Evidenz - Suprazervikale Hysterektomie, Zervikosakropexie mit Gyn- Mesh, Adnexektomie beidseits und vordere Kolporrhaphie, laparoskopisch

  1. Einleitung

    Als Deszensus genitalis (Genitalprolaps) bezeichnet man die Senkung der inneren weiblichen Genitalorgane – insbesondere der Vagina und des Uterus – infolge einer Schwäche oder Schädigung des Halte- und Stützgewebes im Becken. Dieses Krankheitsbild ist häufig und nimmt mit steigendem Alter zu. Durch die demographische Entwicklung mit einer alternden Bevölkerung wird in den kommenden Jahrzehnten ein weiterer Anstieg der Häufigkeit erwartet. Ein geringer Deszensus kann asymptomatisch bleiben und muss nicht zwingend als pathologisch gewertet werden. Bei ausgeprägter Senkung können jedoch vielfältige Beschwerden auftreten, die die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. In solchen Fällen stehen verschiedene konservative und operative Therapiemöglichkeiten zur Verfügung.

  2. Häufigkeit und Prävalenz

    Die epidemiologischen Daten zum Deszensus genitalis variieren abhängig von Definition und Untersuchungsmethode. In Bevölkerungsstudien wird eine Prävalenz von etwa 3–6 % angegeben, wenn nur Frauen mit spürbaren symptomatischen Senkungsbeschwerden gezählt werden, wohingegen bei klinischer Untersuchung bis zu ~50 % der Frauen irgendeinen Grad an Beckenbodensenkung aufweisen​. Anders ausgedrückt: Pelvic Organ Prolapse (POP) betrifft schätzungsweise bis zur Hälfte aller Frauen nach Geburten und etwa ein Drittel der Frauen insgesamt im Laufe des Lebens​. Etwa 50 % aller Frauen entwickeln laut Schätzungen irgendwann einen urogenitalen Deszensus – jedoch suchen nur rund 10–20 % der Betroffenen tatsächlich medizinische Hilfe auf​.

    Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau wegen eines Deszensus operiert werden muss, liegt kumulativ bei etwa 7–19 % (Lebenszeitrisiko)​. Das entspricht ungefähr jeder achten Frau, die im Laufe des Lebens einen chirurgischen Eingriff zur Behebung eines Prolapses durchmachen wird​. Die jährliche Inzidenz von Prolapsoperationen wird mit ca. 1,5–1,8 pro 1000 Frauenjahren angegeben und erreicht ihren Gipfel in der Altersgruppe zwischen 60 und 69 Jahren​. Aufgrund steigender Lebenserwartung und demografischer Veränderungen ist insgesamt mit einer Zunahme der Fälle und Operationszahlen in den nächsten Jahrzehnten zu rechnen​.

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  3. Ursachen – Pathophysiologie und Risikofaktoren

    Ursächlich für den Deszensus genitalis ist eine Schwäche bzw. Schädigung des muskulären und bindegewebigen Halteapparates des Beckenbodens. Zentral ist hierbei häufig ein Geburtentrauma: Wiederholte vaginale Entbindungen – insbesondere komplizierte oder sehr lange Geburten – können zu Überdehnung und Einrissen von Beckenbodenmuskulatur (z.B. Levator ani) und Faszien führen, was die statische Stabilität des Beckenbodens dauerhaft beeinträchtigt​. Zu den wichtigsten Risikofaktoren zählen dementsprechend Multiparität (mehrfache Schwangerschaften und vaginale Geburten) sowie ein höheres Lebensalter (Altersschwäche des Bindegewebes)​. Weitere begünstigende Faktoren sind Adipositas, chronisch erhöhter intraabdomineller Druck – etwa durch chronischen Husten (z.B. COPD) oder chronische Obstipation – sowie schwere körperliche Arbeit über viele Jahre​. Auch vorangegangene Operationen im kleinen Becken (z.B. Hysterektomie oder andere Beckenbodenoperationen) erhöhen das Risiko eines späteren Genitalprolapses, da sie die integrale Haltestruktur schwächen können. Dieses ist jedoch in Studien nicht ganz einheitlich. Neben mechanischen Faktoren spielen auch konstitutionelle und neurologische Aspekte eine Rolle. Eine familiäre Bindegewebsschwäche (genetische Prädisposition) oder bestimmte ethnische Hintergründe können die Anfälligkeit für einen Deszensus erhöhen​. So wurde in Studien z.B. bei Frauen europäischer Abstammung eine höhere Prolapsprävalenz beobachtet als bei Frauen afrikanischer Herkunft. Neurologische Schädigungen, welche die Innervation der Beckenbodenmuskulatur beeinträchtigen (etwa Läsionen der Pudendus-Nerven oder Rückenmarksverletzungen), können ebenfalls zur Pathogenese beitragen​. Insgesamt entsteht ein Genitaldeszensus meist multifaktoriell durch das Zusammenwirken mehrerer Risikofaktoren auf einem individuell unterschiedlich belastbaren muskulären und faszialen Stützgewebe.

