Bilaterale multinoduläre Knotenstruma mit
- Kompressionssymptomen
- Druckgefühl am Hals
- Schluckstörungen
- Luftnot oder ein Globusgefühl
- Trachea- oder Ösophagusverlagerung oder -einengung im CT/MRT
- Retrosternales Wachstum (Ausdehnung hinter das Brustbein)
- Obere Einflussstauung
- störender Kosmetik
- autonomem Adenom
- malignitätsverdächtigem Knoten
Bemerkung: Bei der benignen Struma nodosa galt lange Zeit die subtotale Resektion als Standardeingriff, bei dem ein „daumenendgliedgroßer“ Rest an Schilddrüsengewebe mit sicherer Entfernung zu Rekurrens und Nebenschilddrüsen (NSD) in situ belassen wird. Subtotale Resektionen hatten jedoch hohe Rezidivraten von bis zu 40 %, was zu einem Paradigmenwechsel hin zu einer radikaleren Resektion führte.
Zur definitiven Heilung sowohl bei der Knotenstruma als auch des M. Basedow ist häufig die (fast) totale Schilddrüsenentfernung erforderlich, da das gesamte Schilddrüsengewebe von der Erkrankung betroffen ist.
Morbus Basedow
keine Erstlinientherapie!
- Bei hohem Rezidiv- und Persistenzrisiko: Great-Score 4/5
Bemerkung: Der GREAT Score bei Morbus Basedow (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Score beim Schilddrüsenkarzinom!) ist ein prädiktives Scoring-System, das verwendet wird, um das Rezidivrisiko bzw. Remissionschance nach medikamentöser Therapie (Thyreostatika) bei Morbus Basedow (Graves' Disease) einzuschätzen. LINK zu Great Score
- Bei endokriner Orbitopathie
- Kinderwunsch
- Nebenwirkungen durch Thyreostatika
Weitere Indikationen für eine totale Thyreoidektomie:
- Medikamentös nicht beherrschbare Funktionsstörung (z.B. schwere jodinduzierte Hyperthyreose, Z.n. thyreotoxischer Krise)
- Hashimoto-Thyreoiditis mit ausgeprägten systemischen Beschwerden
Bei hohen TPO-AK-Titern, die der entscheidende Trigger für die systemische Erkrankung darstellen. Durch Entfernung des Triggers erhebliche Verbesserung der Beschwerden
Schilddrüsenkarzinom
Papilläres und follikuläres Schilddrüsenkarzinom T1a bis T4
- Eine Thyreoidektomie beim papillären Schilddrüsenkarzinom ist dann notwendig oder sinnvoll, wenn ein hohes Risiko für eine multifokale, aggressive oder metastasierende Tumorbiologie besteht, oder wenn eine komplette Nachverfolgbarkeit (z. B. via Thyreoglobulin) oder eine Radiojodtherapie angestrebt wird.
- Das follikuläre Schilddrüsenkarzinom FTC ist ein Schilddrüsenmalignom, das von Follikelzellen ausgeht, die nicht die charakteristischen Kernkriterien des papillären Schilddrüsenkarzinoms zeigen. Die Tumoren sind üblicherweise gekapselt und zeigen im Gegensatz zum Adenom invasives Wachstum in Form eines vollständigen Kapseldurchbruchs. Bei einem minimal-invasiven FTC ohne oder mit nur geringem Nachweis einer Angioinvasion und einer Größe ≤4 cm ist eine primäre oder sekundäre totale Thyreoidektomie nicht erforderlich.
- Klinisch, prognostisch und therapeutisch müssen Tumoren mit hohem Risiko für eine multifokale, aggressive oder metastasierende Tumorbiologie unterschieden werden. Vorteile einer Thyreoidektomie sind komplette Histopathologie, Möglichkeit der Radiojodtherapie, Thyreoglobulin-Monitoring und bessere Prognoseabschätzung.
- Vorteile einer Hemithyreoidektomie sind Risiko des Hypopara < 1% gegenüber 10,8 % permanent bei Thyreoidektomie, Restschilddrüse mit eigener SD-Funktion, bessere LQ (Lebensqualität) in der frühpostoperativen Phase, geringere Gesamtkrankheitskosten. Nachteil anspruchsvolle sonographische Nachsorge durch Spezialisten ggf. höhere Rate an Zweiteingriffen.
- Beim follikulären Schilddrüsenkarzinom unterscheidet man eine minimal-invasive Form mit und ohne Angioinvasion von einem breitinvasiven Tumor. Eine Sonderform ist das onkozytäre Karzinom (Hürthle-Zell-Karzinom) eine Variante mit häufig aggressiverem Verlauf.
- Bei den differenzierten Schilddrüsenkarzinomen wird die primäre oder sekundäre totale Thyreoidektomie auch bei Fernmetastasierung empfohlen, insbesondere um eine postoperative Radiojod-Therapie zu ermöglichen.
