Perioperatives Management - Restthyreoidektomie mit partieller zentraler Lymphknotendissektion links

  1. Indikationen

    Im hier beschriebenen Fall erfolgte die Komplettierungs-Operation zur totalen Thyreoidektomie wegen eines suspekten Schilddrüsenknoten im linken Lappen, nachdem die Patientin vor Jahren wegen eines 1 cm großen papillären Schilddrüsenkarzinoms rechtsseitig hemithyreoidektomiert worden war.

    Die hier beschriebene OP kann bei benignen, suspekten oder malignen Schilddrüsenveränderungen indiziert sein:

    • Knoten mit sonographischen Merkmalen eines höheren Malignitätsrisikos (EU-TIRADS [European Thyroid Imaging and Reporting Data System] Kategorie 4 - 5
      LINK TIRADS
       
    • Bei einem positiven oder verdächtigen Feinnadelpunktionsergebnis mit follikulärer Neoplasie oder V.a. Malignität in der Zytologie (ab Bethesda Stadium 3/4) 
      LINK Bethesda
       
    • Unklarer Knoten nach Bestrahlung der Halsregion oder Strahlenexposition
       
    • Autonomie
       
    • Papilläres und follikuläres Schilddrüsenkarzinom T1a bis T4

      Bemerkung 1

      Das follikuläre Schilddrüsenkarzinom FTC ist ein Schilddrüsenmalignom, das von Follikelzellen ausgeht, die nicht die charakteristischen Kernkriterien des papillären Schilddrüsenkarzinoms zeigen. Die Tumoren sind üblicherweise gekapselt und zeigen im Gegensatz zum Adenom invasives Wachstum in Form eines vollständigen Kapseldurchbruchs. Bei einem minimal-invasiven Tumor ohne oder mit nur geringem Nachweis einer Angioinvasion und einer Größe <4 cm ist eine primäre oder sekundäre totale Thyreoidektomie nicht erforderlich. 

      Bemerkung 2

      Klinisch, prognostisch und therapeutisch müssen Tumoren mit einer multifokalen, aggressiven oder metastasierenden Tumorbiologie von Tumoren mit niedrigem Risiko unterschieden werden. 
      Bei den differenzierten Schilddrüsenkarzinomen wird die primäre oder sekundäre totale Thyreoidektomie auch bei Fernmetastasierung empfohlen, insbesondere um eine postoperative Radiojod-Therapie zu ermöglichen.

      Bei einem organkapselüberschreitendem T4a Tumor sollte grundsätzlich eine Zervikoviszeralresektion in Erwägung gezogen werden.
      LINK TNM
       
    • Gering differenziertes Schilddrüsenkarzinom (PDTC, poorly differentiated thyroid carcinoma)

      wurde erstmals 2004 durch die WHO als eigenständige Entität definiert, die prognostisch zwischen den differenzierten und undifferenzierten Karzinomen stehen. Auch bei einer Fernmetastasierung soll eine komplette Tumorresektion mit totaler Thyreoidektomie und postoperativer Radiojod-Therapie durchgeführt werden. Dabei ist die Radiojod-Aufnahme oft eingeschränkt.
       
    • undifferenziertes (anaplastische) Karzinome (UTC) (T4a N0/1 M0/1).
      • Falls resektabel Thyreoidektomie als radikale Tumorresektion bei bilateralem Befall plus multimodale Therapie LINK TNM
         
    • medulläres Schilddrüsencarcinom (mit zentraler Kompartmentresektion bei pathologischen Kalzitoninwerten)

      Das medulläre Schilddrüsenkarzinom („medullary thyroid carcinoma“, MTC) betrifft ca. 5 % aller Schilddrüsenkarzinome und ist durch einige Besonderheiten gekennzeichnet: Die deutlich häufigeren, differenzierten Schilddrüsenkarzinome (DTC) gehen von den Schilddrüsenhormon-produzierenden Zellen selbst aus und nehmen daher Jod auf. Dagegen leitet sich das MTC von den Calcitonin-produzierenden C-Zellen ab. Diese liegen zwischen den Hohlraumstrukturen des Schilddrüsengewebes und nehmen kein Jod auf. Damit entfällt auch die Möglichkeit einer klassischen Radiojodtherapie, die bei entarteten Schilddrüsenzellen auch bei fortgeschrittener Erkrankung oft eine Heilung ermöglicht.

      Das MTC sezerniert Calcitonin (Ctn) und Carcinoembryonales Antigen (CEA). Es kann nur durch eine Operation geheilt werden. In ca. 75 % kommt es sporadisch und in ca. 25 % hereditär im Rahmen der multiplen endokrinen Neoplasie Typ 2 (MEN2) in Assoziation mit Phäochromozytomen und/ oder primärem Hyperparathyreoidismus vor. Bei MEN2-Verdacht soll vor der Operation zum Ausschluss bzw. Nachweis eines Phäochromozytoms oder Hyperparathyreoidismus eine entsprechende Diagnostik (Plasma-, Urin-Metanephrine, Serumkalzium, Parathormon) durchgeführt werden.

      Bei biochemisch nachgewiesenem MTC (bei Frauen ab 30 pg/ml, bei Männern ab 60 pg/ml Calcitonin) wird eine totale Thyreoidektomie empfohlen, da auch 10 % der sporadischen MTCs multifokal (bilateral) auftreten.

      Die Thyreoidektomie soll durch eine zentrale und ggf. laterale zervikale LK-Dissektion ergänzt werden, da eine frühzeitige lokale/regionäre Metastasierung stattfinden kann, und auch Mikro-MTCs (≤ 10mm) mit Lymphknotenmetastasen assoziiert sein können (Ausnahme fehlender Desmoplasie-Nachweis im Gefrierschnitt). Spätestens bei einem basalen Ctn > 200 pg/ml soll auch eine kontralaterale laterale LK-Dissektion erfolgen.

