Komplikationen - Restthyreoidektomie mit partieller zentraler Lymphknotendissektion links

  1. Prophylaxe und Management intraoperativer Komplikationen

    Blutung

    Eine Blutung aus der A. thyreoidea inferior oder der Kocher`schen Vene kann den Überblick im OP-Situs unmöglich machen.

    • keine hektischen Versuche, in einem unübersichtlichen Wundgebiet die vermeintliche Blutungsquelle mit Klemmen zu fassen
    • Wunde zunächst mit Kompressen tamponieren, für eine optimale Einstellung des OP-Gebietes sorgen (Langenbeck-Haken!)
    • unter Einsatz eines Saugers die Kompressen schrittweise entfernen und versuchen, das blutende Gefäß gezielt mit einer Klemme zu fassen
    • bei jedem Schilddrüseneingriff sollte die vor dem Wundverschluss erfolgende Kontrolle auf Bluttrockenheit unterPEEP-Beatmung des Patienten durchgeführt werden
  2. Prophylaxe und Management postoperativer Komplikationen

    2.1. Läsionen des N. laryngeus recurrens (“Recurrensparese”)

    Inzidenz:

    • 1-2%, bei Rezidiveingriffen 2-8 %
    • Patienten mit einem Schilddrüsenmalignom haben das größte Risiko einer permanenten Recurrensparese

    Ursache

    • meist intraoperative Zerrung und Quetschung des N. laryngeus recurrens (NLR)
    • selten Kontinuitätsunterbrechung
    • auch durch Druckschäden nach postoperativer Blutung und durch endotracheale Intubation

    Endotracheale Intubation

    Nicht nur durch die intraoperativen Manipulationen kann der Nerv geschädigt werden, sondern auch durch die endotracheale Intubation (intubationsbedingte Recurrenspareserate 1,4 % passager, 0,5 % permanent). Dass das möglich ist, zeigen Fälle von postoperativen Recurrensparesen nach halsfernen Eingriffen. Mögliche Gründe: intralaryngeale, submukös verlaufende Aufzweigungen des N. laryngeus recurrens, falsche Positionierung des Cuffs (z. B. innerhalb des Kehlkopfs), Extubation bei geblockter Manschette. Empfohlen wird daher die Kontrolle des Cuffs vor der Intubation auf Symmetrie, gelegentliche Entlüftung, regelmäßige Druckkontrollen insbesondere bei längeren Eingriffen sowie eine sehr sorgfältige Lagerung des Patienten bei liegendem Tubus zur Prophylaxe einer Druckschädigung des der Trachealwand anliegenden NLR.

    Weitere Ursachen einer intubationsbedingten Heiserkeit ohne Läsion des NLR: Es kann sich um eine „normale“ postoperative Heiserkeit nach ITN handeln (bei rund 30% aller Patienten nach ITN vorkommend) oder um intubationsbedingte Schäden wie Schleimhautverletzungen, Hämatome, Verletzung der Stimmlippen und Luxation des Aryknorpels.

    Folgen

    • Stimmstörungen, Schluckstörungen und Beeinträchtigungen der Atmung
    • bei bilateraler Recurrensparese ist häufig eine Tracheotomie erforderlich

    Prophylaxe

    Das Risiko einer akzidentellen Verletzung des NLR lässt sich durch zwei, sich ergänzende Maßnahmen mindern:

    • konsequente Darstellung des NLR, insb. bei totalen Lappenresektionen: visuelle Identifikation als Goldstandard
    • intraoperatives Neuromonitoring (IONM): elektromyographische Funktionsdarstellung von NLR und N. vagus

    Zur Schonung des Stimmbandnerven und auch der Epithelkörperchen tragen ebenfalls bei:

    • sog. Mikrodissektionstechnik unter Verwendung optischer Instrumente (Lupenbrille)
    • die Verwendung schonender Blutstillungsverfahren (bipolare Koagulation, Gefäßclips, “vessel sealing”, Ultraschalldissektion)

    Grundlegende Informationen über das intraoperative Neuromonitoring erfahren Sie unter: IONM

    Prädilektionsstellen einer Läsion des NLR sind:

    • oberer Pol: bei Massenligaturen an der Stelle, wo der Nerv in die Pars cricopharyngea des M. constrictor pharyngis inferior eintritt
    • unterer Pol: bei brüsker Luxation des Pols mit dem Finger

