1. Frühverlauf (≤ 30 Tage postoperativ)
Nachblutung, Hämatom
- Ursachen: technische Fehler wie z. B. Nahtinsuffizienz, Abrutschen von Ligaturen, unzureichende Hämostase; auch Stichkanalblutungen, iatrogene Gefäßläsionen, OP unter Thrombozytenaggregationshemmung
- Therapie: notfallmäßige Versorgung aktiver und hämodynamisch relevanter Blutungen; großzügige Indikation zur Hämatomausräumung da Nährboden für Infektion und u.U. auch Kompression anderer Strukturen (Kompartmentsyndrom)
- Prophylaxe: sorgfältige Präparation, subtile Hämostase
Frühverschluss der arteriellen Rekonstruktion durch Thrombose/Embolie
- Ursache: meist technischer Fehler
- Diagnose: farbkodierte Duplexsonographie, ggf. Angio-CT
- Therapie: gefäßchirurgische Revision, ggf. Embolektomie; Überprüfung Gerinnungsstatus
- Prophylaxe: sorgfältige, atraumatische, anatomisch korrekte Operationstechnik
Wundinfektion
- Diagnose: Lokalbefund, Labor, Fieber
- Therapie: wenn unvermeidbar Eröffnung der Wunde, Abstrich, Debridement, ggf. Vakuumversiegelung („VAC“-Therapie), resistogrammgerechte Antibiose
- Cave: bei Vorhandensein von alloplastischem Material (Gefäßprothese) kann immer auch eine Protheseninfektion ursächlich sein, umgekehrt kann ein Wundinfekt auch auf alloplastisches Material übergreifen!
- Prophylaxe: sorgfältige, atraumatische, anatomisch korrekte Operationstechnik, subtile Hämostase, Vermeidung von Lymphgefäßläsionen
Protheseninfektion
- Riskofaktoren: Alter, Diabetes, Adipositas, Malnutrition, Gangrän/Ulkus, Dauer der präop. Hospitalisierung, Op-Dauer, inguinaler Zugang, Blutverlust, Reinterventionen, Lymphozelen, Hämatome, Serome, Wundheilungsstörungen, Wundinfekte
- variable Klinik: relativ blande Befunde (Erhöhung Entzündungsparameter), fieberhafte Infekte bis hin zu dramatischen Verläufen mit aktiver Blutung/Perforation, Arrosionen von Nachbarorganen mit Fistelbildungen
- Diagnostik: klinischer Befund, Laborparameter inkl. Wundabstrich und Blutkultur, abdominelle Sonographie (Umspülung der Prothese) oder CT-Angiographie (prothesennahe Lufteinschlüsse als Hinweis auf mikrobielle Besiedlung), farbkodierte Duplexsonographie; Granulozytenszintigraphie, Fluordesoxyglucose-Positronenemissionstomographie-CT (prothesennahe Stoffwechselaktivität)
- Therapie: operative Infektsanierung (gefäßchirurgische Revision, Prothesenausbau bzw. -wechsel ggf. gegen silber- oder antibiotikabeschichtete Prothese), resistogrammgerechte Antibiose
- Prophylaxe: sorgfältige, atraumatische, anatomisch korrekte Operationstechnik, subtile Hämostase, Vermeidung von Lymphgefäßläsionen
Kompartmentsyndrom
- Ursache: Reperfusion nach kompletter oder inkompletter Ischämie führt zu einer Schädigung der kapillären Membran mit erhöhter Permeabilität und Ödembildung in den Weichteilen, dadurch Druckerhöhung in den Muskellogen mit Gewebsuntergang
- Klinik: s. Red Flags
- Diagnostik: Klinik, s. Red Flags; Objektivierung durch intrakompartmentelle Druckmessung (Grenzbereich zwischen 30 und 50 mm Hg über 6 Stunden ist pathologisch wie auch Druckwerte über 50 mm Hg)
- Therapie: umgehende Dermatofasziotomie mit vollständiger Längsspaltung aller Muskellogen; später Dermatotraktion über Kunsthaut oder Vakuumversiegelung, Spalthaut
