1. Ischämische Komplikationen
Extremitätenischämie
- periphere Embolien (< 2 %) → Behebung durch Kombination von Thrombolyse, Katheteraspiration, Angioplastie/Stent sowie Fogarty-Manöver
Beckenischämie
- durch Embolisation oder Überdeckung der A. iliaca interna mit Endoprothese → gluteale Claudicatio, rektale Ischämie, erektile Dysfunktion, Haut- bzw. Muskelnekrosen
Prophylaxe:
- Verwendung von Endoprothesen mit Iliakalseitenästen zur Beibehaltung der Beckendurchblutung
Viszeralischämie
- durch Überdeckung der A. mesenterica inferior und/oder Thromboembolien
- meist Dickdarm betroffen, vornehmlich Colon descendens und sigmoideum
- Klinik: blutige Stuhlangänge, Diarrhoen, abdominelle Schmerzen, Peritonitis
- Diagnostik: Rektosigmoidoskopie, ggf. Koloskopie (Cave: erhöhte Perforationsgefahr!); Laborchemie ist unspezifisch!
- Therapie: konservativ-abwartend nur bei transienter Mukosaischämie/Schweregrad A, ansonsten lokalisationsabhängige Darmresektion, ggf. Hartmann-OP
Prophylaxe
- präoperativer Ausschluss einer signifikanten Stenose der A. mesenterica superior und des T. coeliacus
Spinale Ischämie und Paraplegie („ischemic spinal cord injury“ – SCI)
- Ursache: Minderdurchblutung des Rückenmarks durch endovaskuläres Überstenten von rückenmarksrelevanten Arterien in Kombination mit weiteren Risikofaktoren wie perioperative Hypotension, größere Blutverluste/Anämie; besonders bei thorakalen/thorakoabdominellen Eingriffen
Kommt es zur Kompromittierung von mindestens zwei Territorien der Spinalperfusion, steigt die Wahrscheinlichkeit einer spinalen Ischämie.
- Klinik: reicht von kleinen transienten Sensibilitätseinschränkungen über Funktionsstörungen der Kontinenzorgane bis zur kompletten Paraplegie mit lebenslanger Bettlägerigkeit und Pflegebedürftigkeit
- Therapie: Erhöhung des spinalen Perfusionsdruckes, z. B. medikamentöse Anhebung des arteriellen Mitteldrucks und Anlage einer Liquordrainage zwecks Senkung des Gegendrucks der arteriellen Perfusion in den Liquorräumen
Prophylaxe:
- Vermeiden von intra- und postoperativen hypotensiven Phasen sowie nach Segmentarterienverschluss den Erhalt eines mittleren arteriellen Drucks von 80–90 mm Hg über mindestens 48 h
- Anlage einer prophylaktischen spinalen Liquordrainage, wenn mindestens zwei Territorien der spinalen Durchblutung (s. o.) beeinträchtigt sind und nicht durch revaskularisierende Maßnahmen wiedereröffnet werden können
- perioperativ suffiziente zentralvenöse Sättigung (ScvO2) von ≥70 % sowie intraoperativ ein zentralvenöser Druck (ZVD) von ≤10 mm Hg, Hämoglobin-Wert ≥ 8 mg/dl bzw. intraoperativer Blutverlust so gering wie möglich halten, Cell-Saver
- postop. zügige Extubation, um neurologischen Status erheben zu können, Verlaufskontrollen
2. Systemische Komplikationen
- kardiopulmonale und zerebrovaskuläre Komplikationen sowie kontrastmittelinduzierte Nephrotoxizität
- akutes Koronarsyndrom, Myokardinfarkt, Pneumonie, zerebrovaskuläre Ereignisse, Niereninsuffizienz -> adäquate, interdisziplinäre Therapie
- präoperative Evaluation: kardialen Status, Lungenfunktion, Retentionswerte
3. Post-Implantationssyndrom
- Inzidenz: 13 – 60 %
