    auch:

    • ringverstärkte PTFE-Gefäßprothese, falls keine autologe Vene als Transplantat zur Verfügung steht wie im Filmbeispiel
    • mobile DSA-Anlage
  10. Postoperative Behandlung

    Postoperative Analgesie

    Folgen Sie hier dem Link zu PROSPECT (Procedures Specific Postoperative Pain Management) und zur aktuellen Leitlinie Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen.

    Medizinische Nachbehandlung

    • 24 Std. Nachbetreuung auf Intensivstation, ggf. Intermediate Care
    • Kontrolle der Pulse an den Beinen, kapilläre Durchblutung der Füße

    Heparin

    • gewichtsadaptiert i.v., mindestens 10.000 IE über 24 Std.
    • Beginn 4 Std. postoperativ
    • nach 4-5 Tagen Umstellung auf Aggregationshemmer
    • ggf. Modifikation bei gleichzeitiger KHK (Absprache mit Kardiologen)
    • Antibiose 5 Tage postoperativ fortführen

    Mobilisation

    • 2.-3. Tag postoperativ

    Krankengymnastik

    • isometrisches Training

    Kostaufbau

    • 4-6 Stunden postoperativ

    Stuhlregulierung

    • meist entbehrlich

    Arbeitsunfähigkeit

    • bei AVK Stadium IV meist erwerbsunfähig