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  4. Symptome – Beschwerden und klinische Präsentation

    Ein leichter Deszensus verläuft häufig asymptomatisch und wird oft nur als Zufallsbefund bei gynäkologischen Untersuchungen festgestellt. Mit zunehmender Senkung treten jedoch charakteristische Beschwerden auf. Am häufigsten klagen Patientinnen über ein Druck- und Fremdkörpergefühl im Unterbauch oder in der Vagina – viele beschreiben das Gefühl eines „Ballons“ oder einer Vorwölbung, die bis vor den Scheideneingang treten kann​. Dieses Gefühl verstärkt sich typischerweise im Stehen und gegen Abend, während es im Liegen nachlässt.

    Begleitend können Blasenfunktionsstörungen auftreten. Dazu zählen eine Abnahme der Harnstrahlstärke, das Gefühl der unvollständigen Blasenentleerung oder ein Restharngefühl. Mitunter kommt es auch zu Harninkontinenz (häufig Stressinkontinenz), wobei dies paradoxerweise durch den Deszensus zunächst kaschiert sein kann – ein höhergradiger Vorfall kann die Harnröhre abknicken und so eine bestehende Inkontinenz verdecken. Umgekehrt kann nach operativer Korrektur eines Prolapses eine zuvor verborgene Inkontinenz manifest werden. Manche Patientinnen berichten zudem über irritative Beschwerden wie häufigen Harndrang oder wiederkehrende Harnwegsinfekte infolge unvollständiger Entleerung.

    Auch darmbezogene Symptome sind möglich, insbesondere bei einer Rektozele (Senkung der hinteren Vaginalwand durch Vorwölbung des Enddarms). Typisch ist ein Obstruktionsgefühl bei der Defäkation: Stuhlentleerungen sind erschwert, die Patientin muss evtl. pressen oder manuell nachhelfen. Das sogenannte “Splinting“ ist ein charakteristisches Verhalten, bei dem die Frau mit den Fingern gegen die hintere Vaginalwand oder das Dammgewebe drückt, um den Stuhlgang zu erleichtern. Zudem können Gefühl einer inkompletten Entleerung oder rektaler Druck auftreten. In schweren Fällen besteht eine begleitende Obstipation.

    Sexuelle Funktionsstörungen können durch einen ausgeprägten Deszensus ebenfalls verursacht oder verstärkt werden. Einige Frauen berichten über einen Verlust an sexueller Empfindung oder eine mechanische Behinderung beim Geschlechtsverkehr, wenn z.B. die Vorwölbung stört. Seltener klagen Patientinnen über Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie) infolge der Senkung – dies tritt eher dann auf, wenn bereits schleimhautulzerative Veränderungen oder begleitende Entzündungen durch einen weit vorfallenden Uterus/Scheidenstumpf bestehen. Wichtig ist: Das Ausmaß der Beschwerden korreliert oft mit dem Schweregrad des Prolapses. Meist treten deutliche Symptome erst ab einem Prolapsstadium II–III auf, wenn also das Gewebe bis auf Höhe des Hymens oder darüber hinaus gesunken ist​. Bei sehr weit protrudierenden Organen (Totalprolaps) können zudem Komplikationen wie Druckulzera an exponierter Vaginalschleimhaut oder – selten – ein Harnstau der Nieren (Hydronephrose durch Ureterknick) auftreten.

