Perioperatives Management - Nabelhernienreparation, offen, präperitoneale umbilikale Mesh-Plastik („PUMP“-Repair)

  1. Indikationen

    In Anbetracht einer Inkarzerationsrate von 30 % mit einer Letalität von bis zu 15 % besteht kein Zweifel an der Indikation zur operativen Versorgung von  ventralen Bauchwandhernien. Eine Ausnahme stellen kleine Nabelhernien dar, deren Faszienlücke unter 0,5 cm liegt und daher nur ein geringes Inkarzerationsrisiko haben.

    Eine Hernienversorgung durch direkte Naht ist nach den Guidelines der European und American Hernia Society bis zu einem Bruchlückendurchmesser von < 1 cm möglich, sofern keine Adipositas (BMI > 30) und/oder Rektusdiastase bestehen.

    EHS (European Hernia Society) und AHS (American Hernia Society) sehen die Grenze für die Verwendung eines Netzes bei > 1 cm. Nur bei Defekten von 0 - < 1 cm sollte ein Nahtverfahren gewählt werden mit einem Ermessensspielraum bei Defekten zwischen 1 - 2 cm. Bis 4 cm wird eine präperitoneale Netzplastik empfohlen, alternativ kommen auch minimal-invasive Sublay-Techniken (E/Milos, eTEP, TES), insbesodere bei Vorliegen einer Rektusdiastase zum Einsatz.

    Runde selbstexpandierende Netze sind obsolet, da keine breitflächige Parietalisierung, welche nur laparoskopisch möglich ist, erfolgt. Grund ist die Anatomie der im Nabel konfluierenden Plicae, die die Entfaltung dieser Netze verunmöglichen. Der präperitoneale Raum ist die eigentliche optimale Schicht für umbilikale Netze.

    Im Beitrag vorgestellt wird die offene präperitoneale, umbilikale Mesh-Plastik = PUMP-Repair.

    Dabei handelt es sich um eine präperitoneale Netztechnik mit Defektverschluss nach Einbringung eines Netzes, das den Defekt allseitig 3 cm überlappen soll. Deshalb muss das Peritoneum allseitig 3 cm um den Defekt herum von der Bauchwand abpräpariert werden.

    Bei der offenen Versorgung ventraler Hernien wird die Bruchpforte grundsätzlich nur gedehnt, aber nicht chirurgisch erweitert. Eine Erweiterung der Bruchpforte würde eine primäre Hernie in eine inzisionale verwandeln mit deutlich höherer Rezidivrate.

    Bei Adipositas liegen Daten mit geringerer Wundkomplikationsrate für das lap IPOM im Vergleich zu offenen Verfahren vor.

    Bei Defekten > 4 cm sollte wie bei Narbenhernien vorgegangen werden.

  2. Kontraindikationen

    • Bei elektiven Eingriffen sind infektfreie Hautverhältnisse obligat, Druckulzera und oberflächliche Hautinfektionen sind zunächst primär konservativ zu behandeln.
    • Die Indikation zur Hernienreparation bei Patienten mit einer Leberzirrhose und Aszitis sollte kritisch abgewogen werden, ggf. ist eine präoperative Optimierung der Leberfunktion zu erwägen. Bei schwerwiegende Gerinnungsstörungen (Quick < 50 %, PTT > 60 s, Thrombozyten < 50 / nl) und einer ausgeprägte portale Hypertension mit Caput medusae sollte insbesondere wegen der Gefahr einer unkontrollierbaren Blutung aus Bauchwandgefäßen von einer Operation Abstand genommen werden.
    • Wichtig ist auch eine gute, nicht durch akute Infekte kompromittierte respiratorische Situation. Bei respiratorischen Infekten ist ein elektiver Eingriff unbedingt aufzuschieben.
  3. Präoperative Diagnostik

    Anamnese

    • Dauer und Progredienz der Hernie
    • Bei rascher Größenzunahme ist ein pathologisches intraabdominelles Geschehen auszuschließen!

    Klinische Untersuchung

    Die Bauchwandhernie ist eine klinische Diagnose und lässt sich meist am stehenden Patienten bereits gut erkennen. Es bietet sich an, den Patienten zusätzlich in entspannter, liegender Position zu untersuchen. Wenn man den Patienten auffordert, den Oberkörper anzuheben, lässt sich bei reponiblen Narbenhernien der Faszienrand, das Ausmaß des Fasziendefektes und die umgebenden Muskeln meist beurteilen.

