In der Vergangenheit wurde bei postmenopausalen Frauen die Erhaltung der Ovarialfunktion oft vernachlässigt, weil man annahm, dass die Ovarien nach der Menopause nicht mehr aktiv sind. Neuere Studien haben jedoch gezeigt, dass Frauen, die ihre Ovarialfunktion bis zum Alter von 65 Jahren erhalten, eine niedrigere Gesamtmortalität aufweisen als jene, die sich einer elektiven Oophorektomie unterzogen haben. Frauen, die vor dem 55. Lebensjahr eine Oophorektomie durchführen lassen, haben bis zum Alter von 80 Jahren eine um 8,58 % höhere Sterblichkeit, und bei einer Oophorektomie vor dem 59. Lebensjahr beträgt die erhöhte Sterblichkeitsrate 3,92 %. Diese Vorteile der Ovarialerhaltung bleiben bis zum Alter von 75 Jahren bestehen, obwohl der Nutzen abnimmt und die Übersterblichkeit bei einer Oophorektomie weniger als 1 % beträgt
Zusätzlich zeigen die Daten, dass Frauen unter 65 Jahren eindeutig von der Erhaltung der Ovarien profitieren. Eine Oophorektomie erhöht in dieser Altersgruppe das Risiko, an einer koronaren Herzerkrankung zu sterben. Nach dem 65. Lebensjahr verschiebt sich die erhöhte Sterblichkeitsrate hauptsächlich auf Hüftfrakturen. Da Ovarialkrebs, ausgenommen Fälle mit dokumentierten Keimbahnmutationen und familiären Hochrisikostammbäumen, eine relativ seltene Todesursache darstellt, zeigt sich keine signifikante Reduktion der Sterblichkeit durch eine Oophorektomie vor dem 65. Lebensjahr.
In einer überarbeiteten Analyse dieser Daten zeigte, dass Patientinnen mit einer Hysterektomie und Oophorektomie ab 50 Jahren ähnliche Überlebensraten bis zum 80. Lebensjahr hatten, jedoch gibt es Einschränkungen der Studienergebnisse, da überwiegend weiße Patientinnen in den Studienkohorten waren und der Salpingektomie-Status unbekannt war.
Aus diesem Grund sollte eine Bewertung des Ovarialkarzinomrisikos vor geplanten gynäkologischen Eingriffen untersucht werden. Diese Untersuchung umfasst unter anderem die Ermittlung der familiären Krankengeschichte, genetischer Dispositionen und individueller Gesundheitsrisiken. Eine umfassende Analyse ist notwendig, um präventive Maßnahmen und individuelle Behandlungspläne zu entwickeln.
Obwohl eine bilaterale Oophorektomie das Risiko, an Eierstockkrebs zu erkranken, erheblich senkt, beseitigt sie es nicht vollständig. Eine zusätzliche Salpingektomie kann das Risiko weiter reduzieren. Studien haben ergeben, dass die Eileiter häufig der Ursprungsort für die meisten epithelialen Ovarialkarzinome, Tubenkarzinome und Peritonealkarzinome sind.
2010 schlug das Forschungsteam für Ovarialkrebs der British Columbia Ovarian Cancer Research (OVCARE) die prophylaktische Salpingektomie als Strategie zur primären Prävention von Eierstockkrebs vor, dies basierte auf folgenden Beobachtungen:
- Karzinogenese: Die meisten Ovarialkarzinome, besonders die high grade seröses Karzinom entsteht aus dem Epithel des distalen Eileiters und nicht aus dem Eierstock selbst
- Bei Patientinnen mit hohem Risiko für Eierstockkrebs (z. B. Patientinnen mit BRCA1- und BRCA2-Mutationen), erfolgte eine risikoreduzierende bilaterale Salpingo-Oophorektomie, hier wurden okkulten Eileiterkarzinomen und/oder prämalignen Läsionen am Eileiter gefunden, welche am Eierstock nicht gefunden werden konnte.
- Es wurden außerdem prämaligne Läsionen an Eileiter von Patientinnen mit durchschnittlichem Risiko gefunden. Hier erfolgte eine Salpingektomie aus benignen Gründen z.B. bei einer Sterilisation oder bei einer Hysterektomie.
- Es konnte gezeigt werden, dass die Beteiligung der Eileiter bei bis zu 75 Prozent der Patientinnen mit der Diagnose von Ovarial- oder primärem Bauchfell- serösem Karzinom (mit und ohne BRCA-Mutationen) lag, einschließlich des Vorhandenseins von fimbrialen Präkanzerosen bis 60 Prozent.