     

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  5. Therapieoption: Konservativ

    Die Behandlung des Deszensus richtet sich primär nach dem Beschwerdebild und weniger nach dem objektiven Befund. Asymptomatische oder mild symptomatische Fälle brauchen oft keine interventionelle Therapie. Konservative Maßnahmen stehen initial im Vordergrund​. Hierzu zählen vor allem gezieltes Beckenbodentraining (Physiotherapie) zur Kräftigung der Muskulatur sowie die Anwendung von Pessaren. Ein Pessar (z.B. Ring- oder Würfelpessar) wird in die Vagina eingelegt und kann mechanisch verhindern, dass Organe weiter absinken; es lindert so häufig das Druckgefühl​. Konservative Therapien können die Beschwerden bessern und den Progress verlangsamen, erfordern jedoch Motivation und bei Pessaren eine regelmäßige Reinigung/Wechsel (alle paar Monate, meist durch einen Arzt). Falls die konservative Therapie nicht ausreicht oder der Prolaps sehr ausgeprägt ist, kann eine operative Korrektur erwogen werden​. Gemäß den geltenden Leitlinien sollte eine Operation aber in der Regel nur bei symptomatischem Deszensus erfolgen. Die Auswahl des geeigneten Verfahrens hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere davon, welche Kompartimente betroffen sind, wie schwer der Deszensus ist und welche Bedürfnisse die Patientin hat (z.B. Wunsch nach Uteruserhalt).

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  6. Vorderes Kompartiment (Zystozele)

    Die häufigste Form des Genitaldeszensus betrifft das vordere Kompartiment, d.h. die Senkung der Harnblase mit Vorwölbung der vorderen Vaginalwand (Zystozele). Zystozelen machen etwa 80 % der Operationsindikationen in der Deszensuschirurgie aus​. Die Standardoperation hierfür ist die vordere Kolporrhaphie (vordere Scheidenplastik). Über einen vaginalen Zugang wird dabei die geschwächte Fascia vesicovaginalis (Bindegewebsschicht zwischen Blase und Scheide) dargestellt und in der Mittellinie gerafft/pliciert, um die Blasenwand anzuheben und die vaginale Vorderwand zu straffen. Überschüssige Vaginalhaut wird meist entfernt. Die vordere Kolporrhaphie ist ein relativ kurzer, gewebeschonender Eingriff und kann häufig in Regionalanästhesie durchgeführt werden. Dieses kann auch laparoskopisch erfolgen. Allerdings zeigt die alleinige native Gewebereparatur im vorderen Kompartiment eine vergleichsweise hohe Rezidivrate. In Studien wird berichtet, dass je nach Definition und Beobachtungsdauer bei bis zu 30–40 % der Patientinnen erneut eine signifikante Zystozele auftritt​. Dies liegt unter anderem daran, dass die zugrunde liegende Bindegewebsschwäche fortbesteht. Um die Erfolgsrate zu erhöhen, wird heute empfohlen, bei höhergradigen Zystozelen immer auch die apikale Aufhängung mit durchzuführen – z.B. durch simultane Fixation des Scheidenstumpfs oder Uterus (siehe mittleres Kompartiment) –, da ein unbehandelter Defekt im mittleren Kompartiment häufig zu einem Rezidiv der Zystozele beiträgt​

    In der Vergangenheit wurden zur Verstärkung der Vorderwandrepair häufig synthetische Netzimplantate (Meshes) eingesetzt. Diese netzverstärkten anterioren Reparaturen zeigen zwar deutlich weniger anatomische Rezidive im Vergleich zur alleinigen Kolporrhaphie​, gingen aber mit vermehrten Komplikationen einher. Nach Warnungen der Aufsichtsbehörden und negativer Publizität ist der Einsatz von transvaginalen Netzen für die Zystozelenkorrektur stark zurückgegangen. Heutzutage wird die vordere Kolporrhaphie meist wieder als reine „native tissue“-Technik (ohne Netz) durchgeführt, ggf. kombiniert mit einer zusätzlichen Stütznaht an Haltebändern oder einer Kolposuspension, falls indiziert. Bei ausgeprägtem Rezidiv-Prolaps in diesem Kompartiment kann in Ausnahmefällen eine Netzaugmentation in Betracht gezogen werden, dies jedoch nur nach strenger Indikationsprüfung.