      Bei V.a. MTC im Rahmen der MEN2 soll eine Keimbahnanalyse des RET-Gens durchgeführt werden, der molekulargenetische Nachweis einer aktivierenden pathogenen Keimbahn-Variante des RET-Gens ist beweisend für ein MEN2 Syndrom. Alle Betroffenen mit MTC sollten eine genetische Beratung erhalten.
      •  Post-OP Zufallsbefund nach nicht totaler Thyreoidektomie: keine Nach-OP wenn Calcitonin unterhalb der Nachweisgrenze.

    Nodal positive SD-Karzinome

    Bei nodal-positiven SD-Karzinomen stellt die totale Thyreoidektomie mit Dissektion der ersten LK-Station im sog. zentralen Kompartment das Verfahren der Wahl dar.

    Das zentrale Kompartment umfasst den anatomischen Raum zwischen den Karotiden beider Seiten als lateraler Begrenzung, dem Zungenbein kranial und der V. brachiocephalica kaudal.

    Die organbezogenen Bestandteile des zentralen Halsbereichs sind die beiden Schilddrüsenlappen, die kurze gerade Halsmukulatur (M. sternohyoideus, M. sternothyreoideus) und die zentralen LK (prä- und paratracheal, prälaryngeal).

    Beim nodal-positiven PTC und beim MTC stellt die totale Thyreoidektomie mit zentraler Lymphknotendissektion den Standard dar.

  2. Kontraindikationen

    • Manifeste Hyperthyreose:  Vor elektiven Operationen an der Schilddrüse muss der Patient euthyreot sein, um das Risiko einer thyreotoxischen Krise zu minimieren. LINK Hyperthyreose
    • kardiopulmonale Risikoabschätzung
    • Allgemeine Narkoseunfähigkeit
    • Blutgerinnungsstörung bzw. Einnahme von Gerinnungshemmern

    Leitlinien empfehlen vor elektiven Operationen eine individuelle Nutzen-Risiko-Analyse: Überwiegt das operative Blutungsrisiko klar gegenüber dem potenziellen kardiovaskulären Nutzen sollte die ASS-Therapie unterbrochen werden.
    Bei höhergradiger Antikoagulation wie P2Y12-ADP-Rezeptorantagonisten (z.B. Clopidogrel), NOAKs (z.B. Xarelto) oder Vitamin K Antagonisten (z.B. Falithrom oder Marcumar) sollte im interdisziplinären Konsil bezüglich Indikation der Antikoagulation, Möglichkeit des Bridgings mit Heparin und operativem Blutungsrisiko ein Therapiekonzept erarbeitet werden.

    • Eine asymptomatische Knotenstruma und ein szintigraphisch minderspeichernder („kalter“) Knoten ohne Malignitätsverdacht sind keine Operationsindikationen.
  3. Präoperative Diagnostik

    Anamnese

    • lokale Symptome einer Schilddrüsenvergrößerung, Knotenwachstum (zervikales Druck- oder Globusgefühl, Schluckbeschwerden und Dyspnoe, insb. unter Belastung)
       
    • Stimmveränderungen/Heiserkeit, Rekurrensparese
       
    • Symptome einer Hyperthyreose
       
    • Medikamente (jodhaltige Präparate, Thyreostatika)
       
    • Familienanamnese
       
    • frühere Bestrahlungen im Halsbereich: Gesicherter ätiologischer Faktor für die Entstehung eines differenzierten Schilddrüsenkarzinoms ist die Einwirkung ionisierender Strahlen, weshalb Patienten mit Schilddrüsenknoten gezielt nach früheren Bestrahlungen der Kopf-Hals-Region zu befragen sind.
       
    • Vorbestehende HWS-Probleme (Kopfreklination bei Lagerung!)

    körperliche Untersuchung

    • Palpation (Größe, Konsistenz der Schilddrüsenlappen, Knoten, Schluckverschieblichkeit, tastbare Lymphknoten)
       
    • endokrine Ophthalmopathie

    Stimmbandfunktionsprüfung

    • Eine präoperative HNO-ärztliche Laryngoskopie zur Beurteilung der Stimmlippenbeweglichkeit ist unerlässlich.
       
    • Sie kann eine bereits präoperativ vorliegende Schädigung des N. recurrens, z. B. nach Voreingriff oder bei Malignität erfassen.
       
    • Sie ermöglicht eine situationsangepasste Operationstaktik.
       
    • Sie ist Grundlage der perioperativen Qualitätssicherung
       
    • Prä- und postoperative Laryngoskopie und das intraoperative Neuromonitoring stellen die Grundlage der perioperativen Qualitätssicherung dar und sind eine untrennbare diagnostische Einheit. Das Neuromonitoring ist ohne Kenntnis der klinischen Larynxfunktion nicht verwertbar! LINK IONM

    Laboruntersuchungen

    • üblichen präoperativen Laborparameter je nach Grunderkrankung, Gerinnung, Calcium, PTH
       
    • TSH, Schilddrüsenhormone: fT3, fT4
      Wichtigster in-vitro-Parameter ist das TSH, dessen pathologische Veränderung auf einer länger bestehende Funktionsstörung der Schilddrüse beruht. Hinweis: Bei erniedrigter Konzentration besteht der Verdacht auf eine Hyperthyreose, bei erhöhter Konzentration auf eine Hypothyreose. In diesen Fällen ist eine zusätzliche Bestimmung der Schilddrüsenhormone (fT3 und fT4) zwingend erforderlich, bei normwertigem TSH und klinischer Euthyreose kann darauf verzichtet werden.
       
