Perioperatives Management - Perkutane transluminale Angioplastie und Stenting der A. carotis interna rechts bei Rezidivstenose

  1. Indikationen

    PM 317-1

    Grundsätzliche Indikationen für interventionelle Prozedur und offene OP:

    • vorwiegend höhergradige Stenosen der A. carotis interna > 70 % im Stadium II (TIA),  IIIa (PRINT) und IIIb (PRINS)
    • Stadium I: bei hochgradiger Stenose (deutlich > 70 %) mit erhöhtem embolischen Risiko und rascher Stenose-Progredienz; selten bei kurzstreckigem Verschluss; Op nur, wenn das Gesamt-Risiko der OP unter dem des Spontanverlaufs liegt (> 2 %)
    • Stadium IIIb: oft erst nach Ablauf von 4 Wochen, wenn früher, dann nur in Abhängigkeit vom NMR-Befund des Gehirnparenchyms; Vorsicht bei Ödem, verstärkter Vaskularisation im Randbereich des Infarkts
    • Stadium IV:  prophylaktisch, um einen weiteren gravierenden Schlaganfall zu verhindern, sofern das bereits bestehende neurologische Defizit nicht massiv ist;  die Indikation für ipsilaterale Korrekturen ist selten gegeben, meist erfolgt nur die Korrektur kontralateraler Stenosen

    Die Indikation zur interventionellen Therapie ergibt sich besonders bei:

    • hochgradiger Rezidivstenose (Filmbeispiel)
    • narbigen Stenosen infolge Neck Dissection mit Bestrahlung
    • Hochrisiko-Patienten mit symptomatischen hochgradígen Stenosen
  2. Kontraindikationen

    • ulzeröse Stenosen mit erhöhtem Embolie-Risiko
    • Knickstenosen
    • hochgradige langstreckigen Stenosen, die über die Schädelbasis hinausgehen
  3. Präoperative Diagnostik

    Klinisch-neurologische Untersuchung

    • > 90 % der Stenosen und Verschlüsse von supraaortalen Gefäßen (ACI, A. vertebralis u.a.) bleiben klinisch asymptomatisch und werden im Rahmen von Screeninguntersuchungen oder präoperativer Bildgebung entdeckt
    • Symptome einer Läsion der hirnversorgenden Gefäße hängen vom betroffenen Gefäß, vom zeitlichen Verlauf und von der vorherrschenden Kollateralisierung (z.B. über den Circulus arteriosus cerebri) ab
    • Typische Symptome einer Störung des Karotisstromgebiets (A. carotis interna) sind:
      • motorische oder sensible Hemisymptomatik (z.B. „Halbseitenlähmung“)
      • Amaurosis fugax (vorübergehende einseitige Blindheit: A. ophtalmica)
      • kortikale Funktionsstörungen (Sprache, visuell-räumliche Wahrnehmung)
      • homonyme bilaterale Gesichtsfeldeinschränkungen sind in der Regel keine typische Symptomatik bei Stenosierungen der A. carotis interna
    • Wichtig: Auskultation der A. carotis ist zur Stenosedetektion nicht geeignet!

    Farbkodierte Duplex-Sonografie

    Bei der Ultraschalluntersuchung der extrakraniellen hirnversorgenden Gefäße sollten stets alle Gefäße im Quer- und Längsschnitt begutachtet werden:

    • A. carotis communis von proximal bis zur Karotisbifurkation
    • Karotisbifurkation mit dorsolateral abgehender A. carotis interna
    • A. carotis externa
    • A. vertebralis in den Segmenten V1 bis V3
    • A. subclavia und A. axillaris

    Suche nach hämodynamisch relevanten Plaques und deren morphologischer Beschreibung (B-Bild):

    • echoreich versus echoarm
    • homogen versus inhomogen
    • glatt versus unregelmäßig konfiguriert

    Prognostisch ungünstige Plaque-Parameter:

    • echoarme Plaquebinnenstruktur
    • langstreckige Plaque > 1 cm
    • Plaquedurchmesser > 4 mm
    • Längspulsation der Plaque nach distal

    Nach internationaler Übereinkunft soll die Stenosequantifizierung nach den NASCET-Kriterien erfolgen.

    Kontrastmittelverstärkte MR-Angiographie oder ersatzweise eine  CT-Angiographie

    • Validierung der Befunde bzw. zur Therapieplanung
    • Evaluierung intrakranieller Gefäße und eventueller Parenchymschäden (stattgehabte Hirninfarkte)

    Digitale Subtraktionsangiographie (DSA) der hirnversorgenden Arterien 

    • nur dann, wenn mit den nichtinvasiven Verfahren keine konklusive Aussage möglich ist und eine therapeutische Konsequenz resultiert
    • Beispiel: im MRT o. CT nicht einsehbare Knickstenose

    CT oder MRT des Gehirns

    • bei symptomatischen Patienten Parenchymbildgebung vor geplanter Revaskularisation
    • bei asymptomatischen Patienten kann eine derartige Bildgebung wichtige Zusatzinformationen liefern, z. B. Nachweis eines klinisch stummen Hirninfarkts

    Röntgenuntersuchung Thorax

    Labor

    • BB
    • Elektrolyte
    • Gerinnung
    • Retentionswerte
    • Leberenzyme
    • Blutfette
    • Blutgruppe

    Bei allen Patienten mit arteriosklerotischer Carotisstenose sollten weitere Folgeerkrankungen der Arteriosklerose (koronare Herzkrankheit [KHK], periphere arterielle Verschlusskrankheit [AVK]) erfasst werden!