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  7. Mittleres Kompartiment (Uterus/Scheidenstumpf)

    Das mittlere Kompartiment umfasst den oberen Anteil der Vagina – also Senkungen des Gebärmutterhalses bzw. Uterus (Zerviko- oder Uterusprolaps) oder einen Scheidenstumpfprolaps nach vorausgegangener Hysterektomie. Hier besteht die chirurgische Herausforderung darin, die apikale Fixierung der Vagina wiederherzustellen. Es stehen sowohl vaginale als auch abdominelle Operationsverfahren zur Verfügung​, abhängig von Patientinnenfaktoren und Präferenzen.

    Vaginal kann z.B. eine Fixation der Vaginalspitze an das Ligamentum sacrospinale erfolgen – ein Verfahren, das in der Literatur auch als Amreich-Richter-Operation bezeichnet wird (nach den Erstbeschreibern) und im Englischen der sakrospinalen Fixation entspricht. Dabei wird der obere Scheidenrand (bei Uteruserhalt der Zervix) einseitig am Kreuzbeinband (Lig. sacrospinale) im Bereich des rechten Sitzbeinhöckers befestigt. Häufig wird diese Maßnahme direkt im Anschluss an eine vaginale Hysterektomie vorgenommen (sofern der Uterus noch vorhanden ist), um den entstandenen Scheidenstumpf sofort zu fixieren. Die sakrospinale Fixation hat den Vorteil, dass sie vaginal und damit vergleichsweise schonend durchgeführt werden kann, ohne Bauchschnitt. Die OP-Dauer ist moderat und es wird kein Fremdmaterial benötigt. Nachteil kann eine leichte Asymmetrie der Vaginalachse sein (Zug zur fixierten Seite) und gelegentlich treten vorübergehend Gesäßschmerzen oder Parästhesien auf durch Irritation des Ischiasnervs oder seiner Äste. Im Gesamtergebnis erreichen sakrospinale Fixationen eine gute Symptomkontrolle; die objektiven Erfolgsraten sind jedoch etwas niedriger einzuschätzen als bei den abdominellen Verfahren. So hat sich in randomisierten Vergleichen gezeigt, dass die Sakrokolpopexie (Bauchoperation mit Aufhängung der Vaginalkuppe am Promontorium) langfristig weniger Rezidive und eine höhere anatomische Korrekturrate aufweist als vaginale Fixationstechniken​. Auch das subjektive Gefühl eines Vorfalls tritt nach Sakrokolpopexie seltener erneut auf​. Daher gilt die abdominale Sakrokolpopexie (bzw. Sakrohysteropexie bei erhaltenem Uterus) heute als Goldstandard zur Behandlung des Scheidenstumpfprolapses​. Hierbei wird meist ein Kunststoffnetz an der Vorder- und Rückseite der Vagina befestigt und am knöchernen Promontorium (Kreuzbein) verankert, um eine stabile Aufhängung zu erreichen. Dieses Verfahren zeigt exzellente anatomische Ergebnisse und geringe Rezidivraten, erfordert jedoch einen größeren Eingriff (konventionell offen oder laparoskopisch) und die Implantation von Fremdmaterial. Es gibt außerdem die Möglichkeit Eigengewebe zu verwenden. Dabei wird eine autologe Sehne des Musculus semitendinosus aus dem Oberschenkel entnommen und ersetzt die umstrittenen Kunststoffnetze.