- Bei einem organkapselüberschreitendem T4a Tumor sollte grundsätzlich eine Zervikoviszeralresektion in Erwägung gezogen werden.
LINK TNM
Gering differenziertes Schilddrüsenkarzinom (PDTC, poorly differentiated thyroid carcinoma)
- erstmals 2004 durch die WHO als eigenständige Entität definiert, die prognostisch zwischen den differenzierten und undifferenzierten Karzinomen stehen. Auch bei einer Fernmetastasierung soll eine komplette Tumorresektion mit totaler Thyreoidektomie und postoperativer Radiojod-Therapie durchgeführt werden. Dabei ist die Radioiod-Aufnahme oft eingeschränkt.
Undifferenziertes (anaplastische) Karzinome (UTC) (T4a N0/1 M0/1)
- Falls resektabel Thyreoidektomie als radikale Tumorresektion bei bilateralem Befall plus multimodale Therapie
Medulläres Schilddrüsencarcinom (mit zentraler Kompartmentresektion bei pathologischen Kalzitoninwerten)
- Das medulläre Schilddrüsenkarzinom („medullary thyroid carcinoma“, MTC) betrifft ca. 5 % aller Schilddrüsenkarzinome und ist durch einige Besonderheiten gekennzeichnet: Die deutlich häufigeren, differenzierten Schilddrüsenkarzinome (DTC) gehen von den Schilddrüsenhormon-produzierenden Zellen selbst aus und nehmen daher Jod auf. Dagegen leitet sich das MTC von den Calcitonin-produzierenden C-Zellen ab. Diese liegen zwischen den Hohlraumstrukturen des Schilddrüsengewebes und nehmen kein Jod auf. Damit entfällt auch die Möglichkeit einer klassischen Radiojodtherapie.
- Das MTC sezerniert Calcitonin (Ctn) und Carcinoembryonales Antigen (CEA). Es kann nur durch eine Operation geheilt werden. In ca. 75% kommt es sporadisch und in ca. 25 % hereditär meist im Rahmen der multiplen endokrinen Neoplasie Typ 2 (MEN2) in Assoziation mit Phäochromozytomen und/ oder primärem Hyperparathyreoidismus vor. Bei MEN2-Verdacht soll vor der Operation zum Ausschluss bzw. Nachweis eines Phäochromozytoms oder Hyperparathyreoidismus eine entsprechende Diagnostik (Plasma-, Urin-Metanephrine, Serumkalzium, Parathormon) durchgeführt werden.
- Bei biochemisch nachgewiesenem MTC (bei Frauen ab 30 pg/ml, bei Männern ab 60 pg/ml Calcitonin) wird eine totale Thyreoidektomie empfohlen, da auch 10% der sporadischen MTCs multifokal (bilateral) auftreten.
- Die Thyreoidektomie soll durch eine zentrale und ggf. laterale zervikale LK-Dissektion ergänzt werden, da eine frühzeitige lokale/regionäre Metastasierung stattfinden kann, und auch Mikro-MTCs (≤10mm) mit Lymphknotenmetastasen assoziiert sein können (Ausnahme fehlender Desmoplasie-Nachweis im Gefrierschnitt). Spätestens bei einem basalen Ctn >200pg/ml soll auch eine kontralaterale laterale LK-Dissektion erfolgen.
- Bei V.a. MTC im Rahmen der MEN2 soll eine Keimbahnanalyse des RET-Gens durchgeführt werden, der molekulargenetische Nachweis einer aktivierenden pathogenen Keimbahn-Variante des RET-Gens ist beweisend für ein MEN2 Syndrom. Alle Betroffenen mit MTC sollten eine genetische Beratung erhalten.
- Post-OP Zufallsbefund nach nicht totaler Thyreoidektomie: keine Nach-OP wenn Calcitonin unterhalb der Nachweisgrenze.
Lymphknotendissektion
- Bei nodal-positiven SD-Karzinomen stellt die totale Thyreoidektomie mit Dissektion der ersten LK-Station im sog. zentralen Kompartment das Verfahren der Wahl dar.
- Eine prophylaktische LK-Dissektion wird auch beim PTC in der Regel nicht routinemäßig empfohlen, sondern nur bei höherem Risiko oder klinischem/intraoperativem Verdacht. Die Entscheidung erfolgt individuell und sollte im interdisziplinären Tumorboard oder nach Leitlinie getroffen werden.
- Das zentrale Kompartment umfasst den anatomischen Raum zwischen den Karotiden beider Seiten als lateraler Begrenzung, dem Zungenbein kranial und der V. brachiocephalica kaudal.
- Die organbezogenen Bestandteile des zentralen Halsbereichs sind die beiden Schilddrüsenlappen, die kurze gerade Halsmukulatur (M. sternohyoideus, M. sternothyreoideus) und die zentralen LK (prä- und paratracheal, prälaryngeal).