Perioperatives Management - Magenbypass, laparoskopisch

  1. Indikationen

    Chirurgische Maßnahmen sind wie alle anderen Therapieansätze zur Behandlung von Adipositas keine Ursachenbekämpfung, da die eigentliche Ursache der Adipositas komplex und noch weitgehend unbekannt ist. Sie werden nach Leitlinien in den entwickelten Ländern bei Patienten in Betracht gezogen werden, die einen BMI ≥ 35 kg/m² mit schwerwiegenden Begleiterkrankungen, wie z. B. Diabetes mellitus, oder einen BMI ≥ 40 kg/m² aufweisen und bei denen konservative Behandlungsmaßnahmen nachweislich nicht erfolgreich waren.

    Bei der Verfahrenswahl sind folgende Parameter zu berücksichtigen:

    • das Ausgangsgewicht des Patienten (BMI)
    • der erwartete Gewichtsverlust (EWL)
    • die Compliance
    • das Alter
    • ein möglicher Kinderwunsch bei Frauen
    • Begleiterkrankungen (insbesondere Diabetes mellitus)
    • das Operationsrisiko

    Weitere zu berücksichtigende Faktoren sind:

    • Geschlecht
    • Beruf
    • Ernährungsgewohnheiten
  2. Kontraindikationen

    • konsumierende Erkrankungen
    • Schwangerschaft
    • fehlende Compliance
    • Erkrankungen des Magens und des Duodenums

    Da Blutungen im Restmagen nicht endoskopisch behandelt werden können, besteht eine Kontraindikation für Patienten

    • mit einer lebenslangen Medikation zur Blutverdünnung (Marcumar oder ASS)
    • mit chronischem Schmerzmittelbedarf (ulzerogen)
  3. Präoperative Diagnostik

    Die Risikoevaluierung hat in der Chirurgie bei Adipositas einen hohen Stellenwert. Sie umfasst neben der Standarddiagnostik (EKG, Röntgen-Thorax, Labor) immer eine Lungenfunktionsprüfung und eine Erhebung des Ernährungsstatus. Die endoskopische Abklärung des Magens hat besonders bei resezierenden Verfahren, wie dem Magenbypass, einen hohen Stellenwert. Die radiologische Untersuchung bringt dagegen nur in etwa 5% der Patienten zusätzliche Informationen. Die Routinepolysomnografie gehört in US-Kliniken zum Standard, da dort zwischen 77 und 88 % der Patienten eine Schlafapnoe aufweisen.

  4. Spezielle Vorbereitung

    Die Vorbereitung des Patienten beginnt bereits vor stationärer Aufnahme mit physischer Konditionierung: Rauchverbot, flüssige Diät mindestens 2 Tage vor Aufnahme (ideal 2 Wochen) und Einstellung von Medikationen, die das Risiko erhöhen können (Metformin, orale Antikoagulantien etc.)
    Eine Darmvorbereitung ist auch bei Durchführung des Magenbypass empfehlenswert. Allgemeine hygienische Anforderungen in der Vorbereitung unterscheiden sich nicht wesentlich von anderen Eingriffen. Intertriginöse Hautfaltenaffektionen und akut-entzündliche Ulcera cruris oder diabetisch bedingte Veränderungen der unteren Extremität sind besonders zu beachten. Die medikamentöse Thromboseprophylaxe setzt am Operationstag ein und wird nach Körpergewicht dosiert.

  5. Aufklärung

    Die Aufklärung muss besonders umfassend erfolgen, da es sich um einen elektiven Eingriff handelt. Hierzu gehören neben der Erfassung der allgemeinen Operationsrisiken bei Laparoskopie und der Konversion zur Laparotomie die Erfassung der speziellen Risiken. Dazu gehören die Darstellung der intraoperativen Risiken, der Kurz- und Langzeitfolgen, bis hin zur Transfusion und des Mortalitätsrisikos. Derzeit gibt es für das Verfahren keine standardisierte Aufklärung.

    Ein Beispiel einer umfassende Aufklärung finden Sie hier.

  6. Anästhesie

    Da es sich beim Magenbypass um eine Verfahren handelt, dass ausschließlich mittels einer Laparoskopie oder Laparotomie durchgeführt werden kann, muss für die Operation eine Intubationsnarkose oder eine Intubationsnarkose bei Kapnoperitoneum gewählt werden.
    Prinzipiell muss eine endoskopisch assistierte Intubation bei Adipositaspatienten möglich sein. Videolaryngoskopie erleichtert die Intubation wesentlich.

    Ileuslagerung
    Während der gesamten Operationszeit ist eine maximale Relaxation erforderlich, um in dem ohnehin durch abdominales und viszerales Fett eingeengten Operationsgebiet einen maximalen Aktionsradius zu schaffen. Darüber hinaus ist für den Anästhesisten zu beachten, dass es aufgrund der sehr aufrechten Lagerung des Patienten in fast sitzender Position in Anti-Trendelenburg-Lagerung eventuell erhöhter Beatmungsdrücke, ggfs. PEEP-Beatmung bedarf.