    N. laryngeus superior

    • der Ramus externus des N. laryngeus superior überkreuzt, hinterkreuzt oder durchkreuzt die Polgefäße in unmittelbarer Nähe zum oberen Schilddrüsenpol
    • eine Läsion des Nervenastes kann eine Dysphonie mit verminderter stimmlicher
      Leistungsfähigkeit im Sinne einer Verminderung des Stimmumfanges und schneller Ermüdung der Stimme zur Folge haben
    • der besonderen Anatomie sollte durch eine kapselnahe und schonende Präparation des oberen Pols Rechnung getragen werden
    • die routinemäßige Darstellung des Nervenastes kann durch bisher vorliegenden Daten nicht begründet werden und wird von den aktuellen Leitlinien daher nicht empfohlen

    2.2. Nachblutung

    Inzidenz:

    • 0,3-5 %
    • die meisten Blutungen entwickeln sich innerhalb der ersten 12-24 h postoperativ
    • empfindlichste Zeitspanne für Nachblutungen: Aufwachphase nach der Extubation wegen intrathorakaler Drucksteigerung
    • variables Blutungsausmaß: Sugillationen in der Haut, Hämatome unter dem Platysma, lebensbedrohliche Blutungen mit Asphyxie

    Die Nachblutung ist in der Schilddrüsenchirurgie die einzige eingriffstypische Komplikation, die zu einer vital bedrohlichen Situation führen kann. Bei arteriellen Blutungen dringt das Blut unter hohem Druck in die Halsloge ein und kann zu Kompression, Schwellung, intubationspflichtiger Atemnot und Asystolie durch Vagusdruck führen.

    • Symptomfreie Hämatome ohne nennenswerte Zunahme des Halsumfangs können konservativ bleiben, Voraussetzung ist jedoch eine engmaschige Beobachtung des Patienten, um jederzeit eingreifen zu können.
    • Vorsicht ist geboten bei Hämatomen, die sich schleichend entwickeln und zu einer Zunahme des Halsumfanges führen. Hier kann es durch Schleimhautschwellungen im Larynx und in der Trachea zu einer massiven Erschwerung einer Intubation kommen, sodass eine Nottracheotomie erforderlich wird.
    • Bei einer akuten arteriellen Nachblutung besteht ein sofortiger chirurgischer Handlungsbedarf.

    Um die Morbidität zu minimieren, ist somit eine frühzeitige Diagnose und verzögerungsfreies, couragiertes Eingreifen erforderlich. Es empfiehlt sich daher die Etablierung eines Nachblutungsmanagements, über das Sie hier mehr erfahren können Notfallplan – Nachblutung nach Schilddrüseneingriffen

    2.3. Hypoparathyreoidismus

    Inzidenz

    • passager 7,3-8,3 %
    • permanent 1,5-1,7 %
    • gesteigerte Häufigkeit permanenter Hypokalzämien bei Schilddrüsenmalignomen (bis 4 %) und bei Morbus Basedow (bis 2 %)

    Ursache

    • akzidentelle Resektion einer oder mehrerer Nebenschilddrüsen
    • Durchblutungsstörungen durch Verletzung der die Nebenschilddrüsen versorgenden Gefäße
    • werden weniger als 2 oder 3 Epithelkörperchen erhalten, steigt das Risiko eines permanenten Hypoparathyreoidismus signifikant an

    Informationen zum Management des postoperativen Hypoparathyreoidismus finden Sie unter: Postoperativer Hypoparathyreoidismus

    Prophylaxe

    • sichere Identifikation der Nebenschilddrüsen durch gezielte Darstellung
    • nicht nur orientierender Ausschluss von nicht erkennbarem Nebenschilddrüsengewebes in situ oder am Resektat
    • durchblutungsgestörte Nebenschilddrüsen autotransplantieren (in 1 mm ³ große Würfel zerteilen und in eine Tasche des ipsilateralen M. sternocleidomastoideus simultan autotransplantieren; Dokumentation nicht vergessen!)
    • die Nebenschilddrüsen werden überwiegend über die A. thyreoidea inf. versorgt, weshalb die Ligatur nach sicherer Identifizierung des N. laryngeus recurrens möglichst schilddrüsenahe erfolgen sollte

    2.4. Infektionen

    Inzidenz:

    • 0,2-1,4 %
    • Wundinfektionen treten meist als sekundär infiziertes Hämatom auf, Abszesse und Fistelbildungen kommen vor
    • durch ein gutes Wundmanagement bereiten Infektionen in aller Regel keine größeren Schwierigkeiten, hämatogene Streuung und septischer Verlauf stellen eine Ausnahme dar
    • eine signifikante, aber seltene Infektion ist die Mediastinitis, die sich nach einer Schilddrüsenoperation mit transsternalem Zugang entwickeln kann
  3. Äußerst seltene Komplikationen

    Nach einer lateralen Halslymphknotendissektion, die üblicherweise bei lymphogen metastasierenden Schilddrüsenkarzinomen erforderlich ist, sind die folgenden, seltenen Komplikationen möglich:

    • Verletzung des N. accessorius
    • Verletzung des N. phrenicus
    • Verletzung des Ductus thoracicus mit Ausbildung einer Chylusfistel und sehr selten eines Chylothorax
  4. Prophylaxe und Management intraoperativer Komplikationen

    Blutung

    Kommt es zu einer massiven intraoperativen Blutung (z.B. aus der Kocher’schen Vene oder der A. thyroidea inferior), so wird zunächst tamponiert und unter kontinuierlichen Saugung versucht das Gefäß zu identifizieren, um es anzuklemmen und zu ligieren.

    Bemerkung: Bei jedem Schilddrüseneingriff empfiehlt sich vor dem Wundverschluss eine Kontrolle auf Bluttrockenheit unter PEEP-Beatmung des Patienten. 

    Feststellung des Signalverlustes bei IONM (intraoperativem Neuromonitoring)

    Wenn es sich um die erste Seite einer geplant beidseitigen Resektion handelt, sollte von der Resektion der kontralateralen Seite Abstand genommen werden, um das Risiko einer beidseitigen Rekurrensparese zu vermeiden.

    Minderperfusion oder akzidentielle Entfernung einer Nebenschilddrüse (NSD)

    Üblicherweise erfolgt deren Autotransplantation nach histologischer Organbestätigung in 1 mm ³ großen Würfeln in eine Tasche des ipsilateralen M. sternocleidomastoideus (Dokumentation nicht vergessen!).

    Prophylaxe:

    Zusätzlich zum Goldstandard der visuellen Identifikation wird zumindest bei komplexen Fällen ein zusätzliches Auffindungsverfahren mit spontaner oder induzierter Fluoreszenz empfohlen (Autofluoreszenz, ICG-Fluoreszenz, PT-EYE).

    Eine Aussage über die Vaskularisation bzw. Devaskularisation der Nebenschilddrüse erreicht man nur mit der ICG-Fluoreszenzangiografie. 

    Trachealverletzung

    Möglichst sofortige Übernähung, Nahtabdeckung mit zusätzlichem Material (Perikard, Pleura, M. sternocleidomastoideus, vliesgebundener Gewebekleber), ggf. Stent, peri- und postop. Antibiotikatherapie 

    Ösophagusverletzung 

    bei ausgedehnten Tumor- oder Strumaoperationen, direkte Naht, Antibiose, Drainage

    Pleuraverletzungen/Spannungspneumothorax (bei tiefer zervikaler Resektion)

    Naht ggf. Thoraxdrainage

  5. Prophylaxe und Management postoperativer Komplikationen

    Rekurrensparese/Stimmbandlähmung

    Inzidenz

    • 1 - 2 %, bei Rezidiveingriffen 2 - 8 %
    • Patienten mit einem Schilddrüsenmalignom haben das größte Risiko einer permanenten Recurrensparese.

    Ursache

    • meist intraoperative Zerrung und Quetschung des N. laryngeus recurrens (NLR) mit guter Prognose und Erholung der Stimmbandfunktion innerhalb von Tagen bis Wochen
    • selten Kontinuitätsunterbrechung
    • Druckschaden nach postoperativer Blutung
    • intubationsbedingte nicht nervale Beeinträchtigungen der Stimmlippenbeweglichkeit: Nicht nur durch die intraoperativen Manipulationen kann die Stimmbandfunktion geschädigt werden, sondern auch durch die endotracheale Intubation: falsche Positionierung des Cuffs (z. B. innerhalb des Kehlkopfs), Extubation bei geblockter Manschette, grobe Lagerung des Kopfes bei liegendem Tubus. Es sind Verletzungen der Stimmlippen wie Druckschädigungen, Schleimhautverletzungen, Hämatome bis zur Luxation der Aryknorpel möglich.