    Eine neueres alternatives Verfahren im mittleren Kompartiment ist die laparoskopische Pectopexie (unilateral oder bilateral, mit Netz oder nichtresorbierbaren Faden). Anstatt die Vaginalspitze am Kreuzbein zu befestigen, wird hierbei ein Netzband an den beiden Ligamenta pectinealia (Cooper-Ligamente) rechts oder beidseits im seitlichen Becken angebracht und daran die Vagina bzw. der Uterus aufgehängt. Theoretisch bietet die Pectopexie Vorteile bei Patientinnen, für die eine Sakrokolpopexie riskanter wäre – z.B. bei ausgeprägten Verwachsungen im kleinen Becken oder starker Adipositas, da man den engen Promontorialbereich vermeidet​. Erste Studien deuten darauf hin, dass die Pectopexie in Bezug auf Erfolgsquote und Funktionalität vergleichbare Resultate wie die Sakrokolpopexie erzielt​. In einer Analyse wurden keine signifikanten Unterschiede in den anatomischen Erfolgsraten, der postoperativen vaginalen Länge oder der Notwendigkeit von Re-Operationen zwischen Sakrokolpo- und Pectopexie gefunden​. Zwar gilt die klassische Sakrokolpopexie weiterhin als Standard, doch kann eine Pectopexie bei ausgewählten Patientinnen mit Kontraindikationen zur Sakralbefestigung eine sinnvolle Alternative sein​. Wie bei allen neueren Techniken sind allerdings Langzeitergebnisse abzuwarten, bevor abschließende Empfehlungen ausgesprochen werden können.

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  8. Hinteres Kompartiment (Rektozele)

    Ein Deszensus des hinteren Kompartiments betrifft die hintere Vaginalwand und das angrenzende Rektum. Typischerweise handelt es sich um eine Rektozele, bei der es durch Schwäche des Rektovaginalseptums zu einer Vorwölbung des Enddarms in die Scheide kommt (manchmal begleitet von einer Enterozele, also einer Ausstülpung des Peritoneums/Dünndarms in den Scheidenhinterwandbereich). Die Standardtherapie für eine symptomatische Rektozele ist die hintere Kolporrhaphie (hintere Scheidenplastik). Über einen vaginalen Zugang wird die Rektovaginalfaszie dargestellt und durch Nähte gestrafft bzw. dupliziert, um die hintere Scheidenwand zu stärken und das Rektum zurück an seinen anatomischen Platz zu drücken. Selten wird zusätzlich eine Levatorplastik durchgeführt, bei der die medialen Ränder der Musculi levator ani näher zusammengeführt werden, um den Beckenboden-Auslass zu verkleinern und das perineale Stützgewebe zu festigen, dies kann jedoch zu einer de-novo-Dyspareunie führen. Überschüssige Scheidenhaut an der Hinterwand wird entfernt.

    Die hintere Kolporrhaphie zeigt in der Regel gute funktionelle Ergebnisse: Viele Patientinnen berichten postoperativ über eine erleichterte Darmentleerung und ein Verschwinden des störenden Fremdkörpergefühls. Die anatomischen Erfolgsraten sind hoch.

    Wichtig ist jedoch, ein übermäßiges Verengen zu vermeiden. Bei zu straffer Hinterwandplastik kann es insbesondere bei sexuell aktiven Frauen zu Schmerzen beim Geschlechtsverkehr kommen. Die Literatur gibt die Rate neu auftretender Dyspareunie nach hinterer Plastik je nach Studie mit etwa 8–15 % an​ – deutlich niedriger als die Dyspareunieraten, die für netzaugmentierte Eingriffe berichtet werden, aber dennoch zu berücksichtigen. 

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  9. Erfolgsquoten und Rezidivwahrscheinlichkeiten

    Die Bewertung des Operationserfolgs bei Deszensuschirurgie hängt wesentlich von der Definition ab: Wird ein strenges anatomisches Kriterium angelegt (z.B. „kein Prolaps >1 cm unterhalb des Hymens“), liegen die Rezidivraten deutlich höher als wenn der klinische Erfolg (Beschwerdelinderung) bewertet wird. Insgesamt muss davon ausgegangen werden, dass die Langzeitrezidivrate nach einmaliger Operation relativ hoch ist. Eine Meta-Analyse von 29 Studien bezifferte die durchschnittliche Rezidivhäufigkeit (im Sinne eines objektiven Vorfalls) nach Deszensusoperationen auf rund 38 %​. Entsprechend finden sich in der Literatur Versagensraten je nach Eingriff und Follow-up zwischen etwa 10 % und über 50 %​. Diese große Spannbreite erklärt sich durch unterschiedliche Definitionen und Nachbeobachtungszeiten sowie durch variationsreiche OP-Techniken in den Studien​.