  4. Spezielle Vorbereitung

    • Seite markieren
    • Nüchternheit 2 – 6 Stunden je nach Klinik-Standard
    • Aggregationshemmer belassen; bei dualer Therapie individuelle Entscheidung je nach kardialem Risiko-Profil
    • Blutgruppe bestimmen
  5. Aufklärung

    • Punktionsstelle: Hämatom, Aneurysma spurium, AV-Fistel, Infektion
    • Gefäßläsion durch Ballondilatation -> Synkope, Hemiparese; falls Stentimplantation nicht gelingt -> notfallmäßige offene OP
    • Hyperperfusionssyndrom -> u. U. Hirnblutung
    • Wechsel der Punktionsstelle
    • Allergie auf Kontrastmittel, Medikamente, Latex
    • Stentdislokation, ggf. operative Korrektur
    • Gefäßdissektion/-perforation z. B. durch Katheter
    • Fremdblutübertragung mit Infektionsrisiko (Hepatitis, HIV)
    • Blutungsrisiko durch Fibrinolyse
    • HIT II durch Heparin-Injektion
    • kontrastmittelindizierte Nephropathie, u. U. lebenslange Dialyse
  6. Anästhesie

    • bevorzugt Lokalanästhesie
    • ITN auf Wunsch des Patienten oder bei fehlender Kooperationsbereitschaft
  7. Lagerung

    PM 317-2
    • Rückenlagerung, Arm auf der Seite der Punktionsstelle ausgelagert (von kontralateral kommt die DSA-Einheit!), Kopf rekliniert und Drehung zur kontralateralen Seite
  8. OP-Setup

    PM 317-3

    Der Operateur steht an der zu operierenden Seite, ihm gegenüber die Assistenz. Fußwärts neben der Assistenz befindet sich die instrumentierende OP-Fachkraft. Der C-Bogen für die intraoperative Angiographie kommt von der kontralateralen Seite, neben dem Kopfende des Patienten wird für den Operateur gut sichtbar der Monitor positioniert.

  9. Spezielle Instrumentarien und Haltesysteme

    • mobile oder festinstallierte DSA-Einheit bzw. Hybrid-OP
    • Hochdruck-Kontrastmittelpumpe
    • unterschiedliche Schleusen (6 -7 F und größer)
    • übliches Gefäßinstrumentarium, Wundspreizer
    • verschiedene Führungsdrähte (Terumo® lang, mindestens 180 cm, steifere Drähte mit weicher Spitze speziell für die Carotis-Dilatation)
    • verschiedene Führungskatheter (wie RDC = Renal Double Curve, Hockey Stick, SIM 1 und 2 = Sidewinder Typ Simmons)
    • Dilatationsballone unterschiedlicher Größe ( 3 – 6 mm)
    • ballonexpandierbare Stents speziell geeignet für die Carotis (4 – 6 mm, Länge 20 – 30 mm, gerade und konisch, z. B. für Mitbehandlung der A. carotis communis)
    • Gefäßinstrumentarium für die Konversion zur offenen OP falls Intervention versagt oder Komplikationen drohen
    • ggf. Protektions-Device bei erhöhtem Embolisationsrisiko

    Achtung:

    1. Protektions-Device: Jedes Sondierungsmanöver stellt per se ein Embolierisiko dar. Ohne Protektion sind zwei Sondierungen notwendig, mit Protektion mindestens drei. Da es sich im Filmbeispiel um eine narbige Re-Stenosierung handelt, wird auf ein Protektions-Device verzichtet.

    2. Für Carotis-Interventionen werden längere Drähte und Katheter benötigt als für interventionelle Prozeduren an den Beckenarterien oder der abdominellen Aorta.

  10. Postoperative Behandlung

    Postoperative Analgesie

    Folgen Sie hier dem Link zu PROSPECT (Procedures Specific Postoperative Pain Management) und zur aktuellen Leitlinie Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen.

    Medizinische Nachbehandlung

    • Überwachung auf Intermediare Care für 24 Stunden
    • Kreislaufüberwachung, insb. RR-Kontrolle
    • Laborkontrolle
    • neurologische Kontrollen: am OP-Tag postop. sowie 2.-3. Tag postop.
    • Duplexkontrolle ab 3. Tag postop.
    • ASS 100 1x1 , ggf. in Kombination mit Clopridogel

     Thromboseprophylaxe

    • i. Allg. niedermolekulares Heparin s.c. perioperativ alle 24 h    

     Mobilisation

    • nach 24 Stunden

    Krankengymnastik

    • nicht erforderlich

    Kostaufbau

    • 4 Stunden postoperativ

    Stuhlregulierung

    • nicht erforderlich

    Arbeitsunfähigkeit

    • ca. 2 Wochen