Perioperatives Management - Gastrektomie offen chirurgisch

  1. Indikationen

    • Primäres Magenkarzinom
    • Karzinom im operierten Magen (Magenstumpfkarzinom)
    • Bei Oligometastasierung im Rahmen eines multimodalen Ansatzes innerhalb von Studien und Entfernung aller metastatischen Lokalisationen.

    Sondersituation peritoneale Metastasen:

    Nach neoadjuvanter Systemtherapie onkologische Resektion (Gastrektomie/subtotale Magenresektion) mit D2-Lymphadenektomie und tumorfreien Absetzungsrändern, sowie vollständige Resektion der peritonealen Metastasen (zytoreduktive Chirurgie) plus hypertherme intraperitoneale Chemotherapie, wenn sich dadurch eine komplette Resektion aller makroskopisch sichtbaren Tumoranteile erreichen lässt und der PCI (Peritoneal Carcinomatosis Index) unter 12 liegt.

     

    • Erst intraoperativ entdeckte Metastasen dürfen analog der Ösophagus-Leitlinie – falls R0-resektabel – mitreseziert werden.
    • Bei kurativem Therapieansatz und lokaler Resektabilität besteht grundsätzlich eine Operationsindikation sofern keine massiven Risikofaktoren vorliegen (Vorerkrankungen bzw. Allgemeinzustand des Patienten, s. Kontraindikationen).
    • Bei lokal fortgeschrittenen Tumoren der Stadien II und III (cT1/cT2N+ sowie cT3/resektabel cT4Nx) sollte eine perioperative Chemotherapie erfolgen.
    • Bei palliativem Therapieansatz kann in seltenen Fällen die Gastrektomie indiziert sein (z.B. Blutung, Perforation, Stenose).
    • Das Resektionsausmaß (totale versus subtotale Gastrektomie) wird durch Tumorlokalisation/-ausbreitung und den durch den histologischen Typ geforderten Sicherheitsabstand bestimmt.
    • Um tumorfreie Resektionsränder (R0) zu erzielen, sollte außer bei Mukosakarzinomen (T1a N0 M0) in der Regel ein proximaler Sicherheitsabstand am Magen von 5 cm (intestinaler Typ n. Lauren) bzw. 8 cm (diffuser Typ n. Lauren) in situ eingehalten werden. Bei Unterschreitung des Sicherheitsabstandes hat laut Aktualisierung der S3-Leitlinien (August 2019) ein Schnellschnitt zu erfolgen.

    Lymphadenektomie

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    Die Lymphknotenausräumung der Kompartimente I und II wird als D2-LAD bezeichnet und stellt die Standardlymphadenektomie beim Magenkarzinom dar. Sie kann als Goldstandard angesehen werden.

    Basierend auf der japanischen Klassifikation (Nummerierung) werden die Lymphknoten in mehreren Kompartimenten zusammengefasst. Die D1-Lymphknoten umfassen die Stationen 1 bis 6, das D2-Kompartiment zusätzlich die Stationen 7 bis  11.

    Die LK der Station 12 werden bei kleinkurvaturseitig gelegenen distalen Karzinomen  i.R. der onkologischen Resektion miterfasst. Die LK am Hauptgallengang (Station 12b, gilt als M1) häufig nicht disseziert, um eine Verletzung/Devaskularisierung desselben zu vermeiden.

    Im D3-Kompartiment befinden sich die Gruppen 12 bis 15 und sind definitionsmäßig keine regionären Lymphknotenstationen des Magens. Da sie prognostisch wie Fernmetastasen gewertet werden, klassifiziert man sie als M1 LYM bei Befall.

    Um eine Klassifikation pN0 zu erhalten, wird von der UICC eine Mindestanzahl von 16 zu untersuchenden regionären Lymphknoten gefordert.  In der deutschen S3-Leitlinie wird die angestrebte Lymphknotenzahl mit ≥ 25 angegeben.

     

    Sondersituation Magenfrühkarzinom/ Indikationen für die endoskopische Resektion
    Als Magenfrühkarzinom wird ein Tumor definiert, der unabhängig von Lymphknotenstatus, Flächenausdehnung und Fernmetastasierung auf die Mukosa und Submukosa der Magenwand beschränkt ist. Die Muskularis propria des Magens ist per definitionem tumorfrei.

    Unterschiede zeigen sich bei den Frühkarzinomen in der Häufigkeit einer potenziellen Lymphknotenmetastasierung. Tumoren, die bereits die tiefen Mukosaschichten (m3) oder Submukosa infiltriert haben, kommen für eine endoskopische Therapie nicht in Betracht, da mit einer Wahrscheinlichkeit von 4-20% mit LK-Metastasen zu rechnen ist. 

    Rund 5% der Patienten zeigen ein Magenfrühkarzinom vom Mukosatyp (pT1/2m), bei dem ein kurativer Therapieansatz durch eine endoskopische Resektion möglich ist, da die Wahrscheinlichkeit einer Lymphknotenmetastasierung äußerst gering ist. Betroffene Patienten haben mit einer Fünfjahresüberlebensrate von > 90 % eine ausgezeichnete Prognose.

    Folgender Kriterien müssen bei einer endoskopischen Resektion erfüllt sein:

    • Läsionen von < 2 cm Größe in erhabenen Typen
    • Läsionen bis zu 1 cm Größe in flachen Typen
    • Histologischer Differenzierungsgrad: gut oder mäßig (G1/G2)
    • Keine makroskopische Ulzeration
    • Invasion begrenzt auf die Mukosa

    Im dargestellten Fall handelt es sich um eine Carcinom im Magencorpus. Es erfolgt eine Gastrektomie mit D2-Lymphadenektomie. Die Rekonstruktion erfolgt als Y-Roux-Rekonstruktion ohne Pouch. Dabei handelt es sich um das in Deutschland am häufigsten durchgeführte Rekonstruktionsverfahren.

  2. Kontraindiaktionen

    • Relevante Komorbiditäten mit OP- bzw. Narkoseunfähigkeit
    • Irresektabler Tumor mit proximaler Infiltration der A. mesenterica superior oder des Truncus coeliacus 
    • Jede Form der Metastasierung, außer im Rahmen von Studien und multimodalem Behandlungskonzept bei Oligometastasierung.
    • Pfortaderthrombose oder andere Erkrankungen mit ausgeprägten venösen Umgehungskreisläufen (Leberzirrhose).
    • Bei Passagestörung oder endoskopisch nicht beherrschbarer Tumorblutung kann die Gastrektomie ggf. als palliativer Eingriff indiziert sein.
  3. Präoperative Diagnostik

    Obligat:

    • Blutchemische Laboruntersuchungen mit sogenannten Tumormarkern (CA 72-4, CA 19-9, CEA)
    • Ösophagogastroduodenoskopie mit Stufenbiopsien (mindestens 8 PE´s)
    • Sonografie des Abdomens inkl. des kleinen Beckens; nach S3-Leitlinien das erste bildgebende Verfahren zur Beurteilung von Lebermetastasen.
    • Endosonographie zur Beurteilung des T-Stadiums, insbesondere zur Beurteilung eines Magenfrühkarzinoms (Mukosa-/Submukosatyp). Identifikation von Risikokonstellationen uT3/4 N+ bzw. perigastrischer Aszitesnachweis. Die Beurteilung der Lymphknoten der Kategorie N1 – 2 ist möglich, allerdings mit eingeschränkter Sensitivität und Spezifität. 
    • CT von Thorax (Detektion von Lungenmetastasen), Abdomen und Becken

    Fakultativ:

    • Staging-Laparoskopie: Da eine peritoneale Metastasierung mittels bildgebender Verfahren noch immer nicht sicher ausgeschlossen werden kann und der radiologische Peritoneal Cancer Index (PCI) meistens den tatsächlichen Ausbreitungsbefund unterschätzt, wird die diagnostische Laparoskopie für Patienten mit lokal fortgeschrittenem Magenkarzinom (T3–T4) prinzipiell vor Beginn einer neoadjuvanten Chemotherapie empfohlen. In bis zu 40% der Fälle zeigt sich dabei eine peritoneale Metastasierung. Zusätzlich zur Möglichkeit der histologischen Diagnosesicherung peritonealer Metastasen trägt eine diagnostische Laparoskopie dazu bei, unnötige offene Explorationsversuche zu minimieren.
    • Um im Falle einer peritonealen Metastasierung die vollständige parietale Peritonektomie zu ermöglichen, sollten die Trokare bei einer diagnostischen Laparoskopie immer in der Linea alba gesetzt werden. In der Regel reichen zwei Trokare, ein 10er-Trokar für die Optik und ein 5er-Trokar für die Biopsie-Zange. Auch im Verlauf auftretendeTrokarmetastasen lassen sich so im Rahmen einer medianen Laparotomie problemlos mitentfernen.
    • Eine Peritoneallavage mit Zytologie kann ergänzend durchgeführt werden. Die Wahrscheinlichkeit einer metachronen peritonealen Metastasierung liegt beim Vorhandensein einer positiven Spülzytologie bei ca. 80 %. Hier laufen Studien Patienten zu identifizieren, die trotz eines makroskopisch negativen Befundes von zusätzlichen Therapiemaßnahmen (HIPEC) profitieren können.
    • Die MRT sollte Patienten vorbehalten sein, bei denen kein CT durchgeführt werden kann.
    • Das PET-CT wird nicht routinemäßig für das Staging von Magenkarzinomen empfohlen.
  4. Spezielle Vorbereitung