Lymphfistel, Lymphozele
- Risiko: Zugangsweg über der Regio inguinalis prädestiniert für die Läsion von Lymphgefäßen
- Diagnose: klinischer Lokalbefund
- Therapie: Lymphozelen unter Beachtung der Infektionsgefahr konservativ; Lymphfisteln sollten prolongiert ohne Sog drainiert bleiben, alternativ nach Ausschluss einer Infektion Injektion von Fibrinkleber oder auch Revision mit Umstechungsligatur (Methylenblau, Lupenbrille), sehr selten plastische Deckung
- Prophylaxe: Schonung der Lymphgefäße durch lateralen Zugang, lymphatisches Gewebe nach ventral-medial transponieren
Kolonischämie, Ischämie der Beckenorgane
- Ursache: Ligatur/Ausschaltung der A. mesenterica inferior, weshalb am häufigsten das Colon sigmoideum (86 %) und das Colon descendens (60 %) betroffen sind
- Klinik: blutige Stuhlangänge, Diarrhoen, abdominelle Schmerzen, Peritonitis
- Diagnostik: Rektosigmoidoskopie, ggf. Koloskopie (Cave: erhöhte Perforationsgefahr!); Laborchemie ist unspezifisch!
- Therapie: konservativ-abwartend nur bei transienter Mukosaischämie/Schweregrad A, ansonsten lokalisationsabhängige Darmresektion, ggf. Hartmann-OP
- Prophylaxe: bei Primäreingriff Reimplantation der A. mesenterica inferior in Gefäßprothese sollte großzügig erfolgen, wenn sich intraoperativ Zeichen einer Ischämie während der Abklemmung zeigen
Harn- oder Stuhlinkontinenz, gluteale Claudicatio bis hin zu Nekrosen des Gesäßes und sexuelle Funktionsstörungen können durch Beeinträchtigung der Äste der Aa. Iliacae internae entstehen.
Spinale Ischämie und Paraplegie („ischemic spinal cord injury“ – SCI)
- Ursache: Minderdurchblutung des Rückenmarks durch offenen Aortenersatz oder dem endovaskulären Überstenten von rückenmarksrelevanten Arterien in Kombination mit weiteren Risikofaktoren wie perioperative Hypotension, größere Blutverluste/Anämie; besonders bei thorakalen/thorakoabdominellen Eingriffen
Kommt es zur Kompromittierung von mindestens zwei Territorien der Spinalperfusion, steigt die Wahrscheinlichkeit einer spinalen Ischämie.
- Klinik: reicht von kleinen transienten Sensibilitätseinschränkungen über Funktionsstörungen der Kontinenzorgane bis zur kompletten Paraplegie mit lebenslanger Bettlägerigkeit und Pflegebedürftigkeit
- Therapie: Erhöhung des spinalen Perfusionsdruckes, z. B. medikamentöse Anhebung des arteriellen Mitteldrucks und Anlage einer Liquordrainage zwecks Senkung des Gegendrucks der arteriellen Perfusion in den Liquorräumen
- Prophylaxe: Vermeiden von intra- und postoperativen hypotensiven Phasen sowie nach Segmentarterienverschluss den Erhalt eines mittleren arteriellen Drucks von 80–90 mm Hg über mindestens 48 h; Anlage einer prophylaktischen spinalen Liquordrainage, wenn mindestens zwei Territorien der spinalen Durchblutung (s. o.) beeinträchtigt sind und nicht durch revaskularisierende Maßnahmen (z. B. A. carotis-A. subclavia-Bypass) wiedereröffnet werden können; perioperativ suffiziente zentralvenöse Sättigung (ScvO2) von ≥70 % sowie intraoperativ zentralvenöser Druck (ZVD) von ≤10 mm Hg, Hämoglobin-Wert ≥ 8 mg/dl bzw. intraoperativer Blutverlust so gering wie möglich halten, Cell-Saver; postop. zügige Extubation, um neurologischen Status erheben zu können, Verlaufskontrollen
systemische Komplikationen
