Bei der Periduralanästhesie (Synonym: Epiduralanästhesie) werden analgetisch wirkende Medikamente (z.B. Lokalanästhetika, Opioide) in den Raum eingebracht, der den Durasack umgibt. Nach viszeralchirurgischen Eingriffen hat die thorakale Periduralanästhesie neben der analgetischen Wirkung günstige Effekte auf die kardiale (weniger Myocardischämien), pulmonale (weniger Atelektasen, Pneumonien) und gastrointestinale (schnellere Erholung der Motilität) Physiologie des Patienten.

1. Indikationen

  • Colonchirurgie
  • Pankreasresektionen
  • Magenresektionen
  • Cystektomie mit Neoblase
  • Chirurgie der Bauchaorta

2. Kontraindikationen

  • Ablehnung durch den Patienten
  • Störungen der Blutgerinnung (s.u.)
  • Mangelnde Kommunikationsmöglichkeit mit dem Patienten
  • Infektionen am Punktionsort
  • Anatomische Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule
  • Bestimmte neurologische Erkrankungen

2.1 Periduralanästhesie und Antikoagulation

Abhängig von der Art der Antikoagulation müssen vor und nach dem Legen bzw. Entfernen eines Periduralkatheters Zeitfenster eingehalten werden, um Blutungskomplikationen zu minimieren. Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin (DGAI) hat diesbezüglich Leitlinien formuliert, die regelmäßig dem wissenschaftlichen Kenntnisstand angepasst werden. Nachfolgend sind die wichtigsten Regeln formuliert (Stand 2/2009).

UFH: unfraktioniertes Heparin, NMH: niedermolekulares Heparin

3. Beschreibung des Ablaufes

  • Bei Übernahme des Patienten Kontrolle dessen Identität und des geplanten Eingriffes (Patientenakte, Einverständniserklärungen)
  • Anlegen des Monitoring; EKG, RR Messung, Pulsoxymetrie
  • i.v. Zugang und Infusion
  • Dokumentation der ersten Messwerte im Anästhesieprotokoll
  • Kontrolle der Laborparameter, insbesondere INR, pTT und Thrombozytenzahl, Leukozyten und CRP
  • Sitzende Lagerung des Patienten auf dem OP – Tisch
  • Gründliche Hautdesinfektion des Rückens mit Desinfektionsmittel (Einwirkzeit bei Single Shot von 60 Sekunden ausreichend, kein Wischen, die Haut muss feucht benetzt sein)
  • Händedesinfektion (min. 30 Sekunden Einwirkzeit)
  • Der Anästhesist trägt Mundschutz, einen sterilen Kittel und eine OP-Haube
  • Die Identifizierung der gewünschten Punktionshöhe erfolgt durch Abzählen der tastbaren Dornfortsätze z.B. vom 7. Halswirbel ausgehend (Vertebra prominens). Als Hilfslinie kann auch die Verbindung zwischen den unteren Scapulaspitzen dienen, die die Wirbelsäule in Höhe des 7. BWK schneidet.
  • Als Faustregel für die Punktionshöhe gilt, dass die Spitze des Periduralkatheters etwa in der Mitte der zu blockierenden Segmente liegen sollte. Die nachfolgende Tabelle liefert Anhaltspunkte für die Auswahl des Punktionshöhe.
  • Die Dornfortsätze Th 1 und 2 sowie Th 10-12 verlaufen annähernd horizontal in der Sagittalebene. Die übrigen Dornforsätze Th 3-9 sind unterschiedlich stark abgewinkelt und liegen dachziegelartig übereinander. Dieser mittlere Thoraxbereich erfordert daher einen steileren Punktionswinkel (ca. 45 Grad zur Hautoberfläche).
  • Steriles Abdecken mit Lochtuch und Abdecktuch
  • Lokalanästhesie mit 1 – 3 ml Scandicain % im Bereich der Punktionsstelle. Mit der dünnen Nadel kann die Anatomie sondiert und über Knochenkontakt die Stichrichtung für die Tuohy -Nadel festgelegt werden
  • Einführen der Tuohy-Nadel 17 oder 18 Gauge mit aufgesetzter 10 ml Spritze, die Kochsalz enthält
  • Vorschieben der Nadel mit kontinuierlichem Druck auf den Spritzenstempel. Daumen und Zeigefinger der linken Hand (bei Rechtshändern) halten die Flügel der Nadel, während sich Mittel-, Ring- und Kleinfinger fest am Rücken des Patienten abstützen. Dies ist als Sicherung gegen plötzliches und unbeabsichtigt tiefes Eindringen der Nadel unabdingbar. Während des Vorschiebens der Nadel wird mit dem Daumen der rechten Hand (bei Rechtshändern) der Stempeldruck gleichmäßig aufrechterhalten.
  • Die Kontrolle über das langsame Vordringen der Kanüle durch die Gewebeschichten einerseits und über den Druck auf den Spritzenstempel andererseits ist technisch anspruchsvoll. Die thorakale Periduralanästhesie gehört aufgrund der möglichen Verletzung des Rückenmarks nicht in die Hand des Ungeübten.
  • Bei Parästhesien und Muskelzuckungen wird die Nadel zurückgezogen.
  • Bei einseitigen Parästhesien ebenfalls Korrektur der Nadellage, ebenso bei versehentlicher Punktion einer Periduralvene.
  • Schlagartiges Nachgeben des Spritzenstempels bei Durchstechen des Lig. flavum (Widerstandsverlust).
  • „Butterweiches“ Injizieren von Kochsalz in den Periduralraum.
  • Entfernen der Spritze und Vorschieben eines 20 Gauge-Katheters nicht weiter als 3 bis 4 cm weit in den Periduralraum, die Öffnung der Tuohy-Nadel zeigt hierbei nach oben oder unten, jedoch nicht zur Seite.
  • Gabe einer Testdosis von 3 – 5 ml eines Lokalanästhetikums (z. B. Scandicain) nach vorangegangener Aspiration. Mindestens 5 minütiges Warten auf eine eventuelle Wirkung der Testdosis bei subarachnoidaler Fehllage.
  • Fixierung des Katheters auf der Haut. Die Punktionsstelle wird mit einer sterilen durchsichtigen Folie abgeklebt, damit sie in den folgenden Tagen beurteilbar ist.
  • Nach Umlagern des Patienten wird die Allgemeinanästhesie eingeleitet.