    Folgen

    • unvollständiger Verschluss der Stimmlippe auf der betroffenen Seite
    • Heiserkeit, Schluckstörungen und Beeinträchtigungen der Atmung insbesondere bei beidseitiger Lähmung durch deutliche Verschmälerung der Stimmritze. Im Vordergrund steht die Sicherung der Atemwege, was die Anlage eines Tracheostomas nach sich ziehen kann.
    • bei symptomatischer Stimmlippenparese logopädisches Stimmtraining

    Prophylaxe

    • Vermeidung einer Rekurrensparese gilt als Qualitätsmerkmal der Operation.
    • Vorbeugen einer Schädigung durch exakte anatomische Kenntnisse mit den möglichen Varianten des Nervenverlaufs, sowie sorgfältige visuelle Darstellung und Präparation, um den Nerven sicher zu schonen.
    • Einsatz des Neuromonitorings, um den Nerven zu identifizieren und funktionelle Schäden zu detektieren, die nicht unbedingt visuell zu erkennen sind.
    • Bei Eintreten eines Signalverlustes auf der erstoperierten Seite, konsekutives Aussetzen der Resektion auf der Gegenseite.
    • Zur Schonung des Stimmbandnerven tragen ebenfalls bei:
      1. sog. Mikrodissektionstechnik unter Verwendung optischer Instrumente (Lupenbrille)
      2. die Verwendung schonender Blutstillungsverfahren (bipolare Koagulation, Gefäßclips, “vessel sealing”, Ultraschalldissektion) 

    Schädigung des N. laryngeus superior

    • Der Nervus laryngeus superior ist ein Ast des N. vagus, der sich medial der A. carotis in einen motorischen Ramus externus für die motorische Innervation des M.cricothyreodeus und einen sensiblen Ramus internus für die Kehlkopfschleimhaut teilt.
    • Der Ramus externus des N. laryngeus superior überkreuzt, hinterkreuzt oder durchkreuzt die Polgefäße in unmittelbarer Nähe zum oberen Schilddrüsenpol.

      • Eine Läsion dieses Nervenastes kann eine Dysphonie mit verminderter stimmlicher Leistungsfähigkeit im Sinne einer Verminderung des Stimmumfanges und schneller Ermüdung der Stimme zur Folge haben.
      • Der besonderen Anatomie sollte durch eine kapselnahe und schonende Präparation des oberen Schilddrüsenpols Rechnung getragen werden.
      • Einsatz des EBSLN-Monitoring bei Schilddrüsenoperationen mit schwieriger Anatomie und bei Patienten mit hoher stimmlicher Anforderung. 

    Grundlegende Informationen über das intraoperative Neuromonitoring erfahren Sie unter: Link IONM

    Schädigung des Sympathikus

    Seltene Komplikation bei sehr großen Strumen oder Rezidiveingriffen, ersichtlich als Horner-Syndrom (partielle Ptosis, Miosis und Anhidrose des Gesichts)

    Dysphagie

    • Ursachen: arytenoidales Trauma nach Intubation, chirurgisches Trauma der geraden Halsmuskulatur oder des M. cricothyreoideus, Veränderungen der laryngealen Durchblutung, Narben- und Adhäsionsbildung mit Störung der Hyoidmobilität oder laryngotrachealer Fixation zu Weichteilen und Haut, psychogen, Schädigung des extrinsischen perithyreoidalen Nervenplexus
    • Therapie: meist selbstlimitierend, Lateralisierung der geraden Halsmuskulatur