    Laut den S3-Leitlinien und aktueller Datenlage ist die neoadjuvante Chemotherapie integraler Bestandteil des Behandlungskonzeptes  beim Magencarcinom. Bei Diagnose von Magenkarzinomen der Stadien II und III (cT1/cT2N+ sowie cT3/resektabel cT4Nx) „sollte/soll“ eine perioperative Chemotherapie durchgeführt werden. Diese wird klassischerweise präoperativ (neoadjuvant) begonnen und postoperativ fortgesetzt. Dadurch kann die R0-Resektionsrate erhöht, die systemische Rezidivrate gesenkt und die Gesamtprognose verbessert werden. Als perioperatives Konzept hat sich in Deutschland und zunehmend auch international das FLOT-Regime (5 Fluorouracil, Leucovorin, Oxaliplatin, Docetaxel) etabliert. Der prognostische Stellenwert (Übertherapie oder sinnvolles Konzept) bleibt aber diskutiert. Gockel I, Lordick F. Neoadjuvante Chemotherapie beim Magenkarzinom. Chirurg. 2020 May;91(5):384-390.

    Nach Abschluss der neoadjuvanten Therapie wird empfohlen das Ansprechen mittels CT und Endoskopie zu bewerten.

    Bei geplanter präoperativer Chemotherapie Portimplantation

    Laparoskopische Exploration optional s. Diagnostik

    Ggf. Einleiten einer präoperativen Ernährungstherapie bei Patienten, die präoperativ deutlich an Gewicht verloren haben. Ein Ernährungskonzept sollte frühzeitig, möglichst schon zu Beginn der multimodalen Therapie erarbeitet werden. Zudem sollen auch Patienten ohne Zeichen einer Mangelernährung präoperativ für 5–7 Tage zusätzlich zur normalen Ernährung zur Einnahme bilanzierter Trinklösungen motiviert werden. 

    Am Tag vor OP abführende Maßnahmen, aktuelle blutchemische Laboruntersuchung, Blutgruppe bestimmen und Erythrozytenkonzentrate bestellen.

    Thromboseprophylaxe (NMH (Niedermolekulares Heparin), Antithrombosestrümpfe) (siehe Leitlinie zur Thromboseprophylaxe in Abschnitt 1.10).

  5. Aufklärung

    Allgemeine OP-Risiken:

    • Thrombose, Lungenembolie
    • Pneumonie
    • Heparinunverträglichkeit, HIT
    • Harnwegsinfekt

    Spezielle OP-Risiken:

    • Letalität zwischen 2 und10%
    • endgültige Entscheidung über das Resektionsverfahren erst intraoperativ
    • Verletzung innerer Gefäße und Organe (auch Pleura!)
    • Anastomoseninsuffizienz
    • Duodenalstumpfinsuffizienz
    • endoluminäre/ intraabdominelle Blutung
    • Minderdurchblutung des Ersatzmagens
    • intraabdomineller Abszess, Peritonitis
    • Pankreatitis bzw. Pankreasfisteln
    • Wundheilungsstörung
    • Narbenbruch

    Evtl. erforderliche Erweiterung des Eingriffs:

    • Cholezystektomie
    • Resektion von Lebermetastasen
    • Splenektomie

    Hinweise auf:

    • vorübergehende Gewichtsabnahme
    • veränderte Essgewohnheiten
    • Drainagen, Magensonde, Harnableitung
    • evtl. Fremdblutgabe
  6. Anästhesie

    • Intubationsnarkose
    • Magensonde
    • ZVK (Zentraler Venenkatheter)
    • PDK (Periduralkatheter)
    • DK (Dauerkatheter, transurethral) bzw. intraoperative SPF (suprapubische Blasenkatheterisierung)
  7. Lagerung

