Perioperatives Management - Iliakomesenterialer Venenbypass bei Verschluss der A. mesenterica superior

  1. Indikationen

    • Angina abdominalis bei abgangsnaher, kurzstreckiger Arteria mesenterica superior (AMS)-Stenose oder Verschluss bei unzureichender Kollateralversorgung via Truncus coeliacus
    • fehlende Indikation zur interventionellen Behandlung, z. B. bei  langstreckigen Abgangsstenosen/Verschlüssen der AMS)
    • Versagen einer interventionellen Behandlung

    Filmbeispiel: abgangsnaher Verschluss der AMS mit Verschluss des Truncus coeliacus

    PM 310-1
    DSA der abdominellen Aorta a.p.: Verschluss der Arteria mesenterica inferior und des Truncus coeliacus
    PM 310-2
    DSA der abdominellen Aorta seitlich: Verschluss der Arteria mesenterica inferior und des Truncus coeliacus
    PM 310-3
    DSA der abdominellen Aorta seitlich: Verschluss der Arteria mesenterica inferior und des Truncus coeliacus, späte Auffüllung des Truncus coeliacus über kollaterale Versorgung
    PM 310-4
    DSA der abdominellen Aorta a.p.: Sondierung der Arteria mesenterica inferior (IMA) und Darstellung der Arteria mesenterica inferior über die IMA

    Ischämiegrad und allgemeine Operationsindikation

    Stadium

    Symptomatik

    OP-Indikation

    I

    asymptomatisch

    fakultativ bei simultanen Gefäßverschlüssen, Eingriffen an der Aorta oder Beckenstrombahn

    II

    Angina abdominalis = postprandiale, krampfartige Abdominalschmerzen, Kachexie

    absolute OP-Indikation

    III

    abdominaler Ruheschmerz

    absolute OP-Indikation

    IV

    akutes Abdomen bei Mesenterialinfarkt, Darmgangrän, ggf. Durchwanderungsperitonitis

    Notfallindikation

  2. Kontraindikationen

    • langstreckige und multifokale Stenosen der AMS > 6 cm sind offen meist nicht rekonstruierbar
    • multisegmentale Verschlussprozesse der AMS, z. B. bei Endangitis obliterans Winiwarter-Buerger oder Lupus erythematodes
    • ASA IV
    • COPD Cold IV
  3. Präoperative Diagnostik

    Das Wichtigste vorab:

    1. Chronische viszerale Ischämiesyndrome: Nur die bildgebende Diagnostik führt weiter!

    2. Meist bestehen multiple (vaskuläre) Komorbiditäten -> eingehende gefäßchirurgisch-angiologische Untersuchung.

    3. Abklärung/Ausschluss anderer abdominaler Erkrankungen, v. a. von Malignomen, sollte erfolgen.

    4. Verschleppungszeit  > 12 Monate, weil die Erkrankung zu spät in Erwägung gezogen wird.

    Anamnese

    Typische Trias bei Minderperfusion der AMS:

    • postprandiale Bauchschmerzen, die kurz (ca. 20 Min.) nach Nahrungsaufnahme einsetzen und nach 3-4 h wieder abklingen (Angina abdominalis)
    • reaktive Nahrungskarenz  -> Gewichtsverlust, Muskelschwund, Adynamie („small-meal-syndrome“)

    Das Fehlen eines Gewichtsverlustes ist kein Ausschlusskriterium!

    Eine Ischämie des Truncus coeliacus-Versorgungsgebietes führt zu Übelkeit, Erbrechen und Meteorismus; Obstipationen resultieren eher bei Erkrankungen der A. mesenterica inferior.

    Duplexsonographie zur Evaluation der Viszeralgefäße

    • Stenosierung typischerweise am Ostium
    • erhöhte Flussgeschwindigkeit – Flussgeschwindigkeiten von mehr als 200 cm/s gelten als pathognomonisch für eine hochgradige Stenosierung – sowie turbulenter Fluss

    CT-­Angiographie bzw. MR-­Angiographie

    • mit Bildrekonstruktion

    digitale Subtraktionsangiographie der Intestinalarterien in 2 Ebenen

    • bei Interventionsplanung

    Sonographie Abdomen

    (Belastungs-)EKG

    Rö-Thorax

    Labor

    • BB, Elektrolyte, Gerinnung, Nierenwerte, Blutfette

    Stadienorientiertes diagnostisches Vorgehen bei viszeraler Ischämie

    Stadium I

    Stadium II

    Stadium III

    Stadium IV

    Anamnese u. klinische Untersuchung

    +

    +

    +

    +

    Duplexsonographie

    +

    +

    +

    Ø

    Angiographie

    Ø

    +

    +

    +

    CT-/MR-Angiographie

    Ø

    +

    +

    Ø

  4. Spezielle Vorbereitung

    • Sonographische Überprüfung, ob autologe V. saphena magna als Transplantat zur Verfügung steht (ggf. Gefäßprothese)
    • Blutgruppen-Bestimmung, ggf. Blutkonserven bereitstellen
    • Klysma
    • Harnblasen-DK
  5. Aufklärung

    Allgemeine Operationsrisiken

    • Schwere Blutungen, Bluttransfusionen, Übertragung Hepatitis/HIV durch Fremdblutkonserven
    • Allergie/Unverträglichkeit
    • Wundinfektion
    • Thrombose/Embolie
    • Haut-, Gefäß-, Nervenschädigung z. B. durch Lagerung
    • Keloide

    Spezielle Operationsrisiken

    • Narbenhernie
    • abdominelle Adhäsionen, Ileus
    • intraoperativ periphere Embolien in Becken-Beingefäße -> operative Intervention, bei Bein-Ischämie bis hin zur Amputation
    • massive Infektionen → Blutungen, Peritonitis, Sepsis; ggf. operative Revisionen mit Entfernung der Gefäßprothese
    • Schädigung von Nachbarorganen (Ureter, Harnblase, Darm, Leber, Milz); AP-Anlage
    • Perfusionsstörungen oder Nervenverletzungen des Rückenmarks (Paresen, Potenzstörungen)
    • bei Verwendung autologer Vene: Nachblutung, Infektion, Keloid
    • intraoperative Angiographie: Kontrastmittel → Niereninsuffizienz
    • Bypass-Infekt/Stenose → Minderperfusion der betroffenen Organe, erneute Intervention
    • Perfusionsstörung des Darms → Störung der Darmentleerung, Malabsorption, ischämische Kolitis → Resektion, ggf. AP-Anlage
  6. Anästhesie

    ITN

  7. Lagerung

    Lagerung

    Rückenlagerung, rechter Arm an-, linker Arm ausgelagert. Der Oberkörper sollte auf Höhe des thorakoabdominellen Übergangs zwischen Schambein und Xyphoid leicht rekliniert werden, um den Abstand zwischen Beckenkamm und Rippenbogen zu vergrößern.

  8. OP-Setup

    OP-Setup

    Rechts des Patienten steht der Operateur, ihm gegenüber die Assistenz. Die instrumentierende OP-Fachkraft steht fußwärts neben der Assistenz.

  9. Spezielle Instrumentarien und Haltesysteme

    • Bauchdeckenretraktor
    • Aortenklemmen, Bulldog-Klemmen
    • Monofile, nicht-resorbierbare Gefäßnähte (3-0 bis 6-0)
    • Cell-Saver
  10. Postoperative Behandlung

    Postoperative Analgesie

    Folgen Sie hier dem Link zu PROSPECT (Procedures Specific Postoperative Pain Management) und zur aktuellen Leitlinie Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen.

    Medizinische Nachbehandlung

    • Intensivstation für 24 Std., dann Intermediate Care
    • Kreislaufstabilisierung, Überwachung der Lungenfunktion
    • bilanzierte Infusions- und Transfusionstherapie
    • Antibiose mit Breitbandabdeckung
    • Labormonitoring (Serumlaktat, Leukozyten, CRP, Säure-Base-Status)
    • Kontrolle der Beinpulse, Beurteilung der kapillären Durchblutung der Füße
    • frühzeitiger enteraler Kostaufbau

    Antikoagulation

    Heparin

    • 7500 IE via Perfusor/1. postoperativer Tag
    • 15000 IE via Perfusor/2.-4. postoperativer Tag
    • Niedermolekulares Heparin ab 5. postoperativer Tag

    Phenprocoumon für 6 Monate bis lebenslang

    • bei langstreckigen Prothesen- oder Venenrekonstruktionen, z. B. iliako-zöliakal/-mesenterial
    • bei multiplen Gefäßverschlüssen

    ASS 100 mg

    • direkte Rekonstruktion
    • kurzstreckige Bypässe, z.B. aorto-zöliakal (subdiaphragmatisch)
    • Interponate, aorto-zöliakal/-mesenterial oder aortoarteriell

    Mobilisation

    • ab 2. postoperativen Tag Bettkante

    Krankengymnastik

    • isometrisches Muskeltraining
    • Atemgymnastik

    Kostaufbau

    • frühzeitiger enteraler Kostaufbau, z. B. mit Astronautenkost
    • ggf. Gewichtsaufbau durch mehrere Mahlzeiten täglich, kohlenhydratreich, keine blähenden Speisen

    Stuhlregulierung

    • ggf. am 3 postoperativen Tag (Klysma, Gastrografin; Neostigmin als ultima ratio)

    Arbeitsunfähigkeit

    • ca. 3 Monate

    Nicht vergessen!

    • Risikominimierung (Behandlung der Grunderkrankung, Nikotinabstinenz, Cholesterinspiegelsenkung)
    • jährliche bis 2-jährliche Duplexsonographie zur Kontrolle