Perioperatives Management - Chimney-Technik bei juxtarenalem Aortenaneurysma (Ch-EVAR)

  1. Indikationen

    Rund 80 % der Bauchaortenaneurysma sind infrarenal lokalisiert.  Bei bis zu 20 % findet sich allerdings kein ausreichender Aneurysmahals (juxtarenales Aneurysma), auch kann das AA an oder oberhalb der Nierenarterien beginnen (suprarenales Aneurysma). Die fehlende oder morphologisch inadäquate infrarenale Verankerungszone („hostile neck“) schließt eine herkömmliche endovaskuläre Aneurysmaausschaltung aus.

    Fenestrierte Prothesen  oder die Chimney-Technik (Ch-EVAR = „chimney technique with endovascular aneurysmrepair“) erlauben diese Pathologien endovaskulär zu behandeln. Die Chimney-Tech­nik schafft eine Proximalisierung der Landungszone, um die notwendige Verankerung für den abdominellen Stentgraft zu gewährleisten. Dies ge­schieht durch Implantation eines in der Regel gecoverten Stents (Chim­ney-Graft) in das betroffene renovis­zerale Gefäß der Aorta, parallel und außerhalb der aortalen Endoprothe­se.

    Zu den Indikationen zur Behandlung pararenaler Pathologien mittels Chimney-Technik gehören:

    • große rupturgefährdete Aneurysmen (> 6 cm Durchmesser) oder penetrierende Aortenulzera ohne Thrombusbildung
    • abdominelle Aneurysmen mit „hostile neck“ und ausgeprägte Angulation/Kalzifikation der Beckenetage und/oder des Aneurysmahalses
    • symptomatische, rupturierte Pathologien
    • Typ-Ia-Endoleak nach vorangegangener EVAR
    • Vorhandensein von relevanten, akzessorischen oder ektopischen Nierenarterien mit einem Durchmesser von mehr als 4 mm
    • paraanastomotische Aneurysmen nach vorangegangener offener Aneurysmabehandlung

    Im Filmbeispiel handelt es sich um ein symptomatisches Bauchaortenaneurysma mit 9,5 cm Durchmesser auf Höhe der Nierenarterien (juxtarenal), begleitend KHK, Z.n. Herzschrittmacher-Implantation re. präpectoral:

    PM 321-1

    Postoperativ:

    PM 321-2
  2. Kontraindikationen

    Weil bei interventionellem Vorgehen wegen unerwarteten technischen Problemen ein Verfahrenswechsel zu einer offenen Operation notwendig werden kann, sind die präoperative Risikoabklärung und die Definition der Kontraindikationen wichtig:

    • Herzinsuffizienz (Ejektionsfraktion < 25-30 %)
    • COPD (FEV1 < 0,8)
    • nicht korrigierbare schwere KHK
    • inkurables Krebsleiden

    Relative Kontraindikation:

    • kompensierte Niereninsuffizienz (wegen intraoperativer Kontrastmittel-Belastung)

    Sollte in Grenzfällen die Operation trotz Kontraindikationen durchgeführt werden, so bedarf dies der besonderen Absprache mit dem Patienten bzw. mit seinen Angehörigen.    

  3. Präoperative Diagnostik

    Gründliche gefäßchirurgische Untersuchung:

    • Pulsstatus
    • Doppler Beine (häufige Koinzidenz von Poplitealaneurysmen)
    • ggf. Gehstreckentest bei gleichzeitig bestehender AVK  und schlecht tastbaren Fußpulsen
    • Ultraschall Abdomen
    • F-Duplex Carotiden (häufige Koinzidenz von Carotis interna-Stenosen)
    • Herzecho
    • Belastungs-EKG
    • Laboruntersuchungen (Elektroyte , Gerinnung, Nierenwerte, Blutbild, Blutfette)
    • Rö Thorax
    • ggf. bei gleichzeitigem Vorliegen einer AVK oder kritischer Viszeralarterien-Morphologie i.a. DSA der abdominellen Aorta und Becken- und Beingefäße
    • Angio-CT von Thorax, Abdomen und Becken, um die Gefäße der oberen Extremitäten und der Aorta descendens beurteilen zu können
  4. Spezielle Vorbereitung

    • Allgemeine OP-Vorbereitungen
    • Blutgruppe bestimmen, ggf. Blutkonserven bereitstellen
    • Duplex-Sonographie der Zugangsgefäße (A. brachialis, A. axillaris und ggf. A. subclavia auf der Zugangsseite)
    • Nüchternheitsgrenze 6 Stunden
    • prophylaktische Antibiose wird meist durchgeführt und wird von der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie empfohlen (single-shot Cefuroxim 30 Minuten vor Hautschnitt), der Nutzen wird jedoch wegen der Resistenzproblematik derzeit diskutiert (RKI)   
  5. Aufklärung

    Allgemeine Operationsrisiken

    • Schwere Blutungen, Bluttransfusionen, Übertragung Hepatitis/HIV durch Fremdblutkonserven
    • Allergie/Unverträglichkeit
    • Wundinfektion
    • Thrombose/Embolie
    • Haut-, Gefäß-, Nervenschädigung z. B. durch Lagerung
    • Keloide (sofern offener Zugang)