    Zentral-venöser Katheter
    Individuell, in High-Volume-Centern kann in der Regel auf die Anlage eines ZVK verzichtet werden, da die Anlage eines ZVK bei extremer Adipositas eine eigene Morbidität aufweist. In Zentren mit geringer OP-Frequenz und längeren Operationszeiten ist ein ZVK hingegen empfehlenswert. Des Weiteren stellt ein zentraler Venenkatheter postoperativ  einen sicheren Zugang bei der meist schlechten peripheren venösen Situation der Patienten für die kritischen ersten 24-48 Stunden dar.
    Dieser ZVK kann auch „peripher“ in den Vv. brachialis oder radialis platziert werden, um das Pneumothorax-Risiko zu vermeiden.

    Magensonde
    Eine Magensonde muss während des Eingriffs gelegt werden und nach Anweisung des Chirurgen bei der Anlage der oberen Anastomose bewegt werden. Hierzu ist eine absolute Koordination über den Laparoskopie-Monitor erforderlich, da die Magensonde vorsichtig über die zu legende Anastomose geschoben werden muss, ohne eine Perforation zu riskieren. Nach Anlage der Anastomose ist eine Dichtigkeitsprüfung mit Methylenblau vorzunehmen. Auch hier ist die enge Koordination mit dem Operateur von Nöten. Nach der Dichtigkeitsprüfung ist durch Bewegung der Sonde ein versehentliches Annähen auszuschließen. Bei Bedarf kann die Sonde bis 24 Stunden über der Anastomose liegen gelassen werden, muss dann aber zur Vermeidung von Druckulzerationen im Dünndarm entfernt werden. In der Regel kann die Magensonde aber nach der Dichtigkeitsprüfung vorsichtig entfernt werden. Zu schnelles Ziehen muss vermieden werden, da es im Falle eines versehentlichen Annähens der Sonde zu einer Perforation oder Rupturierung der Anastomose kommen kann.

  7. Lagerung

    Lagerung

    Der Patient wird in Anti-Trendelenburg-Position auf dem für das Gewicht des Patienten zugelassenen Operationstisch gelagert. Diese Tische sollten auch Seitenerweiterungen für sehr breite Patienten aufweisen. Die Videomonitore werden über den Schultern des Patienten links und rechts aufgestellt. Beide Arme werden ausgelagert. Die Beine sind gespreizt.

  8. OP-Setup

    OP-Setup

    Die Position des Operateurs ist in Europa vorwiegend zwischen den abgespreizten Beinen des Patienten, was ergonomisch am günstigsten ist („French Position“). Es wird ein Kamerassistent benötigt, falls keine sprachgesteuerte Kamera eingesetzt wird. Ein pneumatischer Leberretraktor an der rechten Seite des Patienten hält den linken Leberlappen konstant. Die instrumentierende Schwester steht an der linken Seite des Operateurs.

  9. Spezielle Instrumentarien und Haltesysteme

    • ein laparoskopisches Grundsieb
    • ein Two-Step-Trokar mit Verres-Nadel oder ein anderer Zugangstrokar
    • zwei 5 mm Trokare (ggf. in Überlänge)
    • drei 12 mm Trokare (ggf. in Überlänge)
    • ggf. ein 15mm Trokar für die Klammernahtgeräte.
    • ein Dissektionsgerät (Ultracision® oder LigaSure™)
    • ein HF-Gerät
    • eine Auswahl von laparoskopischen Klammernahtgeräten (3-4 blaue Magazine für den Magen und zwei weiße Magazine für den Dünndarm)
    • zwei Babcock-Zangen oder andere atraumatische Fasszangen zur Abmessung des Dünndarmes
    • zwei Nadelhalter
    • Schere und ggf. traumatische Greifinstrumente
    • die Verwendung einer 30° Optik ist zu empfehlen
    • Hoch-Volumen-Insufflatoren
    • Haltearm für Leberretraktor
  10. Postoperative Behandlung

    Postoperative Analgesie: 

    Intravenös applizierte Standardmedikamente, die kein ulzerogenes Potential in sich tragen, sind in der Regel ausreichend.
    Folgen Sie hier dem Link zu PROSPECT (Procedures Specific Postoperative Pain Management).
    Folgen Sie hier dem Link zur aktuellen Leitlinie Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen.

    Medizinische Nachbehandlung:

    • Postoperatives Monitoring: Da eine Tachykardie manchmal das einzige Zeichen für signifikante Probleme bei diesen Patienten sind, ist ein postoperatives Monitoring auf einer Überwachungs- oder Intensiv-Station anzuraten.
    • Bronchialtoilette: Eine hohe Inzidenz von Atelektasen und niedriger Sauerstoffsättigung zwingt bei diesem Patientengut zur häufigen Bronchialtoilette.
    • Gastrographinschluck: Am 2. postoperativen Tag kann ein Gastrographinschluck durchgeführt werden. Falls keine Insuffizienz oder Stenose besteht, kann die nasogastrale Sonde entfernt werden, soweit dies nicht schon intraoperativ erfolgt ist. Manche Zentren führen keine routinemäßigen Röntgenuntersuchung durch und andere belassen postoperativ keine Magensonde, ohne negative Auswirkungen zu beobachten.Vitamin-Supplementation: Mit einer Vitamin-Supplementation wird nach der 3. postoperativen Woche begonnen. Diese besteht aus einer täglichen Dosis an Multivitamintabletten, 100 mg Vitamin B12 und Calcium in Form von Tums.
    • Eisenzufuhr: Bei menstruierenden Frauen wird zusätzlich eine Eisenzufuhr empfohlen.
    • Gallensteine: Sollten Patienten noch eine Gallenblase haben, kann das Auftreten von Gallensteinen durch die Gabe von bestimmten Gallensäuren während der ersten 6 postoperativen Monate von fast 40 % auf 3 % reduziert werden.
    • Sport: Da sportliche Betätigung ein entscheidender Faktor für den Langzeiterfolg der Operation ist, wird den Patienten bei jeder Kontrolluntersuchung viel Bewegung nahegelegt. Laufen, Fahrradfahren oder Aerobic sollte für mindestens 30 Minuten 5mal in der Woche erfolgen.Wenn keine Wundheilungsstörungen bestehen, kann auch ein muskelaufbauendes Gewichtstraining für den Oberkörper nach der 6. postoperativen Woche empfohlen werden. Alle Patienten werden während des ersten Jahres in 3monatlichen Abständen einer Kontrolluntersuchung unterzogen, damit ein angemessenes diätetisches und sportliches Verhalten überprüft werden kann.
    • Kontrolluntersuchungen: Mindestens 2mal jährlich auf unbestimmten Zeitraum.

    Thromboseprophylaxe: 

    Bei fehlenden Kontraindikationen sollte aufgrund des mittleren Thrombembolierisikos (operativer Eingriff > 30min Dauer) neben physikalischen Maßnahmen niedermolekulares Heparin in prophylaktischer ggf. in gewichts – oder dispositionsrisikoadaptierter Dosierung bis zum Erreichen der vollen Mobilisation verabreicht werden. Außerdem sind vom Patienten Oberschenkel-Kompressionsstrümpfen zu tragen.
    Zu beachten: Nierenfunktion, HIT II (Anamnese, Thrombozytenkontrolle)
    Folgen Sie hier dem Link zur aktuellen Leitlinie Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE).

    Mobilisation: 

    Beginn noch am Abend der OP; zunehmende Mobilisierung ist erwünscht, jedoch sollte das Heben von Gegenständen über ca. 3 kg bis 6 Wochen postoperativ vermieden werden.

    Krankengymnastik: 

    Ggf. Atemgymnastik zur Pneumonieprophylaxe

    Kostaufbau: 

    Am 2. postoperativen Tag ist der langsame Kostaufbau mit zunächst Wasser ( < 30 ml/Std) möglich. Sobald der Patient schluckweise Wasser verträgt, wird die Trinkmenge auf bis zu 60 ml/Std gesteigert, und er erhält 3mal pro Tag 60 ml einer enteralen Standardnährlösung der Geschmacksrichtung seiner Wahl. Die Patienten werden bis auf weiteres angewiesen, feste Nahrung zu meiden. Kohlenhydratreiche Getränke sind generell obsolet. Medikationen dürfen nur in Pulverform oder als Lösung eingenommen werden. Vier Wochen nach dem Eingriff kann schließlich graduell von weicher zu festerer Nahrung übergegangen werden. Hierbei sollte mit gekochtem Huhn und Fisch begonnen werden. Fleisch könnte einige Zeit überhaupt nicht vertragen werden. Die Patienten werden zu langem Kauen der Speisen sowie zu Pausen zwischen den einzelnen Bissen angehalten. Beim Eintreten eines Völlegefühls sollte die Nahrungsaufnahme beendet werden. Pro Tag sind 3 Mahlzeiten einzuhalten; das Auslassen einer Mahlzeit ist zu vermeiden. Zwischenmahlzeiten sollten wenn überhaupt nur wenig Kalorien enthalten, wie z. B. reines Popcorn, Sellerie oder Karotten.

    Stuhlregulierung: 

    In der direkten postoperativen Phase kann es sowohl zu Obstipation als auch zu Durchfällen bei den Patienten kommen. Diese sind in der Regel konservativ therapierbar. Eine Laktoseintoleranz kann sich gelegentlich enttarnen. Entscheidend ist die ausreichende Flüssigkeitsaufnahme der Patienten. Anhaltenden Durchfälle mit starken Blähungen können Anzeichen zu hoher oraler Fettaufnahme sein. Gelegentlich kommt es auch zu einer passageren bakteriellen Fehlbesiedelung des Darmes, die sich meist nach Rückkehr zu normalem Essverhalten normalisiert. Hier ist die konsequente Nachbetreuung durch einen geschulten Ernährungsmediziner anzuraten.

    Arbeitsunfähigkeit: 

    Üblicherweise ist die Entlassung am 3.- 5. postoperativen Tag möglich, sofern die Trinkmenge ausreicht.