    Tendenziell ist eine vordere Kolporrhapie am rezidivanfälligsten. So kommt es nach isolierter anteriorer Kolporrhaphie in bis zu einem Drittel der Fälle früher oder später erneut zu einer Zystozele​

    Apikale Fixationen zeigen bessere Dauerausgebnisse: Nach abdominaler Sakrokolpopexie liegen die objektiven Rezidivraten in Studien oft unter 10 %​. Im direkten Vergleich mit vaginalen Techniken (z.B. Sakrospinifixation) schneidet die Sakrokolpopexie in Bezug auf die anatomische Haltbarkeit und auch die subjektive Prolapsfreiheit signifikant besser ab​. Allerdings gehen mit der Verwendung von Kunststoffmesh bei der Sakrokolpopexie andere Risiken einher, die es abzuwägen gilt. 

    Der Einsatz von transvaginalen Netzen bei der Vaginalchirurgie führte in randomisierten Studien zwar zu einer Reduktion der anatomischen Rezidive und weniger erneuten Prolapsoperationen im Vergleich zur klassischen Kolporrhaphie​. Dafür wurden aber höhere Raten an Komplikationen und Nebenwirkungen beobachtet, insbesondere Erosionsereignisse und Dyspareunie.  Aufgrund dieser Risiken werden netzbasierte Verfahren heute deutlich restriktiver eingesetzt. 

    Referenz:

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  10. Netzeinlage: Ja oder Nein?

    Der Einsatz von synthetischen Netzen (Mesh) in der Deszensuschirurgie ist seit Jahren Gegenstand kontroverser Diskussionen. Prinzipiell können Polypropylen-Netze die geschwächten faszialen Strukturen ersetzen und somit die anatomischen Ergebnisse verbessern – insbesondere im vorderen Kompartiment, wo herkömmliche Techniken oft unzureichend halten​. Allerdings haben sich in der Praxis teilweise erhebliche Komplikationen durch transvaginale Netze gezeigt. Hierzu zählen vor allem Netzerosionen (Freilegung des Mesh in der Vaginalhaut), chronische Schmerzen durch Netzkontraktur oder -schrumpfung, sowie Dyspareunie. In den Leitlinien werden folgende ungefähre Häufigkeiten für derartige Komplikationen angegeben: de-novo Dyspareunie in 3-13 % der Fälle, schmerzhafte Netzschrumpfung in 3–19 % und vaginale Erosionen des Netzes in etwa 0–30%​. Auch Infektionen (3%), chronische Entzündungen oder Fistelbildungen (selten) sind beschrieben. Nicht selten machen diese Probleme einen weiteren chirurgischen Eingriff zur (Teil-)Entfernung des Netzes erforderlich.

    Aufgrund dieser Sicherheitsbedenken haben Aufsichtsbehörden reagiert. Die US-amerikanische FDA warnte bereits 2008 und 2011, dass Komplikationen bei transvaginalen Prolapsnetzen „nicht selten“ seien, und verschärfte die Regulierungen. 2016 wurde das transvaginale Prolaps-Mesh in den USA in die Hochrisiko-Klasse (Class III) hochgestuft, und die Hersteller wurden verpflichtet, die Langzeitsicherheit und -effektivität nachzuweisen. Da dieser Nachweis aus Sicht der Behörde nicht erbracht werden konnte, hat die FDA im April 2019 die Zulassung aller verbleibenden transvaginalen Netzprodukte zur POP-Reparatur entzogen und deren Vertrieb untersagt​. In vielen Ländern (u.a. Großbritannien, Australien) wurden ähnliche Einschränkungen oder Moratorien verhängt.

