Perioperatives Management - Karpaltunnelsyndrom – offene Karpaldachspaltung

  1. Indikationen

    • anhaltende sensible und/oder motorische Ausfallserscheinungen (Hypästhesie, Beeinträchtigung der Stereoästhesie/2-Punkt-Diskrimination) an D1-D4 mit/ohne Thenaratrophie
    • relevante und den Patienten beeinträchtigende (durch konservative Maßnahmen nicht gebesserte) schmerzhafte Parästhesien an D1-D4
    • bei schwangeren Patientinnen bei vorhandenen Ausfallserscheinungen sowie bei postpartal anhaltendem CTS
  2. Kontraindikationen

    • lokale oder allgemeine Erkrankungen, die chirurgisch oder anästhesiologisch einer elektiven Operation entgegenstehen bzw. präoperativ verbesserungsfähig sind
    • bei offener Karpaldachspaltung keine spezifischen Kontraindikationen
  3. Präoperative Diagnostik

    • Anamnese der typischen Klinik:
      • Nächtliches Brennen/Missempfinden/Kribbelparästhesien der Finger D1-4
      • Nächtliches/belastungsabhängiges Einschlafen der Finger D1-4
      • Besserung durch Schütteln/Stellungsänderung der Hand
    • Klinische Untersuchung:
      • Inspektion/Palpation radialer Thenar (M. abd. poll. brevis, M. opponens pollicis, M. flexor poll. brevis Caput profundum) im Seitenvergleich, Schweißproduktion
      • Prüfung Oberflächensensibilität durch z.B. Berührung mit Wattebausch
      • Prüfung Stereoästhesie durch 2-Punkte-Diskrimination, Erkennen von Münzen oder Büroklammern
      • Prüfung Motorik mit Abduktion (90° zur Handebene) und Opposition, positives Flaschenzeichen
      • Provokationstests: Phalen-Test, Hoffmann-Tinel-Zeichen
    • Elektrophysiologische Diagnostik (immer N. medianus und N. ulnaris beidseits)
      • Leitbefund ist die reduzierte Nervenleitgeschwindigkeit des N. medianus im Karpaltunnel als Folge der Demyelinisierung: pathologisch distale motorische Latenz (DML) des N. medianus > 4,2 ms (hierbei DML des N. ulnaris < 3,3 ms)
      • pathologisch sensible Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) des N. medianus < 46,9 m/s, sowie eine Differenz der NLG von > 8 m/s im Vergleich zum N. ulnaris (Grenzwert 44,6 m/s)
        erniedrigte Amplitude der Reizantwort als Folge einer axonalen Schädigung
    • Fakultative Zusatzdiagnostik:
      • Bildgebende Diagnostik (Rö, Sono, MRT) nur bei Hinweis für Begleiterkrankungen (z.B. Handwurzel/Tumor)
  4. Spezielle Vorbereitung

    • keine spezielle Vorbereitung des Patienten notwendig
    • grundsätzlich ambulanter Eingriff
    • Abklärung Kontraindikation für Blutleere (z.B. liegender Shunt bei Dialyse)
  5. Aufklärung

    Aufklärung über:

    • Operative Methoden offen vs. endoskopisch
      • Komplikationsrate bei offenem Eingriff 2,8 %, bei endoskopischem Eingriff 5,6 %
    • Erweiterungseingriff wie z.B. begleitende Tenosynovialektomie
    • Allgemeine Operationsrisiken (Wundheilungsstörung)
    • Spezielle Operationsrisiken:
      • Verletzung N. medianus (Risiko komplette Durchtrennung < 0,3 %) mit neuropathischen
      • Schmerzen protrahierte Narbenschmerzen (klingen in der Regel nach 6 Monaten ab
      • persistierende Beschwerden, Revisionseingriff
      • fehlende Rückbildung eines senso-motorischen Defizits
      • Rezidivgefahr (erhöht bei Patienten mit rheumatischer Synovialitis und Dialysepatienten)
      • Wundinfektion (tiefe Infektionen < 0,5 %)
      • Sehnen-/Gefäßverletzung (extrem selten < 0,1 %)
      • Funktionsdefizit Handgelenk/Hand
      • CRPS (extrem selten)
  6. Anästhesie

    • lokale Infiltrationsanästhesie mit feiner Nadel
    • intravenöse Regional-Anästhesie
    • Plexusanästhesie
    • Allgemeinanästhesie
  7. Lagerung

    • Rückenlagerung
    • Lagerung der Hand auf einem Handtisch
    • empfohlen: Anlage Oberarmblutleere
  8. OP-Setup

    • der Operateur sollte auf der Seite sitzen, auf der die Führhand mit der Scherenspitze nach distal zeigt
    • gegenüber sitzt gegebenenfalls ein Assistent
    • die instrumentierende Pflegekraft positioniert sich an der Kopfseite des Handtisches
  9. Spezielle Instrumentarien und Haltesysteme

    • sinnvoll ist der Einsatz eines Handhalters wie z.B. eine Bleihand oder ähnliches
    • empfohlen wird die Anlage einer Oberarmblutleere
    • empfohlen wird die Anwendung einer vergrößernden Optik wie z.B. eine Lupenbrille
    • zur Anwendung kommt ein Hand-Instrumentarium
    • spezielle Instrumentarien sind bei der offenen Methode nicht notwendig
  10. Postoperative Behandlung

    Postoperative Analgesie

    Medizinische Nachbehandlung

    • konsequente Hochlagerung der operativ versorgten Extremität über Herzhöhe, um einer Schwellung entgegenzuwirken
    • ggf. Auflage von Kältepacks als lokale physikalische Maßnahme
    • ggf. Drainagezug am 1. oder 2. postoperativen Tag
    • regelmäßige Wundkontrolle, elastokompressiver Verband für wenige Tage (Cave: Einschnürung!); eine Handgelenksschiene ist in der Regel nicht nötig (aus Schmerzgründen zu erwägen)
    • Fadenzug nach 14 Tagen
    • ggf. fetthaltige Salbe zur Narbenpflege (spezielle Narbensalbe nicht notwendig)
    • Freigabe der Belastung nach 14 Tagen 
    • neurologische Kontrolluntersuchung nach 3 - 6 Monaten

    Thromboseprophylaxe

    • entfällt

    Mobilisation

    • sofort

    Krankengymnastik

    • aktive Übungsbehandlung mit ggf. krankengymnastischer Unterstützung mit vollständiger Streckung und Faustschluss der Finger ab 1. postoperativen Tag (beugt Handödem und Fingersteife vor)

    Kostaufbau

    • entfällt

    Stuhlregulierung

    • entfällt

    Arbeitsunfähigkeit 

    • in der Regel 14-21 Tage je nach manueller Tätigkeit (maximal 6 Wochen)