- z. B. akutes Koronarsyndrom, Myokardinfarkt, Pneumonie, zerebrovaskuläre Ereignisse, Niereninsuffizienz -> adäquate, interdisziplinäre Therapie
Spätverlauf (> 30 Tage postoperativ)
Aneurysma spurium
- Ursache: Einblutung in das umgebende Gewebe mit Bildung eines extravsalen, pulsierenden Hämatoms nach Gefäßpunktion, im Bereich von Anatosmosen und Patchplastiken, auch durch Infektionen/Nahtbruch
- Diagnostik: farbkodierte Duplexsonographie (kreisender Blutfluss paravasal, Nachweis eines Aneurysmahalses mit Pendelflow)
- Therapie: bei kleinen, symptomlosen Aneurysmen zuwarten, ansonsten endovaskuläre oder offene Ausschaltung
Spätverschluss der arteriellen Rekonstruktion durch Stenose
Nahtaneurysma
- Ursache: Nahtbruch, tiefer Anschluss der aortalen Anastomose, turbulente Strömung, Thrombendarteriektomie, Infektion, Prothesendegeneration
- Klinik: je nach Lokalisation z. B. pulsierender Tumor inguinal, auch hämorrhagischer Schock bei Ruptur
- Diagnostik: farbkodierte Duplexsonographie, Angio-CT
- Therapie: gefäßchirurgische Revision, endovaskuläre Intervention
Sexuelle Dysfunktion (bei Männern)
- Ursache: neurogen durch intraoperative Läsion des Plexus hypograstricus, der sich vor der Bauchaorta bzw. der Aortenbifurkation und den Iliakalarterien befindet und über den die Impulse für Erektion u. Ejakulation laufen; vaskulär durch Mikroembolien, die beim Abklemmen der Aorta in die penilen Arterien gelangen oder uni-/bilaterale Unterbrechung der A. hypogastrica bei der Ausschaltung gleichzeitig auftretender Iliakalarterienaneurysmen
- Klinik: temporäre und irreversible Erektions- und Ejakulationsstörungen
- Prophylaxe: Schonung des Plexus hypogastricus durch Aortotomie rechts ventrolateral oder entsprechende Platzierung u. Tunnelierung des linken Schenkels eines aorto(bi)iliakalen oder -femoralen Bypasses; alternativ links primär retroperitonealer Zugang; Erhaltung der antegraden Perfusion der A. iliaca interna mindestens unilateral, besser beidseits
Sekundäre aortointestinale/paraprothetische Fistel
- Definition: Verbindung zwischen Aortenprothese und Darmlumen (meist Pars horizontalis oder ascendens duodeni, auch Kolon), iliako-ureterale Fistel extrem selten
- Ursache: späte Nahtinsuffizienz, Nahtaneurysma, Spätinfektion, fehlende Gewebsabdeckung der Prothese, Arrosion der Darmwand durch die Prothese mit Prothesenmigration in das Darmlumen
- Klinik: massive intestinale Blutung, auch kleinere, intermittierende Blutabgänge möglich
- Diagnostik (sofern Patient kreislaufstabil): abdominelle Sonographie, Angio-CT, Endoskopie (Ösophagogastroduodenoskopie/Koloskopie)
- Therapie: gefäßchirurgische Revision -> Explantation, Darmnaht, kompletter/parieller Prothesenaustausch, Omentumplastik
- Prophylaxe: bei der Primäroperation ausreichende Abdeckung des alloplastischen Aortenersatzes oder -bypasses im Retroperitoneum mit sicherer Isolierung gegen das Intestinum
persistierendes Lymphödem
- manuellen Lymphdrainage und bei suffizienter arterieller Perfusion (!) konsequente Kompressionsbehandlung
Narbenhernie
- operative Versorgung nach den gültigen Standards der Hernienchirurgie (Netzimplantation in Sublay- oder Onlay-Technik oder laparoskopisch mittels intraperitonealer Onlay-Mesh-Technik)