    Aktuelle Leitlinien und Fachgesellschaften empfehlen mittlerweile, den Einsatz von Netzen auf spezifische Situationen zu beschränken. Die deutsch-österreichisch-schweizerische Leitlinie (DGGG/OEGGG/SGGG) rät dazu, transvaginale Netzimplantate nur bei rezidiviertem Deszensus oder bestimmten Risikokonstellationen und auch dann nur durch erfahrene Operateure nach ausführlicher Aufklärung der Patientin vorzunehmen. Wo immer möglich, sollen nativgewebliche Techniken bevorzugt werden. Insgesamt lautet die Antwort auf „Netz – ja oder nein?“ in der heutigen Zeit eher: im Regelfall nein, außer in ausgewählten Fällen mit sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung. Wichtig ist, die Patientin vor einer geplanten Netzimplantation über die potenziellen Risiken (Erosionsrate, mögliche Schmerzen, etc.) aufzuklären und alternative Optionen (z.B. erneute native Reparatur oder letztlich auch ein pessarunterstütztes Leben mit dem Prolaps) zu besprechen. Die FDA hat klargestellt, dass bisher kein transvaginales Netz eine Überlegenheit gegenüber traditionellen OP-Techniken in Langzeitergebnissen ohne unvertretbare Risiken zeigen konnte​. 

    Referenz: 

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  11. Risiken nach der Operation

    Wie bei jeder operativen Therapie müssen auch bei der Deszensuschirurgie die Operationsrisiken beachtet werden. Neben den allgemeinen Risiken (Narkosekomplikationen, Thrombose/Embolie, Infektionen) gibt es einige spezifische potenzielle Komplikationen:

    Verletzung benachbarter Organe: Bei vaginalen Eingriffen besteht eine geringe Gefahr, die Harnblase oder Harnröhre zu verletzen (z.B. Blasenläsion bei ca. 1–2 % der vorderen Kolporrhaphien, je nach Studie). Auch Ureterverletzungen sind in seltenen Fällen möglich, insbesondere bei umfangreichen Fixationsnähten im Bereich des Parametriums. Bei hinteren Reparaturen kann es in Ausnahmefällen zu einer Verletzung des Rektums oder Analkanals kommen. Abdominelle/laparoskopische Zugänge bergen ein (sehr geringes) Risiko für Darmläsionen oder Gefäßverletzungen im kleinen Becken.

    Blutung: Intraoperative Blutungen größerer Gefäße sind selten, aber möglich. Insbesondere bei sakrospinalen Fixationen kann die Nähe zur A. glutealis superior und zum Plexus venosus im kleinen Becken relevant werden. Eine Nachblutung oder Hämatombildung in der Vaginalwand kann postoperativ Schmerzen verursachen. Insgesamt ist der Blutverlust bei den meisten Beckenbodenverfahren moderat; Transfusionen werden nur in Ausnahmefällen benötigt.

    Infektionen: Wundinfektionen im Vaginalbereich sind selten. Allerdings kann es zu Scheideninfektionen oder -abszessen kommen. Ebenso begünstigt ein Blasenkatheter das Auftreten eines Harnwegsinfekts postoperativ. Eine perioperative Antibiotika-Prophylaxe wird häufig gegeben, um Infektionen vorzubeugen.

    Thrombose/Embolie: Bei Beckenboden-Operationen besteht – wie bei allen größeren Operationen – ein Thromboserisiko. Durch frühzeitige Mobilisierung der Patientin und Thromboseprophylaxe (Heparin, Kompressionsstrümpfe) wird dem entgegengewirkt. Insgesamt ist das Risiko aber als gering einzustufen.

    Postoperative Blasenentleerungsstörung: Nach einer Prolapsoperation (insbesondere nach vorderer Plastik oder kombinierter Fixation) kann es vorübergehend zu Miktionsproblemen kommen. Ursachen sind Schwellung, veränderte Anatomie oder vorübergehende neurale Beeinträchtigung. Typischerweise normalisiert sich die Blasenfunktion innerhalb einiger Tage. In ~5–15 % der Fälle ist ein temporärer Verweilkatheter oder intermittierendes Selbstkatheterisieren für einige Tage erforderlich, bis die spontane Miktion adäquat ist. Dauerhafte Miktionsprobleme sind selten.

    Neu auftretende Harninkontinenz: Durch die Beseitigung des Deszensus wird manchmal eine zuvor verdeckte Belastungsinkontinenz sichtbar. Studien zeigen, dass bei etwa 10–20 % der Patientinnen nach Prolapsoperation erstmals eine Stressinkontinenz auftritt​. Um dem vorzubeugen, wird präoperativ ein sogenannter „Hustentest“ mit angehobenem Prolaps durchgeführt; wenn dabei eine verborgene Inkontinenz auffällt, kann (eher zurückhaltend) ggf. intraoperativ direkt ein suburethrales Band (z.B. TVT) eingelegt werden. Sollte postoperativ eine relevante Inkontinenz neu entstehen, kann diese in einem zweiten Schritt mit einem Schlingenverfahren behoben werden.

    Sexuelle Funktion und Dyspareunie: Eine Verschlechterung der sexuellen Funktion nach Prolapschirurgie wird zwar befürchtet, tritt aber den Daten nach bei den meisten Frauen nicht ein – im Gegenteil zeigen Langzeitstudien oft eine stabile oder verbesserte sexuelle Zufriedenheit nach Deszensuskorrektur, da das störende Vorfallgefühl beseitigt ist.  Dennoch kann es bei einem Teil der Patientinnen zu neu auftretender Dyspareunie kommen. Ursachen sind Narben in der Scheide, eine Straffung/Verengung der Scheidenhaut (insbesondere nach hinterer Plastik) oder – bei Netzoperationen – chronische Schmerzen durch das Material. Die Raten für de-novo Dyspareunie liegen je nach OP-Verfahren unterschiedlich: Nach alleinigen native-tissue Reparaturen werden um 8–15 % berichtet, während nach transvaginaler Netzaugmentation höhere Raten bis ~20 % angegeben werden​. Wichtig sind eine behutsame Operationstechnik (kein unnötiges Straffen der Scheide) und eine gute postoperative lokale Östrogenisierung, um die Schleimhaut elastisch zu halten.

    Mesh-spezifische Komplikationen: Falls ein synthetisches Netz verwendet wurde (v.a. bei Sakrokolpopexie oder früher bei transvaginalen Mesh-Kits), bestehen zusätzliche Risiken. Dazu zählen Netzerosionen in die Scheide oder benachbarte Organe (Blase, Rektum), die manchmal erst Jahre nach dem Eingriff auftreten. Kleinere Erosionen können konservativ oder durch Abschneiden des exponierten Netzanteils behandelt werden, ausgedehnte Erosionen erfordern jedoch mitunter eine operative Mesh-Exzision. Weitere mesh-spezifische Probleme sind chronische Schmerzen, Narbenbildung mit Schrumpfung und ggf. organübergreifenden Fisteln. Diese Komplikationen sind insgesamt selten, aber schwerwiegend, weshalb  der Mesh-Einsatz stark limitiert wurde.

    Rezidivprolaps: Trotz initial erfolgreicher Operation kann langfristig wieder ein Prolaps auftreten – entweder im selben Kompartiment (echtes Rezidiv) oder in einem zuvor unauffälligen anderen Kompartiment. Insgesamt liegt die anatomische Rezidivrate je nach Studie um 20–30 %​, allerdings ist die klinisch relevante Rezidivrate deutlich geringer. Sollte ein Rezidivprolaps Beschwerden verursachen, kann erneut konservativ (Pessar, Physiotherapie) oder operativ vorgegangen werden, je nach Schweregrad und Gesundheitszustand der Patientin. Patientinnen sollten darüber aufgeklärt werden, dass ein einmal operierter Beckenboden nicht „für immer geheilt“ sein muss, sondern weitere Eingriffe im Lebensverlauf erforderlich werden können (bei etwa jeder 10. Patientin) – allerdings sind Wiederholungsoperationen meist weniger umfangreich und können gezielt das erneut betroffene Kompartiment adressieren.

     

    Referenzen:

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