    • Schilddrüsenantikörper zur Diagnostik von Immunthyreopathie und Thyreoiditis

      • Antikörper gegen TSH-Rezeptor (TRAK) sollten bestimmt werden, wenn aufgrund der klinischen Untersuchung und der bildgebenden Verfahren keine eindeutige Abgrenzung zwischen einem M. Basedow und einer nichtimmunogenen Hyperthyreose möglich ist.
         
      • Antikörper gegen Schilddrüsenperoxidase (anti-TPO) werden bei Verdacht auf eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse bestimmt; sie sind bei 95 % der Patienten mit Hashimotothyreoiditis (Autoimmunthyreoiditis) und bei 70 % der Patienten mit M. Basedow erhöht.
         
      • Antikörper gegen Thyreoglobulin (anti-TG) sind unspezifischer, werden ergänzend bei Verdacht auf eine Autoimmunthyreoiditis bestimmt, besonders wenn Anti-TPO negativ ist.
         
    • Bestimmung des basalen Calcitoninwerts.
      Calcitonin (Ctn) ist ein hochspezifischer Tumormarker für das medulläre Schilddrüsenkarzinom (MTC). Die deutschsprachigen Leitlinien empfehlen vor jeder Schilddrüsenoperation die einmalige Bestimmung, um C-Zell-Veränderungen bereits in früher Form zu entdecken. Die Höhe des basalen Calcitoninwerts lässt Rückschlüsse auf das Stadium der Erkrankung zu und hilft das Resektionsausmaß zu planen.
      Ab einem Grenzwert von ≥ 30 pg/ml Ctn für Frauen und von ≥ 60 pg/ml für Männer liegt mit ausreichend hoher Wahrscheinlichkeit ein MTC vor, um weitere Behandlungsschritte zu rechtfertigen.
      LK-Metastasen im lateralen Lymphknotenkompartiment scheinen erst ab einem Calcitoninwert über 85/100 pg/ml und gleichzeitigem Nachweis von Desmoplasie aufzutreten. Ansonsten kann auf eine laterale LK-Dissektion verzichtet werden. 25% der Tumoren sind familiär, z.B. Leittumor bei MEN 2a. Deshalb empfiehlt sich bei V.a. MTC immer eine molekulargenetische Abklärung.
       
    • Bemerkung: Rauchen, Protonenpumpeninhibitoren, eine Niereninsuffizienz und chronischer Alkoholkonsum können zu leicht bis mäßig erhöhten Calcitonin-Werten führen (gegebenenfalls Kontrolle unter Abstinenz).

    Sonographie mit TI-RADS-Einteilung (Thyroid Imaging Reporting and Data System)

    Der präoperative Halssonographie kommt in der OP-Planung eine große Bedeutung zu. Sie stellt die Basisuntersuchungsmethode zur Beurteilung der Schilddrüsen-Morphologie dar.

    Durch die Standardisierung der Befundung der Schilddrüsenknoten erfolgt eine Dignitätsbeurteilung bzw. Risikostratifizierung des Knotens, die von den Leitlinien auch so gefordert wird.

    Knotige Befunde der Schilddrüse werden im Detail beschrieben unter Dokumentation folgender Kriterien:

    • Größe (Durchmesser in allen 3 Ebenen angeben)
    • Echogenität (echoarm, echonormal, echoreich, echofrei und echokomplex)
    • zystische Anteile
    • Mikro- oder Makroverkalkungen
    • Vorhandensein eines echoarmen Randsaums (Halo-Zeichen)
    • Randbegrenzung (scharf versus unscharf)
    • Konfiguration (asymmetrisch, „höher als breit“)
    • Vaskularisation

    Folgende sonographische Kriterien sind mit einer deutlich erhöhten Wahrscheinlichkeit für Malignität assoziiert:

    • Echoarmut
    • unscharfe Begrenzung
    • nichtovale Form
    • „Taller-than-wide"-Form: Knoten ist im axialen Schnittbild mehr in der Tiefe als in der Breite ausgeprägt.
    • Vorhandensein von Mikrokalk
      LINK TIRADS

    Bemerkung:

    Durch die Sonographie kann auch die Beziehung zu Nachbarstrukturen, der Lymphknotenstatus und evtl. eine retrosternale Ausbreitung eingeschätzt werden.

    Szintigraphie der Schilddrüse

    Die Szintigraphie mit dem Tracer 99m-Technetiumpertechnetat (Tc-99m) weist eine Diskriminierungsgrenze von etwa 1cm für Läsionen auf, die entweder mehr, gleich oder minderspeichernd zum umgebenden Gewebe sind und damit als szintigraphisch warm/heiß (bei gleichzeitiger Supprimierung des umgebenden Gewebes), indifferent oder kalt beschrieben werden.

    Bemerkungen:

    • Das Szintigramm ist zusammen mit der Sonographie Basisuntersuchungsmethode in der Abklärung von Schilddrüsenknoten.
    • Autonome Areale, die nicht mehr der regulierenden Steuerung durch TSH  unterliegen, können durch eine Suppressions-Szintigraphie (mit oral zugeführtem Thyroxin) demaskiert werden.
    • Auch bei einem TSH-Wert im Normbereich können funktionell autonome Knoten vorliegen. Diese sollten nicht punktiert werden.
    • Szintigraphisch nachgewiesene kalte Knoten, die sonographisch echoleer sind, entsprechen Zysten und sind als benigne einzustufen.
    • Nicht echoleere kalte Knoten sind abklärungsbedürftig

    Fakultative präoperative Diagnostik

    Magnetresonanztomographie/Nativ-Computertomographie

    • Bei retrosternaler Struma, um das Ausmaß des retrosternalen Anteils einschätzen zu können, wodurch die präoperative Planung eines eventuell notwendigen thoraxchirurgischen Zugangsweges (Sternotomie) erleichtert wird.
       
    • bei ausgeprägten lokalen Kompressionserscheinungen
       
    • bei organüberschreitendem Wachstum

      Bemerkung 1: Bei der Ersteinschätzung von Schilddrüsenknoten haben diese beiden Untersuchungen keinen Stellenwert.

      Bemerkung 2: Beim differenzierten Schilddrüsenkarzinom (DTC) sollte eine MRT bevorzugt durchgeführt werden, um eine Kontrastmittelexposition zu vermeiden.
      Die Computertomographie hat den Nachteil, dass grundsätzlich auf die Kontrastierung mit Kontrastmittel verzichtet werden muss, einerseits wegen der Gefahr der jodinduzierten Hyperthyreose, andererseits, um eine Jodkontamination im Hinblick auf eine Radiojodtherapie zu vermeiden. Nach exogener Jodzufuhr sind die Jodrezeptoren über einen längeren Zeitraum blockiert, was eine Radiojodtherapie und eine Schilddrüsenszintigraphie unmöglich macht.

    PET-CT

    • Molekulare Ganzkörperbildgebung  bei fortgeschrittenen Tumoren zur Rezidiv- und Metastasendiagnostik mit funktionellen Tracern wie Dopamin (18F-DOPA), Somatostationanaloga (68Ga-DOTATOC) beim MTC und FluorDesoxyGlucose (18F-FDG) beim PDTC (Poorly Differentiated Thyroid Carcinoma), das häufig kein Radiojod speichert.

    Szintigraphie mit ⁹⁹ᵐTc-MIBI mit Washout-Index als semiquantitatives Verfahren

    Für die Beurteilung der Dignität von Schilddrüsenknoten wird die Sestamibi-Szintigraphie klinisch off-label eingesetzt. Über den Off-Label-Use muss aufgeklärt werden. Die MIBI-Szintigraphie soll nur bei szintigraphisch hypofunktionellen Knoten ab 1 cm Größe und suspekter Sonomorphologie (TIRADS 4und 5) und Nachweis einer follikulären Neoplasie (Bethesda 3/4) eingesetzt werden.

    Die Bildgebung mit ⁹⁹ᵐTc-MIBI kann insbesondere dann eingesetzt werden, wenn eine Feinnadelpunktion indiziert, aber nicht möglich oder ohne aussagekräftigen Befund geblieben ist.

    Der prädiktive negative Vorhersagewert bei schnellem Washout ist gut, Verlaufskontrollen sind erforderlich.

    Punktionszytologie/Feinnadelpunktion

    Auf der Basis von klinischen, sonographischen und szintigraphischen Kriterien werden Risikoknoten identifiziert, die dann durch die Feinnadelpunktion weiter abgeklärt werden. Weil in Deutschland häufig multinodöse Schilddrüsenveränderungen vorkommen, empfiehlt es sich, die Punktionsnotwendigkeit auf nichtautonome Knotenareale >1 cm – in Abhängigkeit von sonographischen Merkmalen – einzugrenzen.
    Die Feinnadelpunktion (FNP) eines suspekten Schilddrüsenknotens dient der Abschätzung des Malignitätsrisikos. Sie ist insbesondere dann indiziert, wenn eine nicht-operative Therapie der Läsion erwogen wird.

    Bei folgenden Konstellationen kann sich eine Indikation zur Punktion von Schilddrüsenknoten ergeben:

    • Patienten mit klinischen Zeichen eines Schilddrüsenkarzinoms, wenn die zytologische Diagnose für die Operationsplanung von Bedeutung ist.
       
    • Knoten je nach Größe ab EU-TIRADS-Einstufung Klasse 3: Klasse 3 (> 2 cm), Klasse 4 (> 1,5 cm), Klasse 5 (> 1 cm)
       
    • Knoten jeder Größe mit extrakapsulärem Wachstum oder unklaren zervikalen Lymphknoten (hier sollte ggf. auch der Lymphknoten punktiert werden)
       
    • Knoten jeder Größe bei Patienten mit einer Bestrahlung im Halsbereich in der Vorgeschichte ohne Nachweis einer Autonomie
       
    • Verwandter ersten Grades bei einem Patienten mit papillärem bzw. medullärem Schilddrüsenkarzinom oder multipler endokriner Neoplasie Typ 2

    Bemerkung: Beim MTC ist die Ctn-Bestimmung der Zytologie überlegen. Aufgrund des besonderen Stellenwertes des Calcitonin Screenings ist eine FNP für die präoperative Diagnose eines MTC in der Regel nicht erforderlich. Die Beurteilung einer desmoplastischen Stromareaktion in der Histologie ist nach einer FNP nicht mehr sicher möglich, deshalb sollte bei einem erhöhten Ctn keine FNP durchgeführt werden.

    Ausdrücklich von einer Punktion absehen sollte man bei Knoten, die szintigraphisch fokalen Autonomien entsprechen, sowie bei Knoten, die keinerlei malignitätsverdächtige Sonographiekriterien aufweisen. 

    Zytologisch können viele Tumorentitäten mit hoher Genauigkeit diagnostiziert werden. Die follikuläre Neoplasie bedarf einer histologischen Abklärung.

    Die Indikation zur Operation ist auf Grundlage der Zytologie gegeben bei follikulärer Neoplasie, Nachweis spezifischer Mutationen oder sonstigem Malignitätshinweis bzw. -nachweis.

    Bei Nachweis von gutartigen Befunden in der FNP können unnötige Operationen vermieden werden. Bei Nachweis maligner Zellen wird die Operationsstrategie durch das Ergebnis der FNP wesentlich beeinflusst (Hemi- versus Thyreoidektomie, Ausmaß der Lymphknotendissektion).

    Bei gekapselten follikulären Tumoren ist eine Unterscheidung zwischen follikulärem Adenom und Karzinom mittels FNP nicht möglich. Ebenso wenig kann durch die FNP zwischen einer nicht-invasiven gekapselten follikuläre Variante eines papillären Schilddrüsentumors (NIFTP) und einem papillären Schilddrüsenkarzinom unterschieden werden. Molekularpathologische Zusatzuntersuchungen können die Sensitivität und Spezifität der FNP erhöhen, werden aber noch nicht routinemäßig eingesetzt.

    Das mit über 80 % aller differenzierten Schilddrüsenkarzinome am häufigsten auftretende papilläre Karzinom lässt sich mit hoher Zuverlässigkeit diagnostizieren.

    Zytopathologische Auswertung der FNP

    Die Bethesda-Klassifikation ist ein 6-gradiges System, das ausschließlich für die Schilddrüsenpunktion entworfen wurde und weitgehend evidenzbasiert ist. Der Vorteil in diesem System liegt in der klaren Zuordnung der Malignitätswahrscheinlichkeit in den einzelnen Gruppen. Darüber hinaus erlaubt diese Klassifikation aufgrund ihrer internationalen Verwendung eine internationale Vergleichbarkeit.

    LINK Bethesda Klassifikation

    57-SD-Knoten

    Bei V.a. transmurale Infiltration zusätzlich Panendoskopie, Tracheoskopie und Ösophagoskopie

  4. Spezielle Vorbereitung

    Euthyreose

    • keine spezielle Vorbereitung

    Hypothyreose

    • Informationen zur präoperativen Vorbehandlung einer Hypothyreose finden Sie unter: 
      LINK Hypothyreose

    Hyperthyreose
    Jeder Patient mit einer Hyperthyreose, der sich einem elektiven Schilddrüseneingriff unterzieht, soll vor der Operation eine stabile euthyreote Stoffwechsellage aufweisen.

    • Am sichersten ist die mehrwöchige Gabe eines Thyreostatikums.
       
    • Bei noch manifester Hyperthyreose zusätzlich Jodblockade durch kurzfristige Gabe von hochdosiertem Iodid (Plummern) 5 - 10 Tage präoperativ, um die Hormonfreisetzung aus der Schilddrüse zu hemmen, die Schilddrüsenperfusion zu reduzieren (weniger Blutungsrisiko), eine thyreotoxische Krise während einer OP zu vermeiden. Immer erst nach Einleitung einer medikamentösen Thyreostase , sonst Gefahr einer jodinduzierten Hyperthyreose.
       
    • Bei leichten Formen der Hyperthyreose kann eine mehrtägige Behandlung mit Betablockern ausreichend sein.

    Informationen zur präoperativen Vorbehandlung einer Hyperthyreose finden Sie unter:
     LINK Präoperative Hyperthyreose

    erhöhtes kardiopulmonales Risiko

    • Abklärung des OP-Risikos durch weitere Diagnostik (Belastungs-EKG, Herz-Echo, Koronarangiographie, Lungenfunktion)

    Feinnadelpunktion/ intraoperativer Schnellschnitt

    • Die einzeitige Primärchirurgie setzt die präoperative Feinnadelpunktionszytologie und/oder die Möglichkeit einer intraoperativen Schnellschnittdiagnostik voraus.
       
    • Der intraoperative Schnellschnitt kann die Dignität bei gekapselten Tumoren nicht sicher voraussagen. Die Diagnose eines PTC im Schnellschnitt ist möglich, wenn ausgeprägte papilläre Strukturen und typische Zellkerne sichtbar sind –
      sie ist jedoch oft unsicher, besonders bei kleinen oder atypischen Tumoren.
      Der Schnellschnitt kann die OP-Strategie leiten, ersetzt aber nicht die abschließende Diagnostik im Paraffinschnitt.
       
    • Das metastatische Potential/Lymphknotenmetastasierungspotential beim MTC kann intraoperativ histopathologisch durch das Ausmaß der intratumoralen Desmoplasie (desmoplastische Stromareaktion) und das Überschreiten der Schilddrüsenkapsel eingeschätzt werden. MTC ohne Desmoplasie weisen keine Lymphknotenmetastasen auf.
  5. Aufklärung

    • Blutung/Nachblutung/Hämatome
    • Wundinfekt/Wundheilungsstörung
    • Thromboembolie
    • lagerungsbedingte HWS-Beschwerden
    • Stimmbandlähmung/Dysphonie
    • Dysphagie
    • Hypokalzämie mit Substitutionspflicht und Nachkontrollen
    • dauerhafter Hypoparathyreoidismus
    • Schilddrüsenhormon-Substitution
    • Notwendigkeit einer Radiojodtherapie unter exogener oder endogener TSH-Stimulation
    • Tumornachsorge 

    Bei großen ins Mediastinum reichende Strumen und vor Rezidiveingriffen sollte auch auf seltene Komplikationen hingewiesen werden:

    • Verletzungen des Sympathikus (Horner-Syndrom)
    • Verletzungen von Trachea oder Halsgefäßen
    • Verletzung von Ösophagus, Pleura mit Spannungspneumothorax, D.thoracicus mit Chylusfistel
  6. Anästhesie

  7. Lagerung

    Lagerung
    • Die Entfernung der Schilddrüse erfolgt in Rückenlage mit unterpolsterten Schultern bei leicht rekliniertem (überstrecktem) Kopf. Das normale Kopfkissen wird hierbei durch ein rundes Kissen ersetzt oder aber das Kopfteil am OP-Tisch wird leicht nach unten geneigt.
    • Möglichst Zugang zum Kopf zur Tubuskorrektur im Rahmen IONM während der OP ermöglichen.
      beide Arme angelagert
    • Knie- oder Fersenkissen
  8. OP-Setup

    OP-Setup
    • Operateur/in steht rechts vom Patienten (bei Nervenpräparation links ggf. Wechsel zur linken Seite wie im Filmbeispiel)
    • 1. Assistent gegenüber Operateur, ggf. 2. Assistent kopfwärts
    • instrumentierende OP-Pflegekraft links (auf Bauchhöhe des Patienten)
  9. Spezielle Instrumentarien und Haltesysteme

    • Gefäßversiegelungsgeräte („vessel sealing [VS] devices“): VS-Devices tragen dazu bei, die Sicherheit und technische Effizienz der Schilddrüsenchirurgie zu optimieren. Sie reduzieren den Blutverlust, minimieren das Risiko von Hämatomen und Nachblutungen. Sie ermöglichen die zügige und blutungsfreie Dissektion, wodurch die Operationszeit verkürzt wird. Kleinere Zugänge führen zu kosmetisch ansprechenderen Ergebnissen.
      Typische Risiken beim Einsatz dieser Devices ergeben sich durch die Hitzeentwicklung in der Nähe sensibler Strukturen. In der Regel ist ein Abstand von 2–3mm bei der Aktivierung hinreichend.
       
    • Haken: Vierzinker, kleine Rouxhaken; ggf. spezielle Sperrsysteme anstelle des 2. Assistenten
       
    • Klemmen: feine Overholtklemmen, kleine Peanklemmen
       
    • Nahtmaterial: resorbierbar geflochten 3-0, 4-0; ggf. nichtresorbierbarer monofiler Faden 5-0 zur Umstechung des kehlkopfnahen Geweberestes, resorbierbarer Hautfaden, ggf. Clips
       
    • Neuromonotoring-Equipment, dann auch Vesselloop zum Anzügeln des N. vagus
       
    • ggf. Redondrainage CH 8
       
    • empfehlenswert: Lupenbrille für Operateur/in
  10. Postoperative Behandlung

    Postoperative Analgesie

    • NSAR, ggf. auch opioidhaltige Analgetika

    Folgen Sie hier dem Link zu PROSPECT (Procedures Specific Postoperative Pain Management).

    Folgen Sie hier dem Link zur aktuellen Leitlinie Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen.

    Medizinische Nachbehandlung:

    • Engmaschige klinische Kontrolle in den ersten 4 bis 6 postoperativen Stunden, um eine Nachblutung zu bemerken/auszuschließen.
    • Entfernung eventueller Redondrainage(n) am ersten postoperativen Tag
    • Laryngoskopie vor Entlassung spätestens jedoch innerhalb von 7 Tagen nach der Entlassung
    • Laborkontrollen
      • Serumcalcium- und Parahormonwerte 12-24 h postoperativ zur Erkennung von Störungen der Nebenschilddrüsenfunktion und frühzeitigen Einleitung einer medikamentösen Therapie.
      • Bei Hypokalzämiesymptomatik, Serumkalziumwerten < 2,00 mmol/l oder PTH < 15 pg/ml orale Substitution mit Calcium 3 x 1 gr und Calcitriol 2 x 0,5 µg pro Tag über 14 Tage.
      • Der PTH-Spiegel korreliert am besten mit der Notwendigkeit einer Calcium-/Vitamin-D-Substitution. PTH ≥ 15 pg/ml -> Entlassung gefahrlos möglich, PTH < 10 pg/ml -> Calcium/Vitamin D Substitution, PTH zwischen 10 und 15 Graubereich -> Kontrolle nach 48 h postoperativ zur sicheren Einschätzung sinnvoll, bis dahin auf jeden Fall Substitution.
      • Engmaschige Kontrollen, um einer iatrogenen Hypercalcämie vorzubeugen. Möglichst Ausschleichen der Substitution.
         
    • Schilddrüsenhormonsubstitution

      Nach einer kompletten Thyreoidektomie kommt es ohne Hormonsubstitution innerhalb von zwei bis spätestens vier Wochen zu einer manifesten Hypothyreose. Bei einer benignen Diagnose ist deshalb sinnvoll, schon wenige Tage postoperativ mit der L-Thyroxingabe zu beginnen. Die mittlere Substitutionsdosis von L-Thyroxin liegt entsprechend einer aktuellen Studie bei 1,7 Mikrogramm/kg/Tag, der TSH-Zielwert bei 0,5 bis 2,0 mU/l. Eine TSH-Kontrolle nach 6-8 Wochen ist sinnvoll, um gegebenenfalls die Dosierung anzupassen.

      Bei maligner Diagnose sollte nach einer Lobektomie oder Thyreoidektomie ohne Radio-Iod-Therapie ein TSH-Zielwert im unteren Normalbereich (0,5 bis 2,0 mU/l) angestrebt werden. Eine TSH-suppressive Therapie soll nicht erfolgen.

      Bei geplanter Radio-Iod-Therapie weiteres Vorgehen s.u..

    Thromboseprophylaxe:

    Die Notwendigkeit einer Thromboseprophylaxe bei Schilddrüsenoperationen richtet sich nach dem individuellen Risiko.

    • Bei niedrigem Risiko (junger Patient, keine Risikofaktoren, kurze OP) ist keine routinemäßige medikamentöse Prophylaxe, sondern frühe Mobilisation empfohlen.
       
    • Erhöhtes Risiko (Alter > 60 Jahre, Adipositas, Gerinnungsstörung, frühere TVT, längere OP-Dauer) pharmakologische Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin (NMH) oder Fondaparinux, meist abends prä- oder postoperativ beginnen bei gleichzeitig früher Mobilisation (möglichst am OP-Tag oder 1. postoperativer Tag).
       
    • Dauer der Prophylaxe in der Regel bis zur vollständigen Mobilisation, meist 1–5 Tage postoperativ
       
    • Die Entscheidung über eine Thromboseprophylaxe hängt stark vom individuellen Risikoprofil ab, nicht automatisch von der Art der Operation.
       
    • Sorgfältige Abwägung von Thrombose- gegen Blutungsrisiko! Zu aggressive Antikoagulation sollte vermieden werden.
       
    • Zu beachten: Nierenfunktion, HIT II (Anamnese, Thrombozytenkontrolle)
      Folgen Sie hier dem Link zur aktuellen Leitlinie: Prophylaxe der venösen Thromboembolie (VTE)

    Mobilisation: bereits am OP-Tag

    Krankengymnastik: bei lagerungsbedingten HWS-Beschwerden ggf. physikalische Maßnahmen 

    Kostaufbau: Vollkost am OP-Tag

    Stuhlregulierung: i. d. R. nicht erforderlich

    Entlassung: bei unkompliziertem Verlauf ab dem 2. Tag postoperativen möglich

    Arbeitsunfähigkeit: individuell unterschiedlich, ca. 10 - 14 Tage nach Entlassung, bei indizierter Radiojodtherapie wesentlich länger

    Komplettierungsoperation

    Aufgrund der fehlenden prä- und intraoperativen Identifikationsmöglichkeiten des FTC stellt sich nach der postoperativen histologischen Diagnose die Frage der Komplettierungsoperation mit adjuvanter Radioiodtherapie unter Abschätzung des Tumorpersistenz oder -rezidivrisikos. Indiziert ist die Operation bei Nachweis von Fern- oder Lymphknotenmetastasen, einem breit invasien FTC oder Nachweis einer Angioinvasion (≥4 Gefäße). Risikofaktoren stellen eine Größe ≥4 cm, ein Alter >55 Jahren und eine inkomplette Tumorresektion dar.

    Sollte die Komplettierungsoperation die vormals operierte Seite miteinschließen, empfiehlt sich der Eingriff innerhalb von 4 Tagen oder im Intervall von 3 Monaten nach dem Ersteingriff. Bei inkompletter primärer Tumorresektion sollte in jedem Fall zeitnah operiert werden.

    Bei einer lediglich kontralateralen Operation nach Hemithyreoidektomie beim Ersteingriff ergeben sich laut aktueller Daten keine Hinweise für ein erhöhtes Komplikationsrisiko. Aufgrund von Vernarbungen /Adhäsionen ventral, empfiehlt sich für die Komplettierung ein primär lateraler Zugang. Komplettierungsoperationen ohne Einsatz des IONM sind nicht zu empfehlen.

    Falls sich als Zufallsbefund ein MTC ergibt, kann man auf eine Komplettierungsoperation verzichten, falls in den ersten 2 Wochen nach der Resektion Calcitonin nicht erhöht ist und die humangenetische Untersuchung ein hereditäres MTC ausschließt. 

    Radioiod (131I) -Therapie zur Ablation von postoperativ verbliebenem Restschilddrüsengewebe

    Die ablative 131Iod-Therapie ist Standard beim differenzierten SD-Karzinom im Anschluss an die Operation. Ausnahmen stellen das papilläre Mikrokarzinom ohne Risikofaktoren und die niedrig-malignen FTC-Typen (Low-Risk-Gruppe) dar.

    Erst nach einer adjuvanten Radioiodtherapie werden die 131Iod-Ganzkörper-Szintigraphie und die Thyreoglobulin-Messung unter rhTSH-(rekombinantes humanes Thyreoidea-stimulierendes Hormon) Stimulation zu sensitiven und spezifischen Untersuchungsverfahren, um den Therapieerfolg zu sichern.

    Die Sensitivität der Ganzkörperszintigraphie ist vom TSH-Spiegel abhängig; günstig ist ein basales TSH > 30 mU/l. Dieser TSH-Spiegel kann 3 - 5 Wochen nach Thyreoidektomie, 4 – 5 Wochen nach Absetzen einer Levothyroxin (T4) -Medikation oder nach exogener Stimulation mit rekombinantem humanem TSH (rhTSH) erzielt werden.

    Bei Hochrisiko-Patienten sollte die TSH-Sekretion endogen stimuliert werden, sofern keine Kontraindikationen für eine Hypothyreose bestehen.

    Bei Komorbiditäten des Patienten wie kardiopulmonalen Erkrankungen, Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz, neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen sowie bei einer bilateralen Rekurrensparese (Gefahr eines Glottisödems im Falle einer schweren Hypothyreose) ist eine mehrwöchige Hormonkarenz mit der Konsequenz einer manifesten Hypothyreose nicht ratsam und die exogene TSH-Stimulation mit rhTSH Methode der Wahl.

    Die Ergebnisse einer 131Iod-Therapie sind umso besser, je kleiner die Tumormasse und je höher der Differenzierungsgrad ist. Darüber hinaus besitzt die 131Iod-Therapie bei inoperablen sowie nicht vollständig operativ entfernbaren Tumoren gute palliative Effekte, wenn eine Radioiod-Speicherung besteht. 

    6 – 8 Monate nach einer ablativen Radioiod-Therapie sollte anhand der diagnostischen 131Iod-Ganzkörper-Szintigraphie und des Thyreoglobulin-Spiegels unter rhTSH-Stimulation beurteilt werden, ob die gewünschte Beseitigung des Schilddrüsenrestgewebes gelungen ist und ob Hinweise auf Iod-speichernde Metastasen bestehen.

    Thyreoglobulin (Tg)

    Thyreoglobulin ist ein wichtiger Marker für die Syntheseleistung der Schilddrüse. Er dient in erster Linie der postoperativen Nachsorge von papillären oder follikulären Schilddrüsenkarzinomen. 

    Erst nach Thyreoidektomie und ablativer 131Iod-Therapie ist das Thyreoglobulin ein sensitiver und spezifischer Tumormarker für das differenzierte Schilddrüsenkarzinom, wobei die Sensitivität durch Schilddrüsenhormon-Entzug oder durch eine Stimulation mit rhTSH gesteigert wird. 

    Die Therapie des differenzierten Schilddrüsenkarzinoms ist mit der Sequenz aus Operation, 131Iod-Therapie und Levothyroxin-Medikation gut standardisiert.

    Nachsorge

    Das weitere Nachsorgekonzept inklusive Umfang der morpholgischen und funktionellen Bildgebung orientiert sich stark an einer Neubewertung des individuellen Risikos durch Messung des rhTSH-stimulierten Thyreoglobulin-Spiegels – verbunden mit einer 131I-Ganzkörper-Szintigraphie – etwa 6 – 8 Monate nach der ablativen Radioiodtherapie. Für viele Patienten reduziert sich danach die Nachsorge auf Sonographie, Messung des Tg-Spiegels mit modernen Assays (inkl. Tg-Wiederfindung und Tg-Antikörper) sowie die Bestimmung der Schilddrüsenfunktionsparameter.

    Bemerkung:  Anti-Tg-Antikörper stören die Bestimmung des Thyreoglobulins und machen den Wert bei positiver Antikörperlage unzuverlässig.
    Daher muss bei jeder Tg-Messung parallel Anti-Tg-AK bestimmt werden, um die Aussagekraft korrekt zu beurteilen. Bei positiver Antikörperlage wird nicht Tg, sondern der Anti-Tg-AK-Titer selbst zum Verlaufsparameter.

    Die Nachsorge schließt die Überprüfung und medikamentöse Einstellung der Schilddrüsenhormonsubstitution bzw. Suppression sowie die Diagnostik und Therapie typischer Komplikationen der primären Therapie ein. Dies beinhaltet eine Sonographie der Schilddrüsenloge und der Halsweichteile inkl. Lymphknoten, Bestimmung des Tumormarkers Thyreoglobulin und der Thyreoglobulin-Antikörper sowie die laborchemische Überprüfung der Schilddrüsenhormontherapie.

    TSH-Wert Einstellung im Langzeitverlauf von Patienten mit differenziertem Schilddrüsenkarzinom

    Thyreoglobulin wird je nach Situation stimuliert oder unstimuliert gemessen.
    Stimulierter Tg ist empfindlicher und wird v. a. in der ersten Nachsorgephase oder bei Verdacht auf Rezidiv eingesetzt.
    Unstimulierter Tg reicht bei langfristig unauffälligen Patienten mit negativen Anti-Tg-AK in der Regel aus.

    Nach der Response-Evaluation 6 - 12 Monate nach initialer Therapie (Operation ± Radiojodtherapie) können sich folgende Konstellationen ergeben:

    Exzellentes Ansprechen

    • Bei Patienten mit exzellentem Ansprechen sollte ein TSH-Wert von 0,5 – 2,0 mU/L angestrebt werden. Dabei ist ein exzellentes Ansprechen als Tg < 0,2 ng/mL (unstimuliert) oder < 1 ng/mL (stim.) ohne Nachweis von Antikörpern, keine Bildgebungshinweise für Rezidiv/Metastasen definiert.

    Biochemisch unvollständiges Ansprechen

    • Bei Patienten mit biochemisch unvollständigem Ansprechen Tg ≥1 ng/mL (unstim.) oder > 10 ng/mL (stim.) sollte unter Beachtung möglicher Risikofaktoren ein TSH-Wert von 0,1 – 0,5 mU/L angestrebt werden. Der Begriff „biochemisch unvollständiges Ansprechen“ beim differenzierten Schilddrüsenkarzinom bezieht sich auf die Bewertung des Therapieansprechens anhand von Thyreoglobulin-Werten (Tg) und ggf. Anti-Tg-Antikörpern – also biochemischen Markern, ohne dass bildgebend ein Tumor nachweisbar ist.

    Strukturell unvollständiges Ansprechen

    • Bei Patienten mit strukturell unvollständigem Ansprechen sollte unter Beachtung möglicher Risikofaktoren ein TSH-Wert von < 0,1 mU/L angestrebt werden. Unter unvollständigem Ansprechen versteht man hierbei den Nachweis von Tumor oder Metastasen in der Bildgebung.

    Bemerkung: Bei den genannten TSH-Bereichen handelt es sich um Zielwerte, die annähernd erreicht werden sollten. Häufige Änderungen der Schilddrüsenhormondosierung sollten vermieden werden.

    Medulläres Schilddrüsencarcinom

    Bei biochemischer Heilung (Ctn-Spiegel postoperativ nicht messbar niedrig) sollen in den ersten 2 Jahren halbjährliche Nachuntersuchungen mit Sonographie des Halses, Ctn- und CEA-Bestimmung durchgeführt werden. Danach kann, wenn kein Ctn-Anstieg erfolgt ist, auf jährliche Kontrollen oder noch längere Intervalle übergegangen werden. Die Prognose ist sehr gut.

    Bemerkung: Das Carcinoembryonale Antigen (CEA) ist der zweite Tumor-Marker beim MTC. Es soll nicht zur präoperativen Diagnostik eingesetzt werden. Es ist ein stabilerer Marker im Vergleich zum Ctn zum Tumormonitoring und kann in der Verlaufskontrolle beim metastasierten MTC eingesetzt werden.

    Anaplastisches Schilddrüsenkarzinom

    Aufgrund der schlechten Prognose erfolgt eine Nachsorge symptomorientiert.