    Sonografie der Bauchdecke

    • gesamte Mittelinie von Xyphoid bis zum Unterbauch
    • Beschaffenheit der Linea alba: weitere Fasziendefekte, Rektusdiastase
    • CT nur in Sonderfällen

     Klassifikation primärer ventraler Hernien

     

     

    Klein=Small (S)

    Mittel=Medium (M)

    Groß=Large (L)

     

     

    < 2 cm 

    ≥ 2 - < 4 cm

    ≥ 4 cm 

    Mittellinie

    Epigastrisch

     

     

     

     

    Umbilikal

     

     

     

    Lateral

    Spieghel

     

     

     

     

    Lumbal

     

     

     

     Klassifikation sekundärer ventraler Hernien (Narbenhernien)

    Narbenhernie_PM.jpg

    Die Klassifikation der sekundären Bauchwandhernien orientiert sich zunächst an einer medialen oder lateralen Defektlokalisation in der Bauchwand.

    Die Defektlokalisation medialer Hernien wird dann in subxiphoidal, epigastrisch, umbilikal, infraumbilikal und suprapubisch genauer eingegrenzt. Lateral werden die Defekte in subkostal, lateral, iliakal und lumbal eingeteilt.

    Weitere Berücksichtigung findet die Defektbreite der Narbenhernien: W1 (< 4 cm), W2 (4 - 10 cm) und W3 (> 10 cm).

    Bestehen mehrere Herniendefekte (Gitterhernie, Swiss-cheese-Hernie) so wird deren Größe durch die Gesamtlänge, -breite bestimmt.

  4. Spezielle Vorbereitung

    • Kontrolle von Infektsituationen
    • Medikamentenmanagement  bei Immunsuppression oder Antikoagulation
    • Kontrolle kardialer und pulmonaler Risikofaktoren
    • Single-Shot Antibiotikum i.v. perioperativ (wegen Verwendung von Fremdmaterial/Mesh) ggf. Fortführung der Therapie bei intraoperativen Anzeichen einer Entzündung oder bakterieller Kontamination.
  5. Aufklärung

    • Wundheilungsstörungen
    • Rezidiv
    • Hämatome, Nachblutungen
    • Darmverletzung
    • Verletzung naheliegender Strukturen
    • postoperativer Ileus
    • Infektion
    • Thrombose
    • Embolie
    • Reoperation
    • Belastungseinschränkung temporär postoperativ
    • Chronisches Schmerzsyndrom
    • Nabelhautnekrose
  6. Anästhesie

  7. Lagerung

    Lagerung
    • Rückenlage, ggf. ein Arm ausgelagert
  8. OP-Setup

    OP-Setup

    Der Operateur steht rechts vom Patienten, der Assistent steht ihm gegenüber.
    Die instrumentierende OP-Pflegekraft steht fußwärts auf der Seite des Assistenten.

  9. Spezielle Instrumentarien und Haltesysteme

    Implantat:

    • Nicht-resorbierbares, großporiges, oberflächenreduziertes Kunststoffnetz
    • Alternativ, wie im Filmbeispiel, Verwendung eines Bio-Netzes
  10. Postoperative Behandlung

    Postoperative Analgesie
    Nicht-steroidale Antirheumatika sind in der Regel ausreichend, ggf. kann eine Steigerung mit opioidhaltigen Analgetika erfolgen.
    Folgen Sie hier den Links zu PROSPECT (Procedures Specific Postoperative Pain Management) und den aktuellen Leitlinien zur Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen.

    Medizinische Nachbehandlung
    Patienten über die reduzierte Belastbarkeit der Bauchdecke informieren!

    Thromboembolieprophylaxe
    Bei fehlenden Kontraindikationen sollte aufgrund des mittleren Thrombembolierisikos (operativer Eingriff > 30 min Dauer) neben physikalischen Maßnahmen niedermolekulares Heparin in prophylaktischer ggf. in gewichts – oder dispositionsrisikoadaptierter Dosierung bis zum Erreichen der vollen Mobilisation verabreicht werden.
    Zu beachten: Nierenfunktion, HIT II (Anamnese, Thrombozytenkontrolle)
    Folgen Sie hier dem Link zur aktuellen Leitlinie Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE)

    Mobilisation
    Sofort
    Wiederaufnahme normaler körperlicher Tätigkeiten nach Abschluss der Wundheilung.
    Nach 3 - 4 Wochen sollten schwerere Körperbelastung und Sport wieder möglich sein.

    Krankengymnastik
    Nicht erforderlich

    Kostaufbau
    Sofort, ohne Einschränkung

    Stuhlregulierung
    Nicht erforderlich

    Arbeitsunfähigkeit
    Je nach ausgeübtem Beruf 7 – 14 Tage