    Spezifische Eingriffsrisiken

    • Gefäßverletzungen z. B. bei der Platzierung der Prothese: operative Blutstillung, Bluttransfusionen, bei schwerer Blutung oder Einriss der Aorta sofortige Konversion zur offenen Operation
    • Aneurysma spurium der punktierten Gefäße, av-Fistel, Serom
    • aortoenterale Fistel: Operative Intervention, ggf. mit Entfernung der Gefäßprothese
    • mangelhafte Verankerung oder Leckage der Prothese: Korrektureingriffe, evtl. offen
    • Infektion der Gefäßprothese: nach Tagen, Monaten oder Jahren möglich; Endokarditis,  Sepsis, Beinischämie, Amputation; operative Entfernung der Gefäßprothese
    • Stenose und Verschluss der eingebrachten Chimney-Stents
    • Schädigung benachbarter Organe; Darmischämie -> Resektion, AP-Anlage
    • Nervenläsionen -> Missempfindungen, Schmerzen, Paralyse der Bauchdecken-, Oberschenkelmuskulatur
    • Lymphfistel
    • Lymphödeme der Beine; vorübergehend, dauerhaft; Kompressionsstrümpfe, Lymphdrainage
    • Nachblutungen
    • Impotenz    
    • Kompromittieren der Nierenfunktion durch intraoperative Angiographie, dauerhafte Dialyse

    Risiken durch Perfusionsstörungen

    • Thrombose/Embolie: Lungenembolie, Apoplex, Myokardinfarkt; Prophylaxe Heparin-> HIT II-Risiko
    • Beine: Thrombosierung der Gefäßprothese und evtl. angrenzender Gefäßabschnitte, ggf. Beinischämie, Amputation (z. B. Zehen)
    • Nieren: durch Thrombose oder Platzieren der Gefäßprothese; trotz sofortiger operativer Korrektur u.U. bleibende Nierenschädigung -> Dialyse
    • Darm: Perfusionsstörungen durch Thrombose/Embolie und ggf. Platzieren der Gefäßprothese; gefäßchirurgischer Eingriff erforderlich, ggf. Darmresektion, dauerhafter AP
    • Rückenmark: je nach Größe des Aneurysmas Perfusionsstörungen durch Platzieren der Gefäßprothese; temporäre Sensibilitätsstörungen/Paresen, evtl. auch dauerhafte Paraplegie bei tief abgehender A. radicularis magna
    • Gesäßmuskulatur: durch Überstenten der Beckenarterien, insb. beidseits; Claudicatio-Beschwerden beim Gehen, ggf. Nekrosenbildung gluteal
    • Leber: Funktionsstörung durch Minderperfusion, insb. bei Vorerkrankungen der Leber
  6. Anästhesie

    ITN

  7. Lagerung

    Lagerung
    • Rückenlagerung
    • der Zugangsarm* wird an-, die Gegenseite ausgelagert

    * Zugangsarm ist i.d. R. links, im Filmbeispiel jedoch rechts da Z.n. Herzschrittmacher-Implantation links!

    Zwecks intraoperativer Durchleuchtung sollte die OP-Tischplatte aus Carbon sein. Der Carbontisch sollte bds. für mögliche Bewegungen des C-Bogens frei sein, daher lieber alle Schwenkmanöver des C-Bogens vorher testen.

  8. OP-Setup

    OP-Setup

    Wegen des liegenden Herzschrittmachers links stehen im Filmbeispiel Operateur und Assistenz rechts, die OP-Fachkraft links in Höhe der Fußendes des Patienten. C-Bogen und Monitore befinden sich gegenüber Operateur/Assistenz.

  9. Spezielle Instrumentarien und Haltesysteme

    Spezielle Instrumentarien und Haltesysteme
    Mögliche Prothesenmodule
    • lange 7F- bzw. 8F-Schleusen, 20F-Schleuse
    • Führungsdrähte (Terumo®-Draht 0,035, Rosendrähte, 2 steife Drähte wie z. B. Back-up-Meier® oder Amplatz®)
    • Führungskatheter je nach Konfiguration (Pigtail-, Vertebralis-Katheter etc.)
    • modulare endoluminale Aortenbifurkationsprothese (vor OP exakt ausmessen), gecoverte Stens für die Nierenarterien je nach Durchmesser und vor Op gemessener Länge (am besten in 2-3 verschiedenen Längen und Durchmessern)
    • Dilatationsballon (6-9 mm mit langem Schaft)
    • Aortenstent (je nach Länge und Durchmesser der Aorta und des Aneurysmas falls eine zusätzliche zentrale Fixation notwendig werden sollte)
    • leistungsfähige DSA-Anlage, ggf. Hybrid-Saal
    • Kontrastmittelhochdruckpumpe, ggf. CO2-Injektor
    • für Konversion im Notfall großes Gefäßsieb
  10. Postoperative Behandlung

    Postoperative Analgesie

    Folgen Sie hier dem Link zu PROSPECT (Procedures Specific Postoperative Pain Management) und zur aktuellen Leitlinie Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen.

    Medizinische Nachbehandlung

    • Nachbetreuung auf Intensivstation
    • Normalstation möglichst ab 1. Tag postoperativ
    • engmaschige Überwachung Herz-Kreislauf-Lunge, Nierenparameter
    • Kontrolle der Pulse an den Beinen, kapilläre Durchblutung der Füße
    • Überprüfung neurologischer Status (Querschnittssymptomatik?)
    • gewichtsadaptiert niedermolekulares Heparin, ab dem 2. Tag duale Thrombozytenaggregationshemmung

    Mobilisation

    • ab dem 1. postoperativen Tag ohne Einschränkung möglich

    Krankengymnastik

    • i.d.R. entbehrlich

    Kostaufbau

    • 4-6 Std. postoperativ

    Stuhlregulierung

    • i.d.R. entbehrlich

    Arbeitsunfähigkeit

    • i.d.R. 3-4 Wochen