- Auch eine Tubenligatur kann das Risiko für Eierstockkrebs reduzieren, wobei große retrospektive Studien eine größere Risikoreduktion für nicht seröse Histologien (insbesondere endometrioide und klarzellige Karzinome) zeigen konnten.
Risikoreduktion für Eierstockkrebs
Nurses' Health Study (NHS):
- Prospektive Kohortenstudie mit ca. 30.000 Teilnehmerinnen.
- Durchschnittsalter bei der Operation: 43 bis 47 Jahre.
- Nachbeobachtungszeit: bis zu 28 Jahre.
- Weniger Todesfälle durch Eierstockkrebs in der Gruppe mit Hysterektomie und bilateraler Oophorektomie im Vergleich zur Hysterektomie allein (4 versus 44 Todesfälle; HR 0,06, 95% CI 0,02-0,17).
Women's Health Initiative (WHI) Observational Study:
- Prospektive Studie mit 25.448 Frauen.
- 56 % der Teilnehmerinnen hatten eine gleichzeitige BSO.
- Durchschnittliche Nachbeobachtungszeit: 7,6 Jahre.
- Weniger Fälle von Eierstockkrebs in der bilateraler Salpingo-Oophorektomie-Gruppe (2 versus 33 pro 10.000 Frauen).
- Einschränkungen: Kurze Nachbeobachtungsdauer und langer Zeitraum zwischen Operation und Studienaufnahme.
Kanadische Kohortenstudie:
- Umfasst über 195.000 Patientinnen zwischen 1996 und 2010.
- 24 % der Patientinnen hatten eine gleichzeitige bilateraler Salpingo-Oophorektomie.
- Kumulative 20-Jahres-Inzidenzrate für Eierstockkrebs war niedriger in der bilateraler Salpingo-Oophorektomie-Gruppe (0,08 % versus 0,46 %; absolute Risikodifferenz 0,38 %, 95% CI 0,32-0,45).
Risikoreduktion für Brustkrebs
Nurses' Health Study (NHS):
- Reduktion der Brustkrebsinzidenz nur bei Patientinnen, die den Eingriff im Alter von 47,5 Jahren oder jünger durchführten.
WHI Observational Study:
- Reduktion des Brustkrebsrisikos nur bei Patientinnen, die eine Oophorektomie im Alter von unter 40 Jahren durchliefen und keine Östrogentherapie erhielten.
Meta-Analyse von 21 Kohortenstudien:
- Patientinnen unter 45 Jahren, die gleichzeitig eine bilaterale Salpingo-Oophorektomie (BSO) hatten, hatten ein geringeres Risiko, an Brustkrebs zu erkranken (HR 0,75, 95% CI 0,69-0,82; fünf Studien).
- Brustkrebsinzidenzraten waren bei Patientinnen über 50 Jahren ähnlich (vier Studien).
Schlussfolgerung zur Wahl der Oophorektomie
Prämenopausale Patientinnen:
- Erhaltung der Eierstöcke bevorzugt
- Bilaterale Oophorektomie hat langfristige gesundheitliche Konsequenzen.
- Ausnahme: Oophorektomie bei anderen Beckenpathologien (z.B. Endometriose, Beckenschmerzen).
Menopausale Patientinnen:
- Oophorektomie kann gesundheitlich neutral sein, jedoch in Studien nicht einheitlich
- Ab 51 Jahren für Krebsprävention möglich, jedoch nach Aufklärung über Vor- und Nachteile
Referenz:
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- Rush SK, Ma X, Newton MA, Rose SL. A Revised Markov Model Evaluating Oophorectomy at the Time of Hysterectomy for Benign Indication: Age 65 Years Revisited. Obstet Gynecol 2022; 139:735.
- Parker WH, Broder MS, Chang E, et al. Ovarian conservation at the time of hysterectomy and long-term health outcomes in the nurses' health study. Obstet Gynecol 2009; 113:1027.
- Parker WH, Feskanich D, Broder MS, et al. Long-term mortality associated with oophorectomy compared with ovarian conservation in the nurses' health study. Obstet Gynecol 2013; 121:709.
- Jacoby VL, Grady D, Wactawski-Wende J, et al. Oophorectomy vs ovarian conservation with hysterectomy: cardiovascular disease, hip fracture, and cancer in the Women's Health Initiative Observational Study. Arch Intern Med 2011; 171:760.
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