     Nachblutung

    • Inzidenz (1 - 2 %): Die meisten Nachblutungen ereignen sich in den ersten 6 Stunden nach dem Eingriff. Daten zeigen, dass 54 % aller Patienten in der Schilddrüsen-und Nebenschilddrüsenchirurgie länger als 24 Stunden postoperativ mit Übelkeit und Erbrechen belastet sind und während dieser Phase einem erhöhten Nachblutungsrisiko ausgesetzt sind. Ein nicht unerhebliches Nachblutungsrisiko (ca. 20%) besteht deshalb auch jenseits der 24-Stunden-Grenze.
    • Risikofaktoren: Einnahme von Antikoagulantien, Gerinnungsstörungen, ausgedehnte Resektionen, höheres Patientenalter, männliches Geschlecht, Rezidivoperation
    • Vermeidung durch penible intraoperative Blutstillung und sorgfältige operative Technik. Am Ende der Operation Valsalva-Manöver und adäquater Blutdruck zur Kontrolle auf Bluttrockenheit. Ruhige, ereignisfreie Ausleitung und Extubation.
    • Die Nachblutung in der Schilddrüsenchirurgie ist eine eingriffstypische Komplikation, die zu einer vital bedrohlichen Situation führen kann. Bei arteriellen Blutungen dringt das Blut unter hohem Druck in die Halsloge ein und kann zu Kompression, Schwellung, intubationspflichtiger Atemnot und Asystolie durch Vagusdruck führen.
    • Erste Blutungszeichen: Zervikales Druck- und Engegefühl, kloßige Sprache, Schluckbeschwerden. Bei Schweißigkeit, Luftnot, Stridor, Tachykardie und Hypotonie umgehende operative Revision. Laboruntersuchungen und Sonographie sind keine zuverlässigen diagnostischen Maßnahmen zur Feststellung der Blutung und müssen aufgrund der Akutizität nachgeordnet oder unterlassen werden.
    • Therapie: Die Sicherung der Atemwege hat Vorrang, möglichst aber rechtzeitige Verbringung in den OP-Saal, um eine geordnete Reintubation und Revision unter sterilen Bedingungen vornehmen zu können. Schleimhautschwellungen im Larynx und in der Trachea können zu einer massiven Erschwerung der Intubation führen, sodass eine Nottracheotomie erforderlich wird.
    • Symptomfreie Hämatome ohne nennenswerte Zunahme des Halsumfangs sollten konservativ behandelt werden, Voraussetzung ist jedoch eine engmaschige Beobachtung des Patienten, um jederzeit eingreifen zu können.

    Hypoparathyreoidismus

    Häufige Komplikation nach beidseitigen Schilddrüseneingriffen, Rezidiveingriffen oder zentraler zervikaler Lymphadenektomie. Definiert als laborchemische Diagnose bei PTH < 15 pg/ml und gleichzeitig normalem, niedrig normalem oder erniedrigtem Serumkalzium (Eiweiß korrigiert). Zur frühzeitigen Erkennung eines postoperativen Hypoparathyreoidismus sollte die Bestimmung des Serumkalziums und intakten Parathormon direkt postoperativ oder am Morgen des ersten postoperativen Tages erfolgen. Das Kalzium am ersten postoperativen Tag allein korreliert nicht mit der Prognose hinsichtlich Entwicklung eines Hypoparathyreoidismus.

    Inzidenz

    • bei Thyreoidektomie passager bis zu 33,6 %, permanent um die 10 %
    • Bei einem passageren Hypoparathyreoidismus normalisiert sich die NSD-Funktion innerhalb der ersten 6 Monate postoperativ.
    • gesteigerte Häufigkeit bei Schilddrüsenmalignomen und bei Morbus Basedow

    Ursache

    • akzidentielle Entfernung einer oder mehrerer NSD Bemerkung: In ca. 7 % werden Nebenschilddrüsen auf dem Operationspräparat gefunden!
    • Durchblutungsstörungen durch Verletzung der die Nebenschilddrüsen versorgenden Gefäße, Devaskularisierung der NSD insbesondere durch eine langstreckige Freilegung des NLR oder bei stammnaher Unterbindung der A. thyreoidea inferior. Bei der zentralen zervikalen Lymphadenektomie ist besonders die Durchblutung der unteren NSD gefährdet.
    • Werden weniger als 2 oder 3 Epithelkörperchen erhalten, steigt das Risiko eines permanenten Hypoparathyreoidismus signifikant an.

    Vermeidung

    • Schilddrüsenkapselnahe Gefäßunterbrechungen, um eine Devaskularisation der NSD zu vermeiden.
    • Sichere Identifikation der Nebenschilddrüsen und kapselnahes Abpräparieren, der oft an einem Ast der A. thyreoidea inferior gestielten NSD.
    • Behutsame Präparation in sog. Mikrodissektionstechnik unter Verwendung optischer Instrumente (Lupenbrille).
    • Verwendung schonender Blutstillungsverfahren (bipolare Koagulation, Gefäßclips, “vessel sealing”, Ultraschalldissektion)
    • Zusätzlich zum Goldstandard der visuellen Identifikation wird zumindest bei komplexen Fällen ein zusätzliches Auffindungsverfahren mit spontaner oder induzierter Fluoreszenz empfohlen (Autofluoreszenz, ICG-Fluoreszenz, PT-EYE).

