Perioperatives Management - Karydakis-Plastik

  1. Indikationen

    Die Karydakis-Plastik ist ein operatives Verfahren zur Behandlung eines Pilonidalsinus mit sehr guten Ergebnissen in der Primärsituation als auch bei Wundheilungsstörungen und Rezidiven.

    Die OP nach Karydakis beinhaltet eine plastische Deckung des nach Exzision des Fistelsystems entstandenen Defektes. Der Gewebelappen aus Haut und Subkutangewebe wird mit einer Schnittführung rechts oder links der Mittellinie mobilisiert, weswegen dieses Verfahren auch als „asymmetrisch“ oder im englischen Sprachraum als „off-midline procedure“ bezeichnet wird. Im Prinzip handelt es sich um eine Verschiebelappenplastik. Pathogenetisch relevant ist hierbei die Abflachung der Rima ani und die Position der Wundnaht außerhalb der Mittellinie. Sie eignet sich für die Primärversorgung mit geringer bis mäßiger Entzündungsaktivität.

    Unterschieden werden der asymptomatische Sinus pilonidalis, der keiner Intervention bedarf, von der akut abszedierten Situation und dem chronischen Stadium mit persistierender Sekretion. Im Falle eines akuten Abszessgeschehens wird die sparsame Inzision und Drainage außerhalb der Mittellinie vor einer definitiven operativen Versorgung im Intervall (2-6 Wochen) empfohlen.

    Alternative Verfahren:

    Bei der Therapieplanung und Wahl des Operationsverfahrens müssen letztlich neben der Befundsituation auch individuelle Aspekte berücksichtigt werden.

    Die noch häufig angewandte radikale Exzision mit offener Wundbehandlung sollte aufgrund des langwierigen postoperativen Verlaufs und einer hohen Rate an Wundheilungsstörungen verlassen werden.

    Weitere Verfahren sind minimal-invasive Methoden (Pit-Picking, Sinusektomie, Lay-open) oder die endoskopische Ausräumung des Sinussystems, gegebenenfalls auch in Kombination mit einer Laserverödung der Gänge. Diese Verfahren eignen sich für nicht voroperierte Patienten mit relativ geringem Befund. Vorteil ist die ambulante Durchführung in Lokalanästhesie, Nachteil die deutlich höheren Rezidivraten im Vergleich zu den plastischen Verfahren und bei den endoskopischen oder Laser basierten Verfahren zusätzlich die relativ hohen Kosten für das aufwändige Equipment.

    Alternative Lappen-Plastiken sind das Limberg- und Cleft-lift-Verfahren. Beide Operationen sind operativ anspruchsvoller und mit einer flacheren Lernkurve verbunden.

    Bei der Limberg-Lappenplastik wird das kosmetische Ergebnis von Patienten als ungünstiger eingeschätzt.

  2. Kontraindikation

    Asymptomatischer Sinus pilonidalis – keine Therapie erforderlich

    Abszess-Stadium  –  Zunächst nur Inzision/Entdeckelung des Abszesses zur wirksamen Drainage. Radikale Exzision erfolgt im infektarmen Stadium nach 2-6 Wochen.

    Relative Kontraindikationen

    Wenn minimal-invasive Methode einsetzbar - Die minimal-invasiven Techniken sind eine schonende und effektive Behandlungsoption vor allem bei kleineren Befunden unter Inkaufnahme einer höheren Rezidivrate gegenüber den Exzisionsverfahren.

    Limitiert ist die Karydakis-OP bei sehr breiten Defekten und langstreckigen Fistelausläufern nach beiden Seiten  –  eine Alternative ist der sehr gut untersuchte modifizierte Limberg-Lappen oder weitere lappenbasiertes Verfahren z.B. fasziokutaner Transpositionslappen.

  3. Präoperative Diagnostik

    Die Diagnose des Pilonidalsinus ist eine Blickdiagnose.

    Die Diagnostik beschränkt sich auf die Inspektion und Palpation des Befundes. Pathognomonisch sind ein oder mehrere Mittellinien-Pori, meist im oberen Drittel der Interglutealfalte gelegen, eventuell begleitet von einem kranial davon gelegenen paramedianen Perforations-Porus.

    Im akut abszedierenden Stadium kann manchmal kein Mittellinienporus ausgemacht werden, da dieser durch die Schwellung komprimiert sein kann. In seltenen Fällen zieht der Fistelgang nach kaudal bis an den Sphinkter heran ohne die anale Mukosa zu perforieren.

    Eine Spontanperforation kann zu einer dauerhaften oder intermittierenden Sekretion führen, die den Patienten Jahre begleiten bis chirurgische Hilfe in Anspruch genommen wird.

    Die Anzahl der Pori in der Mittellinie lässt keine Aussage über die Größe des subkutanen Fistelsystems zu.

    Rektoskopie, Sonographie, CT oder MRT sind in der Regel entbehrlich außer bei V.a. Pilonidalsinuskarzinom oder für die Differentialdiagnose anderer fistulierender Krankheitsbilder wie Analfisteln, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) und Neoplasien (z.B. retrorektalen zystischen Tumoren).

  4. Spezielle Vorbereitung

    Für den Nutzen einer Antibiotikatherapie gibt es keine ausreichende Evidenz.