    Lagerung
    • Rückenlagerung
    • rechter Arm angelagert
    • linker Arm ausgelagert
  8. OP-Setup

    OP-Setup
    • Operateur rechts vom Patienten
    • 1. Assistent links vom Patienten
    • 2. Assistent rechts, kopfwärts vom Operateur
    • instrumentierende OP-Pflegekraft links, fußwärts vom 1. Assistenten
    • ggf. 3. Assistent links, kopfwärts vom 1. Assistenten
  9. spezielle Instrumentarien und Haltesysteme

    Neben dem abdominalchirurgischen Grundinstrumentarium wird folgendes Zusatz-Equipment benötigt:

    • Bauchdeckenretraktor/-spreizer (Ulmer Seilzugretraktor + Stangen, Mercedessperrer)
    • Silikonzügel zum Anschlingen anatomisch wichtiger Strukturen
    • Lineare Cutter ggf. mit verschiedenen Magazinlängen
    • Zirkularstapler 25mm
    • Katheterjejunostomie-Set
  10. Postoperative Nachbehandlung

    Postoperative Analgesie: mittels PDA (Periduralanästhesie), supportiv i.v.-Analgesie.
    Folgen Sie hier dem Link zu PROSPECT (Procedures Specific Postoperative Pain Management).
    Folgen Sie hier dem Link zur aktuellen Leitlinie Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen.

    Medizinische Nachbehandlung: 

    • Intensivstationäre Überwachung (mind. 24 Stunden)
    • Intraabdominelle Zieldrainagen je nach Fördermenge entfernen
    • Optional kann am 5.-7. postopoperativen Tag eine Rö-MDP (Magen-Darm-Passage) oder eine endoskopische Kontrolle der Anastomosenverhältnisse erfolgen.
    • Falls Splenektomie erfolgt: Impfung gegen Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae und Meningokokken!
    • Gastrektomie: lebenslange parenterale Substitution von Vitamin B 12 ; bei Auftreten von Fettstühlen Gabe von Pankreasenzymen indiziert.
    • Nach präoperativer Chemotherapie  soll über die postoperative Chemotherapie interdisziplinär abhängig vom Regressionsgrad, klinischem Ansprechen, Verträglichkeit und Allgemeinzustand entschieden werden. Laut aktueller deutscher Leitlinien wird bei Progress empfohlen, die Chemotherapie postoperativ nicht fortzusetzen.
    • Nachsorge: Oberbauch-Tumoren haben generell eine schlechte Prognose. Deshalb gab es lange Zeit keinen Konsens darüber, wie die Nachsorge durchgeführt werden sollte. Durch immer potentere, multimodale Therapiekonzepte können Patienten mit einer limitierten Metastasierung durch die Nachsorge möglicherweise eine zweite Heilungschance bekommen. Erstmals wird in der aktuellen Leitlinie eine strukturierte Nachsorge empfohlen. Sie umfasst die klinische und endoskopische sowie die Kontrolle mittels Bildgebung. Die Intervalle sollten in den ersten 2 Jahren zumindest halbjährlich und danach bis zum 5. Jahr jährlich betragen.

    Thromboseprophylaxe: Frühmobilisation, ATS (Antithrombosestrümpfe), NMH (niedermolekulares Heparin).
    Aufgrund des großen Eingriffs besteht hier ein hohes Thromboembolierisiko. Zu beachten: Nierenfunktion, HIT II (Anamnese, Thrombozytenkontrolle).
    Folgen Sie hier dem Link zur aktuellen Leitlinie Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE).

    Mobilisation: Körperliche Schonung bis zum Abschluss der Wundheilung.

    Krankengymnastik: Frühmobilisation, Atemgymnastik

    Kostaufbau: : Ab 1. postoperativen Tag mit schluckweise Tee beginnen. Der Kostaufbau wird traditionell nach 3 – 4 Tagen mit Suppe vorsichtig begonnen. Die Katheterjejunostomie kann ab dem 2. postoperativen Tag mit Tee 30ml/h befahren werden, ab dem 3. postoperativen Tag zur Hälfte aus Tee, zur Hälfte aus enteraler Ernährungslösung bestehen und in der Menge gesteigert werden.

    Stuhlregulierung:
    Setzt der Stuhlgang nach 3 – 4 Tagen nicht von alleine ein, kann mit einem leichten Abführmittel nachgeholfen werden.

    Arbeitsunfähigkeit:
    Die Arbeitsunfähigkeit umfasst in der Regel ein Minimum von 4 Wochen.