4. Medikamente zur Periduralanästhesie

Intraoperativ

Für das zu verabreichende Volumen gilt die Faustregel, dass pro Segment ca. 1 ml eines Lokalanästhetikums gegeben werden muss. In der Regel wird eine Einzelinjektion von 6 bis 10 ml Lokalanästhetikum gegeben. Bei intraoperativer Anwendung sollten vor der ersten Injektion stabile Kreislaufverhältnisse bestehen. Die sich ausbreitende Periduralanästhesie kann besonders während einer Allgemeinanästhesie erhebliche Blutdruckabfälle verursachen. Dieser sollte bevorzugt mit vasokonstriktiven Medikamenten behandelt werden und nicht mit einer übermäßigen Volumenzufuhr.

Postoperativ

Die postoperative Analgesie erfolgt am besten mit einem Pumpensystem, dass kontinuierlich das Lokalanästhetikum in den Periduralkatheter abgibt. Hierfür eignen sich niedrig konzentriertes Bupivacain (z.B. 0,25 %) oder Ropivacain (0,1 bis 0,2 %). Die Motorik sollte nicht beeinträchtigt werden. Gegebenenfalls kann eine Kombination des Lokalanästhetikums mit einem Opioid (z.B. Sufentanil) über die Spritzenpumpe verabreicht werden. Hierdurch kann die Analgesie verbessert werden, ohne dass eine motorischen Blockade auftritt.

5. Hinweise und Anmerkungen

  • Der Katheter wird nicht mehr als 3 – 5 cm vorgeschoben. Ein weiteres Einführen des Katheters führt häufig zu einer einseitigen Abweichung, oder Umschlagen der Katheterspitze nach kaudal mit unzureichender Wirkung.
  • Eine versehentlicher Duraperforation tritt bei 0,3 bis 1,2 % der thorakalen Periduralanästhesien auf, postspinale Kopfschmerzen bei 70 – 80 % der Patienten.
  • Injektionsgeschwindigkeit, Körpergröße und Gewicht korrelieren nicht mit dem Lokalanästhetikabedarf.
  • Die liegenden Katheter werden täglich visitiert und folgende Befunde erhoben bzw. dokumentiert: Schmerzscore, Ausbreitung der Analgesie, Zeichen einer motorischen Blockade, Blasenfunktion, Aussehen der Punktionsstelle. Bei Kombination des Lokalanästhetikums mit einem Opioid wird zusätzlich auf Juckreiz, Übelkeit/Erbrechen, Zeichen einer systemischen Opioidwirkung (z.B. Atemdepression, Sedierung) geachtet.
  • Der Katheter wird in der Regel am 4. bis 7. postoperativen Tag entfernt (nur durch den Anästhesisten). Hierbei ist auf die Einhaltung der Zeitintervalle hinsichtlich der Antikoagulantiengabe (s.o.) zu achten. Der Katheter wird erst gezogen, nachdem die Wirkung des Lokalanästhetikums abgeklungen ist, damit neurologische Symptome durch das Auftreten eines epiduralen Hämatoms frühzeitig erkannt werden.

Zeichen eines epiduralen Hämatoms:

  • Scharfe Schmerzen in Rücken und Beinen
  • Sensorische Ausfälle
  • Schwächegefühl oder Lähmung in beiden Beinen

Zeichen eines epiduralen Abszess (Staph. aureus):

  • Heftige Rückenschmerzen und Druckschmerz
  • Fieber und Leukozytose
  • Progrediente Para- oder Tetraparese

Insgesamt ist für die Versorgung von Patienten mit liegendem Periduralkatheter eine enge Kooperation mit dem Pflegepersonal der jeweiligen Station erforderlich. Das Personal sollte entsprechend geschult sein und Symptome neurologischer Komplikationen zu starker oder zu schwacher Wirkung der Periduralanästhesie erkennen können.

Autor:   Prof. Dr. C. Diefenbach

Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin

St. Katharinen-Hospital Frechen GmbH