    Auch die aktuelle KRINKO-Kommission empfiehlt lediglich eine gezielte eingriffsspezifische Prophylaxe ohne Fortsetzung nach dem Eingriff.

    Zum Einsatz kommen Betalactam-Antibiotika sowie Cephalosporine der 1. und 2. Generation, teilweise in Kombination mit Metronidazol.

    Letztlich ist die persönliche Erfahrung des Chirurgen bei aufwändigeren Lappenplastiken entscheidend, ob eine perioperative antibiotische Therapie eingesetzt wird.

    Eine Darmvorbereitung ist nicht erforderlich.

  5. Aufklärung

    • Darlegung alternativer Operationsverfahren: Rhombenförmige Exzision mit Limberg-Schwenklappen, radikale Exzision des Sinus mit anschließender sekundärer Wundheilung, minimal-invasive Methoden, ggf. auch endoskopische und laserbasierte Verfahren
    • Rezidiv: Die Rezidivrate der Karydakis-Operation wird mit ca. 4 % angegeben.
    • Nahtdehiszenz
    • Wundinfekt
    • Nachblutung/Hämatom/Serom
    • Kosmetisch störende Veränderungen der Gesäßregion
    • Beeinträchtigung der Hautsensibilität
    • Maligne Entartung nach Jahren in extrem seltenen Fällen
  6. Anästhesie

  7. Lagerung

    Lagerung

    Der Patient wird in Bauchlage gebracht, dabei wird das Becken erhöht gelagert. Für die druckarme Lagerung ist auf eine ausreichende Unterpolsterung von Gesicht, Brustkorb, Becken, Kniegelenken und Füßen zu achten. Die Kniepolsterung muss ganz flach sein, sonst geht die Erhöhung des Beckens im Vergleich zu den Oberschenkeln wieder verloren. Die Gesäßhälften werden zur Exposition des Operationsgebiets mittels unsteriler breiter Pflasterstreifen V-förmig nach lateral gezogen.

  8. Op-Setup

    Op-Setup
    • Operateur steht auf der Seite des Patienten, auf der die mittellinienferne, also laterale Inzision geplant ist und somit gegenüber des zu mobilisierenden Gewebelappens.
    • Der Assistent steht ihm gegenüber.
    • Die instrumentierende Pflegekraft steht neben dem Assistenten fußwärts des Patienten.
  9. Spezielle Instrumentarien und Haltesysteme

    • Grundsieb
    • Hautmarker
    • Monopolarer Kauter
    • Bipolare Pinzette
    • Federöhrnadel
    • Robinsondrainage
  10. Postoperative Behandlung

    Postoperative Analgesie

    Nicht-steroidale Antirheumatika sind in der Regel ausreichend, ggf. kann eine Steigerung mit opioidhaltigen Analgetika erfolgen. Folgen Sie hier dem Link zu PROSPECT (Procedures Specific Postoperative Pain Management).
    Folgen Sie hier dem Link zur aktuellen Leitlinie Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen.

    Medizinische Nachbehandlung

    Die Operation erfolgt unter stationären Bedingungen, um eine engmaschige Kontrolle der Lappenplastik zu gewährleisten und einer zu schnellen Wiederaufnahme der körperlichen Betätigung in der frühen Wundheilungsphase entgegenzuwirken. Den Patienten wird ein Verzicht auf Nikotinkonsum empfohlen.

    Der Verband wird 48 h belassen. Danach ist bei einer trockenen Wunde keine erneute Wundabdeckung erforderlich und das Duschen wieder möglich.

    Die Fäden werden bei reizlosen Wundverhältnissen nach 12-14 Tagen entfernt.

    Rezidivprophylaxe

    Eine der wichtigsten und für den Betroffenen unangenehmsten Spätfolgen ist das Rezidiv. Es ist hauptsächlich, aber nicht ausschließlich, vom Operationsverfahren abhängig.

    Eine evidenzbasierte Rezidivprophylaxe existiert nicht. Seit Jahrzehnten wird die postoperative Rasur traditionell empfohlen, in einzelnen Arbeiten schien diese jedoch die Rezidivrate zu erhöhen. Seit ca. 10 Jahren hat die Laser-Epilation an Popularität gewonnen, doch auch dafür gibt es keine wissenschaftliche Evidenz. Beunruhigend ist der starke Einfluss der Industrie bei der Popularisierung der Laser-Behandlung. In einer pakistanischen Studie – die auch die einzige prospektiv randomisierte zu diesem Thema ist – war die postoperative Laser-Enthaarung gar mit einem vierfach erhöhten (!) Rezidivrisiko assoziiert.

    Thromboseprophylaxe

    Es sind keine thrombembolische Ereignisse nach Karydakis-Plastik beschrieben. Wegen des (wenn auch gering) erhöhten Blutungsrisiko kann daher auf die subkutane Heparinisierung verzichtet werden, es sei denn, es liegen spezielle Risiken (Thrombophilie) vor.

    Mobilisation

    Eine Belastung bis zur Schmerzgrenze ist erlaubt.

    Krankengymnastik: keine
    Kostaufbau: sofort
    Stuhlregulierung: Stuhl weich halten, weil sonst Obstipationen häufig sind.

    Arbeitsunfähigkeit: 2-3 Wochen