      Autofluoreszenz: Gewebe der Nebenschilddrüse emittiert bei Anregung mit nahem Infrarotlicht (Wellenlänge häufig 785 nm) ein schwaches, aber spezifisches Fluoreszenzsignal. Es ist kein Farbstoff nötig. Echtzeitdarstellung während der OP, Spezialkamera erforderlich.

      Indozyaningrün (ICG)-Fluoreszenzangiographie: Intravenöse Injektion von Indozyaningrün (ICG), einem fluoreszierenden Farbstoff. ICG bindet an Plasmaproteine und zeigt vaskularisierte Strukturen an. Die Nebenschilddrüsen werden durch ihre besonders hohe Gefäßdichte mit einer Spezialkamera für nahes Infrarotlicht (NIR-Licht) sichtbar. Ermöglicht eine Einschätzung der Durchblutung der Drüsen → Prognose der postoperativen Funktion.
       
    • durchblutungsgestörte Nebenschilddrüsen nach histologischer Organbestätigung autotransplantieren (in 1 mm ³ großen Würfeln in eine Tasche des ipsilateralen M. sternocleidomastoideus; Dokumentation nicht vergessen!).
    • Grundsätzlich sollte jede NSD so behandelt werden, als sei sie die letzte!

    Therapie

    • Bei postoperativ inadäquat erniedrigtem Parathormon (< 15 pg/ml) sollte eine orale Medikation mit Kalzium (z.B. Kalziumcarbonat bis 3 x 500 mg/d; Kalzitriol 2 - 3 x 0.25 - 1 µg/d) eingeleitet werden. Bei gleichzeitiger Therapie mit Protonenpumpeninhibitoren kann auf Calciumcitrat gewechselt werden. Die Medikation kann durch zusätzliche Gabe von Magnesium ergänzt werden, da die Serumkonzentration von Magnesium bei Hypoparathyreoidismus ebenfalls vermindert ist. Bei persistierender Symptomatik unter max. oraler Medikation kann eine vorübergehende intravenöse Therapie erforderlich sein.
    • Wird der Patient mit hochdosierter Kalzium- und Vit. D-Medikation entlassen, sollen eine regelmäßige Kontrolle und frühzeitige Anpassung/Reduktion der Medikation zur Vermeidung einer iatrogenen Hyperkalzämie erfolgen. Vermeidung einer nierenschädigenden Hyperkalzämie durch Einstellen des Serumkalziums unterhalb von 2,3 mmol/L. Höhere Serumkalziumspiegel führen bei niedrigem bzw. subnormalem PTH zu einer vermehrten Kalziumausscheidung im Urin und zu einer Suppression der Nebenschilddrüsenfunktion.

    Infektionen

    Inzidenz

    • 0,3 - 2,9 %
    • Wundinfektionen treten meist als sekundär infizierte Hämatome auf, Abszesse kommen vor.
    • Durch ein gutes Wundmanagement zusätzlich zur antibiotischen Behandlung bereiten Infektionen in aller Regel keine größeren Schwierigkeiten.
    • Hämatogene Streuung und septischer Verlauf stellen eine Ausnahme dar. Bei tiefer gehender Halsphlegmone ist ein ausgedehntes ggf. wiederholtes Debridement erforderlich.

    Chylusfistel/Chylothorax

    Verletzung des D. thoracicus bei großen Strumen mit retrosternaler Ausdehnung, oder wenn Lymphknoten im lateralen Halsdreieck mitentfernt werden.

    Diagnostik/Therapie: konservative Maßnahmen (Drainage, Kompressionsverbände, totale parenterale Ernährung, spezielle enterale Diät); Lymphangiographie und ggf. Embolisation des Ductus thoracicus

    Äußerst seltene Komplikationen

    • Eine potentiell lebensbedrohliche frühpostoperativ auftretende foudroyante Infektionsausbreitung mit Mediastinitis kann vor allem durch β−hämolysierende Streptokokken der Gruppe A ausgelöst werden. Eine rasche Diagnostik und Therapie mit Eröffnung der Wunde, Wundabstrich und gezielter Antibiotikatherapie sind erforderlich. Risikofaktoren sind Diabetes, Immunsuppression, Adipositas, Sternotomie und eine lange Operationsdauer (> 2 - 3 Stunden).
    • Verletzung des N. accessorius oder N. phrenicus im lateralen Halsdreieck