- Ursache: entzündliche Immunantwort mit Freisetzung von Zytokinen durch eine endotheliale Aktivierung durch das Endograft-Material
- Klinik: vorübergehende, akute, grippeähnliche Symptome, Fieber
- Labor: Erhöhung von C-reaktivem Protein (CRP), Interleukin6 und TNF-α während der ersten Woche nach der Implantation; typischerweise keine Leukozytose und kein Keimnachweis
- Therapie: symptomatisch (antipyretische Maßnahmen, Antibiotika sind nicht indiziert)
4. Pseudoaneurysmen der Zugangsgefäße
- an der Punktionsstelle nach dem perkutanen Vorgehen häufiger als nach chirurgischer Freilegung des Zugangsgefäßes
- Inzidenz behandlungsbedürftiger Pseudoaneurysmen: 3 - 6%
- Therapie: ultraschallgesteuerte Thrombininjektion ins Aneurysma, ggf. operative Sanierung, insb. bei Aneurysmen > 1,5 cm
5. Endoprothesen-Migration
- Verschiebung der Endoprothese um mehr als 5–10 mm von der ursprünglichen Position, in der Regel nach kaudal
- Inzidenz: 1 – 10 % (1-Jahres-Kontrolle nach EVAR)
- Hauptursache der Reinterventionen bei Typ-I-Endoleckagen (s.u.)
6. Kinking/Okklusion der Endograft-Schenkel
- Inzidenz: 2 – 4 % der Patienten nach EVAR
- Ursachen: fortschreitende Verkleinerung des ausgeschalteten Aneurysmasacks mit konsekutiver Deformierung des Endografts, ausgeprägte Aortenhalswinkelung, schmalerer Durchmesser des distalen Aortenhalses, der zu einer Kompression der Prothesenschenkel führen kann
- Klinik: Claudicatio intermittens, auch akute Beinischämie
- Therapie: Platzierung von Bare-Metal-Stents bzw. von weiteren Stentgrafts innerhalb des ursprünglichen Endografts; bei akutem Verschluss Rekanalisierung mit Thrombolyse und nachfolgender Stent-Implantation
7. Materialermüdung
- Ursache: Frakturen der Stent-Streben, Risse im Endograftmaterial, Lösen von Prolenenähten, die das Endograftmaterial an den Stent-Streben befestigen
- Folge: Typ I- oder Typ-III-Endoleckagen (s.u.)
8. Endograft-Infektion
- Inzidenz nach EVAR: 0,4 – 3 %
- Letalität 20 – 50 %!
- Riskofaktoren: Alter, Diabetes, Adipositas, Malnutrition, Gangrän/Ulkus, Dauer der präop. Hospitalisierung, Op-Dauer, inguinaler Zugang, Blutverlust, Reinterventionen, Lymphozelen, Hämatome, Serome, Wundheilungsstörungen, Wundinfekte
- variable Klinik: relativ blande Befunde (Erhöhung Entzündungsparameter), Kreuzschmerzen, fieberhafte Infekte bis hin zu dramatischen Verläufen mit aktiver Blutung/Perforation, Arrosionen von Nachbarorganen mit Fistelbildungen
- Therapie: unmittelbar nach Diagnose Breitspektrumantibiotika; fehlender Keimnachweis in Blutkultur → Vancomycin + Präparat gegen gramnegative Erreger (z.B. Ceftriaxone, Flurochinolon oder Piperacillin-Tazobactam), ansonsten resistogrammgerecht; bei Infektpersistenz oder –rezidiv nach/oder trotz Antibiose → offene-chirurgische Prothesenexplantation
9. Endoleckagen
- Definition: anhaltender Blutfluss im Aneurysmasack nach vollständiger Endograft-Platzierung
- häufigste Komplikation nach EVAR
- Klassifikation:
- Typ I- und Typ III-Endoleckagen sind mit einem höheren Risiko der Aneurysmaruptur verbunden → zeitnahe Intervention empfohlen
- Diagnostik: CT, MRT, Kontrastmittel unterstützte farbkodierte Duplexsonographie
- Therapie: